Grüne Wirtschaft

Lebensmittelverschwendung bei der Herstellung? – Ein Startup kämpft dagegen an

INTERVIEW | Lebensmittel werden häufig in noch gutem Zustand weggeworfen – oder gar nicht erst weiterverarbeitet. Zero Bullshit setzt sich für eine intelligente Ressourcennutzung ein.

INTERVIEW | Lebensmittel werden häufig in noch gutem Zustand weggeworfen – oder gar nicht erst weiterverarbeitet. Zero Bullshit setzt sich für eine intelligente Ressourcennutzung ein.

03.02.2022 | Ein Interview geführt von Deborah Iber | Bild: Jess Bailey, Unsplash


In weitentwickelten Ländern wie Deutschland leben wir oftmals im Überfluss – und was vermeintlich nicht mehr gebraucht wird, wird einfach weggeworfen. Lebensmittel sind als „Wegwerfprodukt“ sehr beliebt – rund die Hälfte von Lebensmittelabfällen entsteht in privaten Haushalten (Quelle: Johann Heinrich von Thünen-Institut). Ein weiterer großer Anteil an Müll fällt bei der Verarbeitung von Lebensmitteln an.

Bei diesem Schritt setzt das Startup Zero Bullshit an: Die drei Gründer*innen haben es sich zur Mission gemacht, durch ressourcenschonende und intelligente Produktentwicklung die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Wie sie das angehen, welche Unternehmen sie unterstützen möchten und was es mit dem Better Cracker auf sich hat, erfährst du von Gründerin Sandra.

LifeVERDE: Sandra, mit Pascal und Lisa hast du das Startup Zero Bullshit gegründet, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Wie kamt ihr zu dem Thema und zur Unternehmensidee?

Sandra: Wir alle drei sind studierte Lebensmitteltechnologen inkl. Doktorarbeit, d. h. unser Fachgebiet sind die Herstellung und Technologie von Lebensmitteln. Doch erst 2018 sind wir in einem gemeinsamen Uniprojekt – dem EIT Food Solution ‚Foodio‘ Wettbewerb – darauf gestoßen, dass nicht nur bei uns allen im Haushalt, sondern auch bei der Herstellung von Lebensmitteln Ressourcen ‚verschwendet‘ werden. Denn rund 18 % der gesamten Lebensmittelverschwendung – umgerechnet rund 2.2 Millionen Tonnen pro Jahr – entstehen in der Lebensmittelindustrie.

Im Laufe des Jahres arbeiteten wir also gemeinsam an einer Lösung, um diese Industrie nachhaltiger zu machen. Hier sind wir zusammengewachsen. Mit dem Endprodukt gewannen wir dann den Innovationspreis von EIT Food und legten so den Baustein für unsere heutige Firma. Denn nach so einem Erfolg kann man doch gar nicht aufhören, oder? Zwar hat unser heutiger Better Cracker in Form und Geschmack nicht mehr viel mit unseren gebackenen Flakes von damals gemein, doch noch immer trägt er dieselben nachhaltigen Inhaltsstoffe.

Seit 2021 unterstützen wir außerdem Unternehmen mit unserem Wissen für eine ressourcenschonende und innovative Produktentwicklung. Hierauf möchten wir uns nun fokussieren, um einen nachhaltigen Mehrwert für die Lebensmittelindustrie zu schaffen.


Das Gründerteam von Zero Bullshit: Lisa Berger, Sandra Ebert und Pascsl Moll (Bild: ZBS Food UG).

Wobei entstehen die meisten Lebensmittelabfälle bzw. die größte Verschwendung in der Lebensmittelindustrie?

Es ist natürlich schwer hier einen „bösen Buben“ zu nennen. Bei vielen Rohstoffen kommt es auch auf die Sorte an. So bleiben bei der Herstellung von Saft aus Apfel, Birne, Rhababer oder Zitrone zwischen 20 und 50% Trester übrig. Natürlich spielt auch die Technologie eine entscheidende Rolle – ob es nun eine kleine steirische Ölmühle (ca. 60 % Trester) oder eine hochindustrielle Produktion ist, bei der diese „Überbleibsel“ nicht bekannt sind.

Es ist uns einfach sehr wichtig mit unserer Firma darauf aufmerksam zu machen, dass diese Reststoffe existieren und vor allem auch, dass sie einwandfreie Rohstoffe sind, die nicht in die Tonne gehören! So enthält unser Trester aus der Ölproduktion (Kürbiskernmehl, Sonnenblumenprotein) bis zu 60 % Protein und bis zu 18% Ballaststoffe und ist gleichzeitig reich an Vitaminen und Mineralien. Kurz zusammengefasst: Lebensmittelverschwendung lässt sich nicht nur vermeiden, man kann daraus auch Produkte entwickeln, die Gut für Dich und Gut für die Umwelt sind.

Mit Zero Bullshit möchtet ihr andere Unternehmen wie gesagt auch bei der Konzeption und Entwicklung von ressourcenschonenden Lebensmittel-Produkten unterstützen. Was bietet ihr ihnen konkret an?

Unser Fachgebiet sind die Lebensmittel. Wir möchten dieses Wissen und unsere Startup-Erfahrung kombinieren und auch an andere Unternehmen weitergeben und bieten eine ganzheitliche Beratung an, die die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt. So schulen wir zu den Eigenschaften, der Auswahl und der Verarbeitung von Rohstoffen und optimieren gemeinsam mit dem Unternehmen die Herstellungsverfahren. Durch unseren Partner, die CFH Hohenheim, bieten wir zusätzlich Analysen inkl. deren wissenschaftlichen Auswertung. Wie man sich bereits denken kann, geben wir auch Input zur Vermeidung und Verwendung von „Überbleibseln“ (Stichwort Upcycling). Gleichzeitig unterstützen wir – auch kleinere Startups – bei der Auswahl von Lohnherstellern, Verpackern, Logistikern und Co. durch unser Netzwerk, um ein Maximum an Synergien für „bettere“ Lebensmittel zu schaffen.

Upcycling spielt dabei eine große Rolle. Wie kann man sich Upcycling im Lebensmittelbereich vorstellen und in welcher Form können sie gut weiterverwendet werden?

Bei der Herstellung von Lebensmitteln gibt es natürlich einige Vorgaben zu erfüllen, vor allem, wenn man sie bei einem Lohnhersteller produzieren und im Einzelhandel vertreiben möchte. So muss das Rohmaterial „standardisiert“ sein, d.h. eine gleichbleibende Qualität haben und natürlich auch für den Verzehr unbedenklich sein. Generell ist die die Pulverform – also vermahlene Trester – eine dankbare und ökonomisch sinnvolle Möglichkeit. So wird beim Transport der Raum gut genutzt (kein zusätzliches schweres Wasser) und sie sind lange haltbar.

Welche weiteren Faktoren sind für eine ressourcenschonende Lebensmittelproduktion entscheidend?

Bei der Herstellung von Lebensmitteln sollte es immer um die ganze Wertschöpfungskette gehen, sozusagen „from field to fork“. Gerne nennen wir hierzu ein paar Beispiele:

  • Ein Wasser aus Glasflaschen ist nicht unbedingt nachhaltig, wenn es mehrere tausend Kilometer weit transportiert wurde. Hier lohnt es sich dann lieber zum lokalen Anbieter zu wechseln, auch wenn dieser Plastikflaschen anbietet.
  • Viele nachhaltig wirkende Produkte befinden sich in Mehrkomponenten-Verpackungen, d.h. die braune Papiertüte ist innen mit Aluminium und/oder verschiedenen Plastiklagen beschichtet. Diese Verpackung kann kaum oder gar nicht recycelt werden. Besser sind hier tatsächlich Plastikverpackungen aus nur einer Plastikart, wie die unseres Better Crackers. Sie kann somit direkt recycelt werden.

Was viele nicht wissen: Viele Lebensmittel müssen gegen Licht, Sauerstoff und Wasser geschützt und deshalb in Plastik verpackt werden, um nicht zu verderben. 

Der Better Cracker, den du bereits erwähnt hast, ist euer selbst entwickeltes Upcycling-Lebensmittel: ein pflanzlicher Protein-Snack, der 30% upgecycelte Zutaten enthält. Welche Upcycling-Rohstoffe sind das und was ist sonst noch enthalten?

Der Better Cracker besteht zu 30% aus Bio-Zutaten, die bei der Herstellung anderer Lebensmittel als Überbleibsel anfallen: Sonnenblumenprotein und Kürbiskernöl aus der Ölherstellung und eine fruchtige Apfelfaser aus der Herstellung von Apfelsaft. Das macht ihn nicht nur nachhaltig, sondern auch gesund. Denn diese Überbleibsel sind protein- und ballaststoffreiche Trester. Der Slogan des Better Crackers: Better für Dich UND die Umwelt.


Die Better Cracker mit Upcyclinganteil von Zero Bullshit (Bilder: ZBS Food UG).

Mit welchen Voraussetzungen könnten Lebensmittel auch zu hundert Prozent aus upgecycelten Reststoffen bestehen?

Das ist eine sehr interessante Frage. Hierzu bedarf es natürlich an Know-how zu den Eigenschaften der upgecycelten Rohstoffe – alleinig und in Kombination mit anderen Überbleibseln. Durch unser Studium und Doktorarbeit wissen wir hier aber auf jeden Fall schon ziemlich gut Bescheid. An alle da draußen, die Lust auf ein solches Projekt haben: Meldet Euch!

Welche Ziele möchtet ihr mit Zero Bullshit in den nächsten Jahren erreichen?

Wir möchten Unternehmen dabei unterstützen die Produktion von Lebensmitteln innovativer, effizienter und nachhaltiger zu machen. Also heißt es nun: Voll durchstarten im Bereich Lebensmitteltechnologieberatung und Analyse. In diesem Sinne freuen wir uns auf alle Anfragen von KMUs, Mittelstand, Startups, Inkubator*innen und Innovator*innen. Gleichzeitig haben wir es uns zur Aufgabe gesetzt, Verbraucher*innen in allen Belangen der Lebensmittelbranche zu schalGeorg,en, und so manche Mythen und Halbwahrheiten aufzudecken.

Vielen Dank für das Interview, liebe Sandra!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Zero Bullshit stellen möchtest? 

Dann schreib sie in die Kommentare - freuen und auf den Austausch mit dir!

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