Gesellschaft

Wie wurde Nachhaltigkeit zum Trend?

Nachhaltig leben, nachhaltig essen, nachhaltig einkaufen – seit Jahren ist ein nachhaltiges Leben für viele Menschen zur Lebenslinie geworden. Doch wie begann der Trend und wer verfolgt den nachhaltigen Lebensstil? Wir haben nachgeforscht.

Nachhaltig leben, nachhaltig essen, nachhaltig einkaufen – seit Jahren ist ein nachhaltiges Leben für viele Menschen zur Lebenslinie geworden. Doch wie begann der Trend und wer verfolgt den nachhaltigen Lebensstil? Wir haben nachgeforscht.

31.01.2019 - Autor: Eva Burghardt - Bilder: Pixabay

Sie strahlt von Werbeplakaten auf uns herunter, verfolgt uns beim Einkaufen und bestimmt das Leben vieler Menschen: Nachhaltigkeit. Ein Begriff, dem eine konkrete Definition fehlt, diese aber auch nicht braucht. Die Vielseitigkeit eines nachhaltigen Lebens wird auch ohne ausformulierte These deutlich. Wir können nachhaltig einkaufen, indem wir uns auf regionale Produkte beschränken, Plastikverpackungen vermeiden und auf fair produzierte Produkte setzen. Wir können nachhaltig essen, indem wir den Fleischkonsum reduzieren, unser Gemüse selbst anpflanzen und dem Mindesthaltbarkeitsdatum weniger Endgültig zuschreiben. Wir leben nachhaltig, indem wir weniger Auto fahren, die Dinge reparieren, statt sie wegzuwerfen aber auch, indem wir aufeinander abgeben und uns füreinander einsetzen. All das sollte selbstverständlich sein, fällt aber seit einiger Zeit als eine Art Trend unter das Label der Nachhaltigkeit. Wie begann dieser lebenswerte Trend, der hoffentlich die vergänglichen Eigenschaften anderer “trendiger” Lebensstile auslässt und sich dauerhaft etabliert? Die Antworten hierauf liegen nicht in Büchern oder Zeitschriftenartikeln, sondern bei den Menschen selbst. Wir haben eine Umfrage gestartet, mit verschiedenen Altersgruppen und Berufsständen gesprochen, um den Ursprung und die Wurzel des Trends der Nachhaltigkeit verstehen zu können.

Was früher selbstverständlich war…

Für die Nachkriegsgenerationen war ein nachhaltiges Leben kein Begriff, der von Zeitschriftencovern herunterstrahlte. Nachhaltig zu leben war eine Selbstverständlichkeit und wurde nicht infrage gestellt.   “Bei uns wurde alles benutzt, solange es ging. Neues wurde nur gekauft, wenn es nötig war. Wenn der Sesselbezug mal ein Loch hatte, haben wir es gestopft oder den Sessel neu bezogen”, erzählt ein 64-Jähriger. Doch nicht nur das Elternhaus habe eine Rolle gespielt: Auch die in den 1970er Jahren aufkommende Sensibilisierung für Ökologie, der Eine-Welt-Handel oder das Engagement in der Jugendarbeit habe sie für ein “nachhaltiges Leben” sensibilisiert. “Damals war der Begriff der Nachhaltigkeit noch kaum in Gebrauch”, erzählt der dreifache Familienvater.

Auch die Aufklärung über die Folgen des Klimawandels brachte dieser Generation wieder neue Aufmerksamkeit für das Thema Nachhaltigkeit und förderte ein bewusstes Leben. “Nachhaltigkeit hat für uns mit Verantwortung zu tun, gegenüber den Ressourcen und künftigen Generationen und führt so zu einem bewussten und auch bescheidenen Lebensstil” erklärt er abschließend.

Hier wird deutlich, dass Nachhaltigkeit in keinster Weise als ein “neues Phänomen” gesehen werden sollte, sondern früher selbstverständlich war. Damals brauchte es keine Ratgeber, Magazine oder Youtube-Videos, um zu lernen, wie man nachhaltig lebt. Viel mehr war ein nachhaltiges und bewusstes Leben Teil des Alltags und kein Trendphänomen.

Wie wir mit dem Planeten umgehen..

Wer sich gerade in seinen Dreißigern tummelt, hat die Kehrtwerde und Bewusstwerdung für ein nachhaltiges Leben wahrscheinlich schrittweise mitverfolgen können. Berichte über die Skandale im Lebensmittelbereich haben einen 36-Jährigen Unternehmer wachgerüttelt: “Irgendwann waren die Bilder aus den Mastbetrieben einfach zu präsent und ich wollte das nicht länger unterstützen”.  Das habe dafür gesorgt, dass es nun genau nachsieht, wo das Fleisch herkommt, was er konsumiert. Doch nicht nur seinen Fleischkonsum hat der Familienvater überdacht: Den Anstoß zu einem nachhaltigen Leben lieferte außerdem die zunehmende Berichterstattung über die Produktionsbedingungen vieler Lebensmittel. “Wenn man mehr in die Thematik eintaucht, beschäftigt man sich natürlich auch mit dem eigenen schwachsinnigen Einkaufsverhalten und erkennt, wie schwer der ökologische Fußabdruck sein kann, wenn man zu jeder Jahreszeit alles verfügbar haben möchte”, erklärt er. Durch die Beschäftigung mit dem Thema wurde für ihn schnell klar, dass man in fast allen Lebensbereichen nachhaltig leben kann. So fährt er lieber mit dem Fahrrad, als mit dem Auto, kauft saisonal und bildet sich auch in seiner Freizeit weiter. Er findet die Aufklärung besonders wichtig: “Wenn jeder sich selbst mehr informieren und Interesse zeigen würde, dann wäre das schon ein entscheidender Schritt.”

So ähnlich sieht das auch ein 34-Jähriger, der selbstständig arbeitet. Er ist in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen und hat dadurch von Beginn an gelernt die Dinge zu reparieren, statt sie wegzuwerfen. So nimmt er vieles selbst in die Hand: “Alles, was ich selbst bauen kann, mache ich auch selbst,pflanze Gemüse und Kräuter im Garten an”. Ihn hat vor allem schockiert zu sehen, wie mit den Waren umgegangen wird. Die Wegwerfgesellschaft und der Umgang mit dem Planeten und seinen Lebewesen habe ihn aufgeschreckt. “Nichts hat für die Maße einen Wert”, findet er. Für ihn bedeutet Nachhaltigkeit also auch die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen und “bewusst” zu leben. “Das sollte eigentlich jeder wissen, auch wenn es gerne ignoriert wird”.

Gurken in Plastikfolie

Wie umfassend die Definition von Nachhaltigkeit sein kann, wird vor allem  im Gespräch mit Studenten deutlich. So erklärt ein Student der Politikwissenschaft, dass er sich in den letzten Jahren immer mehr Gedanken über den verschwenderischen Umgang mit Ressourcen in der Gesellschaft und die Auswirkungen seines Konsums über für die Natur und die Lebensbedingungen von Menschen in ärmeren Ländern gemacht habe. Besonders geprägt hat ihn eine Doku über Plastikmüll in den Weltmeeren, wo ein toter Wal gezeigt wurde, der tonnenweise Plastikmüll im Magen hatte. “Die Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik aller Art hat mich besonders wachgerüttelt”, erklärt er. Dadurch sei er vor allem beim Gang durch den Supermarkt regelmäßig schockiert gewesen. “Da wird so viel Plastikmüll unnötig produziert oder brauchen wir wirklich Gurken oder geschnittene Zwiebeln in einer Plastikverpackung?”. Seitdem versucht der 28-Jährige vor allem auf unnötige Plastikverpackung zu verzichten, so wenig Auto wie möglich zu fahren und Kleidung so lange zu tragen, wie es möglich ist.

Eine Geschichtsstudentin schildert ähnliche Erkenntnisse: “Irgendwann kam mir die Massentierhaltung für unseren Fleischkonsum einfach nur noch pervers vor. Wir halten hunderte Lebewesen unter widrigsten Bedingungen auf engstem Raum, um sie dann bestialisch zu ermorden”, schildert die 27-Jährige empört. Sie habe mit 18 Jahren begonnen vegetarisch zu leben und sich vor allem durch die zunehmende Aufklärung und den Austausch mit Anderen für ein nachhaltiges Leben entschieden. “Je mehr man weiß, desto mehr kann man nach Alternativen suchen”. Ihr mache ein nachhaltiges Leben auch großen Spaß, erklärt sie “Ob ich nun auf Kleidertauschparties neue Leute kennen lerne oder neue vegetarische Gerichte ausprobiere – Nachhaltigkeit hat nichts mit Ökofutzies zu tun”.

Information ist alles

Wie begann er also nun, der Trend zur Nachhaltigkeit? Der “Trend” in seiner extremen Form ist wohl vor allem durch die zunehmende Aufklärung im Zuge der Digitalisierung entstanden. Das zeigen vor allem die Aussagen der Befragten zwischen zwanzig und vierzig. Sei es eine Doku, ein Online-Magazin oder der Austausch mit Kollegen und Kommilitonen – die Informationsflut sorgt für Sensibilität. Sicher spielt hier auch das Marketing eine wichtige Rolle. Nachhaltigkeit zum Trend zu erheben und sie somit auch die Werbung zu nutzen, hat nachhaltige Produkte attraktiver gemacht. Doch am Ende waren es nicht die auffälligen Werbetexte oder grün gestalteten Websites, die die Befragten zum Umdenken bewegt haben. Vielmehr lässt sich sagen, dass der Trend zur Nachhaltigkeit eine Wiederbewusstwerdung alter Werte darstellt. Was früher selbstverständlich war, wird heute wieder interessant. So kann neben der eigenen Recherche durch Berichte und Interviews auch der Austausch mit früheren Generationen hilfreich sein, um Nachhaltigkeit zu verstehen und sich Tipps zur Umsetzung zu holen.

Eine Erkenntnis bleibt nach dem Austausch mit den Befragten: Informationen sind das Samenkorn für ein nachhaltiges Leben. Sei es der Familienvater, der seinen Kindern zeigte, wie man nachhaltig lebt oder die Dinge selber baut oder die Doku über die Massentierhaltung, die den Unternehmer für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisierte. Jeder Gedanke, der durch solch einen Austausch ausgelöst wird und die Menschen umdenken lässt, ist ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen Leben. Der Trend geht hier zur Weitergabe von Informationen und ist letztendlich so viel mehr als ein “Label” eines Produktes oder Unternehmens.

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Kommentare
Gerhard Schreiber
15.03.2019
Ein sehr schöner Artikel, der Hoffnung macht und wert ist weiterverbreitet zu werden und damit den Trend weiter verstärkt.

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