LifeVERDE: Frau Kirner, zündstoff. fair organic clothing wurde bereits vor 10 Jahren gegründet, zu einer Zeit, in der grüne Mode noch kein großes Thema war. Wie kam es dazu und wer steckt dahinter?
Bernadette Kirner, PR zündstoff. fair organic clothing: Grüne Mode war schon ein Thema damals, allerdings in einer Weise, die für den Geschmack von Sascha Klemz und Matthias Rau nicht so richtig passend war. Die beiden Gründer von zündstoff wollten coole Streetwear anziehen und konnten sich deswegen mit der klassischen Ökomode nicht wirklich identifizieren. So machten sie sich auf die Suche nach Labels, die ethischen sowie ökologischen Ansprüchen gerecht wurden, ihnen aber auch gefielen. Und wurden auch fündig. Sowohl Matthias Rau als auch Sascha Klemz kommen ursprünglich nicht aus der Modebranche, sondern den Geisteswissenschaften und hätten sich damals nicht vorstellen können, was 10 Jahre später alles passiert sein würde. Seit 2006 existiert der zündstoff-Onlineshop, seit ca. sieben Jahren ein eigener Laden, der 2012 an neuer Location und mit mehr Fläche erweitert wurde. Mittlerweile umfasst das Team ca. zehn Angestellte. Dass das Ganz sehr organisch über die Zeit gewachsen ist, freut uns als Unternehmen sehr. Wir sind gespannt, was sich in den kommenden Jahren noch so tun wird.
Wofür steht zündstoff?
Zündstoff steht für coole und zeitgemäße Mode, die nach ethischen und ökologischen Richtlinien hergestellt wird. Wir wollen zeigen, dass öko-faire Mode stylisch ist und finden es toll, dass sich in den vergangenen Jahren so viel in dieser Branche getan hat. So können wir unseren Kund*innen ein breitgefächertes Sortiment nachhaltiger Mode anbieten und vermitteln, dass sie sich zeitgemäß und modebewusst kleiden können, ohne dabei die Herstellungsbedingungen aus den Augen verlieren zu müssen.
An wen richtet sich Ihr Angebot und worin unterscheiden Sie sich eventuell von anderen grünen Modelabels?
Zunächst: Wir sind selbst kein Modelabel, sondern verkaufen die unterschiedlichsten Labels aus dem öko-fairen Bekleidungsbereich. Unser Angebot richtet sich an Menschen, die sich Gedanken darübermachen, was sie anziehen wollen und welche Auswirkungen ihre Konsummuster auf Produktionsprozesse haben können und sich dabei modebewusst anziehen möchten. Sie suchen Alternativen zu den gängigen Marken, wollen nachhaltige Materialien tragen und außerdem wissen, unter welchen Bedingungen ihre Kleidungsstücke hergestellt wurden. Insofern bilden unsere Kund*innen eine relativ heterogene Gruppe. Sie eint allerdings der Wunsch nach transparenten Produkten sowie bewussterem Konsum. Uns ist es außerdem wichtig, Kleidung im mittleren Preissegment anzubieten. Wir möchten keine grüne Luxusmode verkaufen, die sich nur wenige leisten können, sondern alltagstaugliche, zeitgemäße Stücke, die nicht morgen wieder out sind.
Leben Sie Nachhaltigkeit auch im eigenen Unternehmen?
Ja, das ist für uns eine logische Fortführung unserer Geschäftsidee: Nicht nur unser Warenangebot soll diesem Anspruch gerecht werden, sondern auch innerhalb unseres Unternehmens finden wir es wichtig, soziale, ökologische sowie ethische Aspekte einzubinden und zu verwirklichen. V.a. 2016 haben wir uns mit derlei Fragen intensiv im Rahmen einer Gemeinwohlökonomie-Bilanzierung (GWÖ) beschäftigt. Bei einer GWÖ geht es nicht nur um geldwerte Aspekte eines Unternehmens, sondern auch um jene, die mit herkömmlichen Bilanzierungsmethoden nicht darstellbar sind, bspw. um die Arbeitsplatzqualität (Work-Life-Balance, Arbeitszeit etc.), das Mobilitätsverhalten der Mitarbeiter*innen, unsere Einkaufspolitik, sowie gemeinwohlorientiertes Verhalten. Geplant ist, die GWÖ als pdf-Dokument auf unserer Homepage verfügbar zu machen. So können sich unsere Kund*innen sehr transparent einen Überblick über unser Unternehmen verschaffen und sehen, was wir bereits sehr gut machen und wo es evtl. noch Entwicklungspotenzial gibt. Nachhaltigkeit steht bei zündstoff folglich nicht als leere Worthülse, sondern wird auch gelebt.
Vor welche Herausforderungen stellt Sie der Nachhaltigkeitsaspekt?
Die Modebranche als solche ist ja leider nicht sonderlich nachhaltig. Da ist zum einen der hohe Wasserverbrauch beim Anbau von Pflanzenfasern, wie Baumwolle, als auch die Transport- und Energiekosten. Aber: Natürlich gibt es viele Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um die Energiebilanz eines Kleidungsstücks zu verbessern, den Boden beim Anbau zu schonen, weniger Wasser zu verbrauchen und Emissionen einzusparen. Interessant sind natürlich auch Innovationen bezüglich neuer Materialien: Hier hat sich Lyocell in den letzten Jahren gut entwickelt. Dieses wird wasser- und umweltschonend aus Holzfasern, also Cellulose, produziert und kommt mit tollen Stoff- sowie Trageeigenschaften. In unserem Sortiment finden sich viele Teile, die komplett oder teilweise aus diesem Material bestehen. Auch im Bereich pflanzliche Ledergerbung passiert etwas. Ansonsten wird immerhin auf chromarme Gerbung geachtet.
Worauf sollten Verbraucher in jedem Fall achten, wenn sie grüne oder faire Mode suchen?
Zertifizierungen und bestimmte Standards, wie z.B. das Siegel der Fair Wear Foundation, das GOTS-Label oder auch die Zertifizierung nach der World Fair Trade Organisation können beim Einkauf in jedem Fall helfen und eine gute Orientierung geben, da sie bestimmte Standards bei der Herstellung der Rohstoffe sowie der weiteren Verarbeitung und Fertigung garantieren. Allerdings gibt es auch gerade kleine und noch junge Labels, die es sich häufig nicht gleich leisten können, den doch nicht ganz günstigen Zertifizierungsprozess zu durchlaufen. Hier muss man sich fragen: Wie sind die wichtigsten Standards anderweitig gewahrt? Wie transparent legt die Marke diesbezügliche Prozesse offen? Kann in naher Zukunft mit einer Zertifizierung gerechnet werden? Diese Fragen können dabei helfen, die Situation besser einzuschätzen, geben natürlich aber nicht die gleiche Sicherheit, wie eine der verbreiteten Zertifizierungen.
Welche Trends sehen Sie aktuell im Bereich nachhaltige Mode? Und interessieren sich Ihrer Meinung nach immer mehr Menschen für dieses Thema?
Um mit der zweiten Fragen zu beginnen: Ja, immer mehr Menschen beschäftigen sich mit öko-fairer Mode und kaufen bewusster ein. Wir sehen das ja auch direkt an unseren Kund*innen: Das Interesse an dem Thema öko-faire Mode ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Das Rana Plaza Unglück in Bangladesch hat das Thema vor 4 Jahren massiv in die Weltöffentlichkeit getragen. Allerdings haben sich auch Filmemacher*innen dem Thema mehr angenommen: Die Doku 'The True Cost' vom amerikanischen Dokufilmer Andrew Morgan wirft einen sehr ungeschönten Blick auf die Abgründe der globalen Modeindustrie und lässt Betroffene zu Wort kommen. Bildungsarbeit in Schulen in Form von Projekttagen kann auch eine gute Möglichkeit sein, Kinder und Jugendliche pädagogisch an das Thema heranzuführen und Alternativen zu herkömmlichen Konsum aufzuzeigen.
Welche Trends zu beobachten sind: Innovationen bezüglich neuer Materialien, die wir stets mit großem Interesse verfolgen, denn hier geschieht viel. Zudem ist ganz klar zu sehen, dass sich das Angebot im öko-fairen Bekleidungsbereich beständig vergrößert. Denn die Menschen sehnen sich wieder verstärkt nach hochwertigen Produkten.
Verraten Sie uns, was es künftig Neues von Ihnen geben wird?
Ein Punkt ist der beständige Ausbau unseres Sortiments – aktuell v.a. in unserem Onlineshop, in dem wir in den vergangenen Wochen das Angebot der Marke Stanley & Stella stark erweitert haben. Das belgische Label stellt die unterschiedlichsten Basics her – und das zu einem erschwinglichen Preis. Für Kund*innen bei uns ist diese Marke deswegen häufig der Erstkontakt mit öko-fairer Kleidung.
Wir sind aber natürlich auch stets an neuen Labels oder spannenden Innovationen interessiert. Neu in unserem Sortiment sind bspw. Nylonstrumpfhosen aus recyceltem Plastikmüll, der aus dem Meer stammt.