Die zunehmende Verstädterung prägt die Baubranche bereits seit vielen Jahren. Das hat jedoch große Auswirkungen auf unsere Umwelt, da damit ein enormer Ressourcenverbrauch einhergeht. Laut dem Umweltbundesamt verbraucht die Baubranche rund 70 Prozent der abgebauten Rohstoffe in Deutschland. Die dafür notwendigen Eingriffe verursachen zudem Treibhausgase wie CO2. Wichtig ist es demnach, nachhaltige Alternativen zu finden, um den ökologischen Fußabdruck der Branche zu reduzieren.
Die Hessler Kalkwerke haben es sich zur Aufgabe gemacht, genau das umzusetzen. Anstelle von herkömmlichen Baustoffen verwenden sie Produkte, die langlebig und nachhaltig hergestellt werden und versuchen, wertvolle Lebensräume zu erhalten. In diesem Interview erfährst du vom Geschäftsführer Florian Gramespacher, woher die verwendeten Rohstoffe stammen, wie langlebig die nachhaltigen Produkte sind und welche Entwicklung er sich für die Baubranche wünscht.
LifeVERDE: Lieber Florian Gramespacher, als Baustoffproduzent habt ihr euch bei den Hessler Kalkwerken den Naturbaustoffen verschrieben. Wie seid ihr dazu gekommen?
Florian Gramespacher: In unserem Unternehmen stellen wir seit den Siebziger Jahren Baustoffe her. Bereits zu dieser Zeit hatten wir einen reinen Kalkputz im Sortiment. Mit der Zeit – mittlerweile seit über 30 Jahren – haben wir die Produktpalette dahin erweitert und Oberputze sowie Kalkfarben entwickelt.
Auf diese Weise ist das Hessler-Naturkalk-System entstanden.
Der Kalkfilzputz wird mit Erdpigment eingefärbt (Bild: Hessler Kalkwerke).
Welche Naturbaustoffe produziert ihr und woher stammen die Rohstoffe dafür?
Wir stellen reine, d.h. zementfreie Kalkputze und Farben her. Das Sortiment umfasst verschiedene Grundputze, Dämmputze, Haftputze, Oberputze und Kalkfarben. Alle unsere Produkte kommen darüber hinaus ohne den Einsatz von Gips, synthetischen Bindemitteln oder Konservierungsstoffen aus. Seit 2019 produzieren wir unsere Produkte ohne das Weißpigment Titandioxid.
Ein Großteil der eingesetzten Rohstoffe stammt aus unserer eigenen Produktion. Hierzu zählen neben unserem Kalk – einem NHL 2 – auch der Sand sowie das Kalksteinmehl, welches wir in unseren Produkten einsetzen. Darüber hinaus achten wir schon immer darauf, dass diejenigen Rohstoffe, die wir nicht selbst herstellen, auf möglichst kurzen Transportwegen zu uns kommen.
Welche Maßnahmen betreibt ihr zum Erhalt des natürlichen Lebensraums, den euer Steinbruch umfasst?
Neben der Rekultivierung von Flächen innerhalb unseres Steinbruches schaffen wir Biotope zum Erhalt der Tier- und Pflanzenwelt. Hierzu zählen beispielsweise Kleingewässer, jedoch auch Magerrasenflächen und Streuobstwiesen. Beides sind heutzutage seltene, jedoch enorm wichtige Naturräume und Rückzugsorte.
Naturstoffe werden schon seit Jahrhunderten im Bauwesen verwendet. Weshalb sind sie auch der Baustoff der Zukunft?
Die Produktion von Naturbaustoffen verursacht deutlich geringere Emissionen, da bereits der Energieeinsatz deutlich geringer ist. Sie sind häufig reversibel oder können unter deutlich geringerem Aufwand wieder recycelt bzw. wiederverwendet werden, als moderne Baustoffe. Ressourcen sind endlich, somit ist es enorm wichtig, vernünftig damit umzugehen. Hinzukommt, dass Naturbaustoffe ohne Einsatz von Schadstoffen auskommen. Im Gegensatz zu anderen Baustoffen wird Kalk bei deutlich niedrigeren Temperaturen gebrannt. Das hat einen niedrigeren Brennstoffeinsatz zur Folge. Bei der Herstellung von natürlich hydraulischem Kalk, wie Hessler ihn herstellt, werden darüber hinaus keine Abfallstoffe als Brennstoff eingesetzt.
Nicht jedes Gebäude wird für die Ewigkeit gebaut, jedoch sollte die Lebensdauer aus Gründen der Nachhaltigkeit möglichst hoch sein. Wie steht es um die Langlebigkeit eurer ökologischen Baustoffe?
Kalkbaustoffe – wie auch wir sie herstellen – können Jahrhunderte, sogar Jahrtausende überdauern. Noch heute findet man an historischen Gebäuden den Originalmörtel.
Bei Ausgrabungen hat man bereits mehrfach den ursprünglich verwendeten Kalkmörtel entdeckt. Dieser war damit rund 2000 Jahre alt – und intakt. Ich denke, das spricht für sich.
Die Baustoffe von Hessler Kalkwerke in voller Ausführung (Bild: Hessler Kalkwerke).
Schadstoffe aus Baumaterialien können potenziell die Raumluft belasten, was gesundheitlich negative Konsequenzen haben kann. Welche Eigenschaften für Gesundheit und Wohlbefinden haben eure Baustoffe?
Moderne Baumaterialien können Schadstoffe ausdünsten, welche Allergien und Krankheiten auslösen können, da diese möglicherweise Zusatzstoffe enthalten, die gesundheitlich bedenklich sind.
Unsere Mörtelrezepturen basieren auf traditionellen Rezepturen, die geringfügig an moderne Anforderungen angepasst wurden. Unsere Produkte enthalten damit keinerlei Stoffe, die ausdünsten können oder gesundheitsgefährdend sind. Das lassen wir uns auch durch regelmäßige Tests bestätigen. Unsere Produkte werden darüber hinaus auch auf Humanverträglichkeit geprüft.
Die Kalkputze aus dem Hessler-Naturkalk-System wirken durch ihre hohe Alkalität auf natürliche Weise einer Schimmelbildung entgegen. Reine Kalkmörtel sind hoch dampfdiffusionsoffen, sodass Wände „atmen“ können und sind aufgrund ihrer hohen Porosität in der Lage, große Feuchtigkeitsmengen aufzunehmen und regulieren so das Raumklima. Sie wirken damit wie eine stromlose Klimaanlage. Kalkputze sind darüber hinaus in der Lage, Schadstoffe aufzunehmen und abzubauen. Die Raumluft wird dadurch gereinigt.
Aus diesen Gründen sind Hessler-Kalkputze auch für Allergiker geeignet und erfüllen damit höchste bauökologische Anforderungen.
Mit Kalkputz versehene Wände wirken gegenüber anderen Baustoffen nicht so kühl, was auf die etwas höhere Oberflächentemperatur zurückzuführen ist.
An der gesamten Bausubstanz machen Putze zwar nur einen geringen Teil aus. Jedoch sind es gerade die obersten Zentimeter oder gar Millimeter, die unser Wohlbefinden bestimmen. Wir nehmen sie wahr, fühlen ihre Oberfläche und atmen die Raumluft ein, die Kalkputze für uns reinigen. Außerdem sorgen natürliche Baustoffe für ein Wohlbefinden, welches viele heute verwendete Putze oder Baustoffe nicht mehr bieten.
Da das Licht durch die kristalline Struktur von Kalk auf eine bestimmte Weise reflektiert wird, besitzen Kalkputze oder mit Kalkfarbe versehene Flächen eine besondere Ausstrahlung und Behaglichkeit.
Für die nachhaltige Entwicklung ist nachhaltiges Bauen ein wichtiger Aspekt, wenn man bedenkt, dass der Bausektor viele Ressourcen verbraucht und Emissionen erzeugt. Wie tragt ihr dazu bei, dass das Bauen nachhaltiger wird?
Innerhalb unseres Brennprozesses haben wir einen Teil des fossilen Brennstoffes durch nachwachsende Brennstoffe ersetzt. Es wird zudem streng darauf geachtet, dass die Transportwege aller Materialien so kurz wie möglich gehalten werden. Wir halten wenig davon, Produkte aus reinen Preisgründen oder Profitgier von Weither und unter fragwürdigen Produktionsbedingungen zu beziehen. Heutzutage ist der Klimawandel und Nachhaltigkeit in aller Munde. Unserer Auffassung wird der Nachhaltigkeit so nicht Rechnung getragen.
Vielmehr hat ein solches Vorgehen zur Folge, dass die gesamte Welt als Marktplatz genutzt wird und Güter weltweit und damit unter hohen Emissionswerten und teilweise schlechten Arbeitsbedingungen beschafft werden.
Zu guter Letzt gibt es im Gegensatz zu den derzeit verbreiteten Baustoffen mit Hessler Naturkalkputzen keinen als Sondermüll zu entsorgenden Bauschutt.
Welche Entwicklungen in der Baubranche wünscht ihr euch für die Zukunft?
Für die Zukunft wünschen wir uns, dass sich in der Industrie generell wieder Ehrlichkeit und eine tatsächliche Bekennung zum nachhaltigen Bauen sowie zum Schutz der Umwelt einstellt. Ganz ohne Greenwashing und Täuschung der Bevölkerung.
Denn letztendlich bauen Menschen mit Baustoffen nicht nur ein Haus, sondern ein Zuhause.
Vielen Dank für das Interview, Florian!
Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Hessler Kalkwerke stellen möchtest?
Dann schreib sie in die Kommentare – wir freuen uns auf den Austausch mit dir!
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