Gesellschaft

Kaffee und Pilze für die Möbel-Querdenker von morgen

Möbel und Accessoires aus Abfallmaterialien - alles schon gesehen in der grünen Szene. Wo aber sind aber die markttauglichen Alternativen für den Alltag?

Möbel und Accessoires aus Abfallmaterialien - alles schon gesehen in der grünen Szene. Wo aber sind aber die markttauglichen Alternativen für den Alltag?

05.07.2017 - ein Beitrag von Robert Plantus

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Bereits bei der Einrichtung des Wohnraums besteht die Möglichkeit, umweltbewusst zu Handeln. Hierzu sind vor allem die Umstände, unter denen Holzmöbel und -gegenstände hergestellt werden, zu beachten. Lange Transport- und Lieferwege sorgen für hohe Schadstoffausstöße, nicht alle Hersteller beziehen ihr Holz aus nachhaltiger und regionaler Forstwirtschaft und Bestandteile aus Metallen, Kunst- oder Klebstoffen mindern die Nachhaltigkeit der Produkte deutlich.


Zertifiziert nachhaltige Holzprodukte wiederum sind vergleichsweise teuer und daher eine weniger geeignete Alternative für die breite Masse der Zukunft. Aber wer sagt, dass alles aus dem gleichen Holz geschnitzt sein muss?

Das Pilzwunder: Myzel

Material für Möbel und andere Gegenstände „wachsen zu lassen“ hat sich ein amerikanisches Unternehmen seit 2007 zur Mission gemacht. Das Verfahren, mit dem Evocative Design aus landwirtschaftlichen Abfällen ein dem Pressspan sehr ähnliches Material gewinnt, setzt auf Myzel – den mikrofeinen Fasern von Pilzen, die eigentlich unterirdisch wachsen.

Myzel eignet sich hervorragend als natürlicher Klebstoff, wodurch diverse Abfallmaterialien in jede erdenkliche Form gepresst und (optional durch Hitze) gehärtet werden können. So können vielerlei umweltfreundliche Möbel und Gegenstände hergestellt werden – im kleinen Stil sogar zuhause mit einem DIY-Starter Kit. Das Material nennen die New Yorker „MycoBond“. Der kalifornische Künstler Phil Ross (Gründer des heutigen Unternehmens MycoWorks) verwendete bereits vor mehr als 30 Jahren Myzel, um daraus Möbel und Kunstgegenstände anzufertigen fördert die Verwendung des Materials sogar in der Architektur.

Das Problemkind: Biokunststoffe

Plastik ist in unserem Alltag überall: Von der Elektronik, die uns umgibt mal abgesehen, findet es sich besonders in den Massen an Verpackungen, Tragetaschen und Trinkflaschen, die täglich über das Fließband rollen. Annähernd 40 % unseres jährlich anfallenden Verpackungsmülls sind Kunststoffe. Aber auch Kleider und Einrichtungsgegenstände haben häufig einen hohen Plastikanteil.


Eine bereits aus dem Alltag bekannte Alternative sind die aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugten Biokunststoffe. Im Supermarkt findet man diese in Form von Bio-Tüten, Eierkartons und Fleisch-Schalen. Allerdings wird Biokunststoffprodukten derzeit noch keine bessere Ökobilanz zugesagt, als jenen mit fossilen Kunststoffen. Dies liegt zum einen daran, dass sie häufig in der falschen Tonne – nämlich bei den Verpackungen – landen und wieder aufwendig aussortiert werden müssen und einige der verwendeten Materialien dennoch einen fossilen Anteil haben.

Auch die Produktion aus Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr verursacht durch den landwirtschaftlichen Anbau CO2-Ausstöße und Erdölverbrauch. Da Biokunststoffe eine für Biomüll vergleichsweise hohe Abbauzeit haben, werden sie außerdem auch hier häufig zur Verbrennung aussortiert.

Trotz ihrer nur teilweise gegebenen Nachhaltigkeitsaspekte könnten Biokunststoffe, die bei der Verarbeitung besonders formbar sind und eine hohe Stabilität gewährleisten, gerade für die Zukunft der Möbelbranche eine zunehmende Rolle spielen. Das als flüssiges Holz bekannte “Arboform” wurde bereits Ende der neunziger Jahre entwickelt.

Der Allrounder: Kaffeesatz

Kaffeesatz muss kein lästiges Abfallprodukt sein. Das Berliner Startup Kaffeeform beispielsweise verwendet diesen, um daraus mit Hilfe weiterer, nachwachsender Rohstoffe einzigartige Kaffeetassen herzustellen – die materialbedingt unterschiedlich ausfallende Maserung macht jede Tasse zu einem ansehnlichen Unikat. Der Upcycling-Charakter des Ganzen wird unterstrichen, indem der Kaffeesatz von Cafés in der Region eingesammelt und für die Herstellung verwendet wird.

Auch als Heizpellets (Bio-bean), Druckertinte (RITI-Printer, Jeon Hwan Ju) oder gar „fruchtbarer Boden“ für den Anbau von Austernpilzen (GroCycle) wird Kaffeesatz inzwischen verwendet, denn darin findet sich ein hoher Gehalt von Nährstoffen und Antioxidantien. Dass Kaffeesatz ebenfalls als formbares Material fürs heimische Interieur geeignet ist, zeigt zum Beispiel der Spanier Raúl Lauri mit seinen „decafé“ - Lampen.

Endlose Möglichkeiten durch kreatives Upcycling

Die bereits vielerorts verarbeiteten Biokunststoffe sind beispielhaft dafür, wie eine Idee zwar im Grunde nachhaltig sein kann, in der Umsetzung jedoch - hier durch fehlende Strukturen für eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft - noch scheitert. Ob wir irgendwann in unserem Alltag von unkonventionellen Materialien wie Pilzen und Kaffeesatz umgeben sind, wird sich zeigen. Die meist deutlich verbesserte Ökobilanz gegenüber herkömmlichen Materialien, besonders aber die praktische Anwendbarkeit und die kreative Vielfalt an Möglichkeiten des Re- und Upcyclings machen diese grünen Innovationen zu verblüffenden Alternativen - für die Situationen, in denen wir in Punkto Umwelt noch zwischen den Stühlen stehen.

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