LifeVERDE-Experte für Altpapierrecycling: Andreas Steenbock (Steinbeis Papier GmbH) | Bild: Unsplash
Wir alle kennen die blauen Mülltonnen im Hinterhof, vollgestopft mit alter Pappe, gebrauchten Kartons und anderen papiernen Überresten des Alltags. Durch eine ordentliche Mülltrennung kann der Inhalt dieser Tonnen recycelt - also wieder aufbereitet - werden, zu neuem Papier, Karton und Pappe. Klingt nach einer ressourcen- und umweltschonenden Methode. Aber woran kann man denn recyceltes Papier eigentlich erkennen? Wo liegen genau die Vorteile von Recyclingpapier und ist es wirklich nachhaltiger, eine Mail statt einem Brief zu versenden?
Diese und weitere Fragen stellen sich täglich hunderte Menschen – ein klarer Fall für unser Informations-Format “Frag die Expert*innen!”. Wir geben eure ausgewählten Fragen rund um nachhaltige Produkte und Themen direkt an unsere Partner*innen weiter, die selbst Hersteller*innen, Produzent*innen, Dienstleister*innen, Wissenschaftler*innen oder aus einem anderen Grund Expert*innen auf ihrem Gebiet sind.
1. Ist Recyclingpapier wirklich umweltfreundlicher?
2. Woran erkenne ich ein hochwertiges Recyclingpapier?
3. Wie oft kann Papier recycelt werden?
4. Ist "digital" automatisch nachhaltiger als "Papier"?
5. Wie funktioniert Papierrecycling?
6. Was darf in die Altpapiertonne (und was nicht)?
7. Welche Papiersorten sind fürs Recycling geeignet?
8. Welche Produkte können aus Altpapier hergestellt werden?
Recyclingpapiere tragen wesentlich zur Nachhaltigkeit und Schonung wertvoller Ressourcen bei. In erster Linie wird durch die Mehrfachnutzung bereits existierender Papierfasern der Druck auf die Wälder genommen, da für Recyclingpapiere kein frisches Holz geschlagen und genutzt werden muss. Der Erhalt unsere Wälder und der Biodiversität ist ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltigere Zukunft. Bei der Herstellung von Recyclingpapieren wird auch deutlich weniger Energie und Wasser benötigt als für die Herstellung vergleichbarer Frischfaserpapiere. In Zahlen ausgedrückt, lässt sich das ganz einfach mit dem Nachhaltigkeitsrechner der „Initiative Pro Recyclingpapier" nachvollziehen. Für eine Tonne grafisches Recyclingpapier beträgt die Einsparung beim Gesamtenergiebedarf und beim Wasserbedarf demnach ca. 60% und es werden gut 16% weniger CO2 emittiert.
Andreas Steenbock (Steinbeis Papier GmbH)
Ein sowohl aus ökologischer als auch aus Verbraucherschutzsicht ideales Entscheidungskriterium bietet das Umweltzeichen "Blauer Engel". Dieses Label schreibt unter anderem vor, dass ein damit gekennzeichnetes Recyclingpapier zu 100% aus Altpapier hergestellt worden sein muss und dass diese Altpapiere darüber hinaus zu mindestens 65% aus sogenannten "unteren und mittleren Altpapierqualitäten" stammen müssen. Ein Beispiel für eine untere Altpapierqualität ist die sortierte Haushaltssammelware, also das Altpapier, das ursprünglich aus der Blauen Tonne aus haushaltsnaher Erfassung stammt. Die Kriterien des Blauen Engels stellen den höchsten Stand des Ressourcenschutzes dar. Darüber hinaus dürfen für die Fertigung der mit dem Blauen Engel gekennzeichneten Recyclingpapiere nur Hilfsstoffe eingesetzt werden, von denen keine Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgehen. Der Blaue Engel ist damit das strengste und wertvollste Umweltzeichen weltweit.
Andreas Steenbock (Steinbeis Papier GmbH)
Diese Frage wird immer wieder gestellt und bei einer Recherche lassen sich dazu unterschiedliche Aussagen finden. Bei der Betrachtung dieser Frage muss grundsätzlich zwischen zwei Begriffen unterschieden werden: Das durchschnittliche "Faser-Alter" und die technisch darstellbare Anzahl von "Recyclingzyklen". Fakt ist, dass Recycling nur dann funktionieren kann, wenn das Gesamtsystem eine ständige Zufuhr von Primärfasern erfährt, denn nicht alle Fasern können stofflich wiederverwertet werden. Dazu gehören der Bereich Tissue und auch technische Papiere, die ca. 19% des Papierverbrauchs ausmachen und die verwendungsbedingt aus dem bekannten Papierverwertungskreislauf ausscheiden. Auch bei der Aufbereitung von Altpapier tritt stets ein Faser- und Feinstoffverlust auf, der durch den Eintrag von Primärfasern bei der Frischfaser-Papierherstellung in den Papierkreislauf ergänzt werden muss. Daher besteht in der Praxis eine beliebige Altpapiermischung aus Fasern unbekannten und unterschiedlichen Alters. Das durchschnittliche Faser-Alter kann nur anhand von Mengenbilanzierungen errechnet werden. Für Verpackungspapiere und Karton wurde in einer Studie aus 2016 ein durchschnittliches Faser-Alter von 3,02 errechnet. Diese Berechnungen und Ergebnisse sagen jedoch nichts über die rein physikalische Zahl der maximal möglichen Recyclingzyklen aus. Um diese Frage zu beantworten, wurden an der Technischen Universität Darmstadt im Fachgebiet "Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik" Versuchsreihen mit sich wiederholenden Zerfaserungs- und Blattbildungsprozessen an einem weitgehend geschlossenen Faserkreislauf unternommen. Bei der begleitenden Untersuchung der mechanischen und optischen Faserstoffeigenschaften zeigte sich, dass über 25 Recyclingzyklen möglich waren.
Andreas Steenbock (Steinbeis Papier GmbH)
Aufgrund der Vielfältigkeit und spezifischen Rahmenbedingungen beim Vergleich digitaler Medien zu papierbasierten Druckprodukten existieren bis heute keine pauschalen, allgemeingültigen Ökobilanzierungen, die die Frage in Gänze beantworten. Trotz aller Digitalisierung ist Papier heute immer noch sehr präsent und hat seine Daseinsberechtigung. Sowohl die Papierherstellung als auch die Verwendung von digitalen Medien haben Auswirkungen auf unser Klima und unsere Ressourcen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Schreiben und Lesen auf Papier kognitive Vorteile mit sich bringt und der digitale Weg seinen ganz eigenen ökologischen Fußabdruck hat. Die IT-Industrie war 2020 zum Beispiel für 4 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Im Jahr 2025 werden es voraussichtlich bis zu 8 Prozent sein (nachzulesen im Lean-ICT-Report PDF von "The Shift Project). Die fortschreitende Digitalisierung ist wichtig und bringt für bestimmte Bereiche und Anwendungen viele Vorteile und Fortschritt mit sich. Es ist immer sinnvoll, sowohl mit Papier als auch mit den digitalen Medien bewusst umzugehen und bei dem Einsatz von Papier auf Recyclingpapier zu achten.
Andreas Steenbock (Steinbeis Papier GmbH)
Weitere Hintergrundinformationen zum Thema Altpapierrecycling
(erstellt von Nele Schauer für die LifeVERDE-Redaktion)
Um Altpapier ordentlich recyceln zu können, ist ein Aufbereitungsverfahren in mehreren Schritten nötig. Der Grundbaustein des Papierrecyclings ist aber in jedem Fall eine gewissenhafte Mülltrennung, sowohl von Privathaushalten, als auch von Großunternehmen. Was alles in die Blaue Tonne geworfen werden darf und was darin nichts zu suchen hat, weil es nur schwer oder gar nicht wiederverwertet werden kann, erfährst du weiter unten.
- Zuerst wird das Altpapier aus den Blauen Tonnen und Containern eingesammelt.
- Im Recyclingwerk angekommen wird es dann nach Papierarten sortiert. Dabei werden beispielsweise Kartons separiert, da ihre braunen Fasern nicht in Weiße umgewandelt werden können, und somit unter anderem für helles Druckpapier nicht in Frage kommen. Aus dunklen Papiersorten werden also wieder dunkle Produkte, wie Kartonagen, gewonnen und genauso verhält es sich mit hellem Altpapier. Durch dieses Vorsortieren werden Energie und Aufwand in den nächsten Schritten eingespart.
- Mit Hilfe von Sieben werden anschließend papierfremde Bestandteile wie Plastikstücke, Büroklammern oder Heftnadeln entfernt.
- Danach wird das übrig gebliebene Altpapier ordentlich zerkleinert.
- Jetzt folgt das sogenannte “Deinking-Verfahren”. Darüber wird die Druckerfarbe entfernt: Das zerkleinerte Papier wird in einer Wanne mit Wasser vermengt, um es in seine Fasern aufzulösen. Der daraus entstehende Brei wird mit Natronlauge und Tensiden mehrfach gereinigt und die dadurch herausgefilterten Farbteilchen anschließend mit dem Schaum abgetragen.
- Um helles Papier zu erhalten, wird der Faserbrei mit Sauerstoff oder Wasserstoffperoxid gebleicht. Vor allem bei hochwertigem hellen Papier ist dieser Schritt wichtig. Aus Umweltgesichtspunkt sollte darauf allerdings verzichtet werden, da bedenkliche Chemikalien ins Wasser geraten.
- Auf Bahnen wird der Brei geglättet, getrocknet und zu neuem Papier ausgerollt.
Dieser Prozess lässt sich allerdings nicht beliebig oft wiederholen. Die Fasern werden nach fünf bis sieben Recyclingvorgängen zu kurz. Das Papier wäre nicht mehr stabil genug. Daher erhalten manche Produkte aus Recyclingpapier zuätzlich neue Holzfasern.
... Und was nicht?
- Getränkekartons (gelber Sack)
- Tapeten (Restmüll)
- Kassenzettel, Fahrkarten (Restmüll)
- Plakate, geleimte Papiere, z.B. Haftnoten (Restmülle, Ausnahme: Blauer Engel Kennzeichnung)
Laut dem Umweltbundesamt sind folgende Papiersorten für das Recycling geeignet:
Zeitungen/Zeitschriften/Broschüren/Bücher
Schulmaterial aus Papier
Papiere, Kartons und Pappen aus Büros und Verwaltungen
Geschenkpapier und –Karton
Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton
Eierkartons
Schulhefte, Druckerpapier, Klopapier, Grußkarten, Zeitungen und Zeitschriften, Taschentücher und Küchentücher, Verpackungs- und Druckerpapier sowei Büroartikel können problemlos aus Recyclepapier hergestellt werden.

Aus Altpapier können viele unterschiedliche Produkte für den täglichen Gebrauch hergestellt werden (Bild: Unsplash).
Zahlen, Daten, Fakten - Altpapierrücklaufquote
Die Altpapierrücklaufquote bildet das Verhältnis zwischen dem Altpapieraufkommen und dem Papierverbrauch ab. Allein im Jahr 2018 wurden in Deutschland von den 22,6 Millionen Tonnen produzierten Papierprodukten etwa 76 Prozent aus Altpapier hergestellt. Im Jahr 2019 betrug die Altpapierrücklaufquote in Deutschland 78 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 1990 war die Altpapierrücklaufquote nur 44%, sie hat sich also im Vergleich zur heutigen Quote fast verdoppelt.
Unser Tipp beim Kauf von nachhaltigem Papier
Wenn du nachhaltiges Papier kaufen möchtest, kannst du zur Orientierung auf das Siegel Blauer Engel achten. Es zeigt dir, wenn ein Produkt aus Altpapier hergestellt wurde.

Das Siegel Blauer Engel hilft dabei, Produkte aus Altpapier leichter zu erkennen (Bild: Blauer Engel).
Was sind deine Fragen zum Thema Altpapierrecycling?
Schreib uns gerne an expertinnen@lifeverde.de, wir sichten und sammeln die Themen und geben sie dann weiter an unsere Expert*innen.
Du bist selbst Expert*in auf einem nachhaltigen Gebiet und möchtest als LifeVERDE-Expert*in Fragen zu deinem Fachthema beantworten? Wir freuen uns über eine Nachricht an expertinnen@lifeverde.de.
Kommentare
christoph canaval
25.10.2023
Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte um Antwort auf folgende Frage:
Angenommen ein Sammelunternehmen bringt einen Waggon voll durchschnittlichem Altpapier und die Firma, die das aufarbeitet zahlt dafür x.
Was würde das Sammelunternehmen für einen Waggon voll reinem Tageszeitungspapier bekommen?
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Canaval