Gesellschaft

Erstes klimaneutrale Hotel Schleswig-Holsteins

Familie Janbeck betreibt am fast nördlichsten Teil von Deutschland das erste klimaneutrale Hotel in Schleswig-Holstein, das FAIRhaus. Das Hotel hat eine eigene Verrottungsanlage, die Toiletten werden mit selbst aufbereitetem Wasser beschickt und sie erzeugen ihren Strom selbst, mit Blockheizkraftwerken.

Familie Janbeck betreibt am fast nördlichsten Teil von Deutschland das erste klimaneutrale Hotel in Schleswig-Holstein, das FAIRhaus. Das Hotel hat eine eigene Verrottungsanlage, die Toiletten werden mit selbst aufbereitetem Wasser beschickt und sie erzeugen ihren Strom selbst, mit Blockheizkraftwerken.

21.02.2017 - Bild oben © Anika Raube Fotografie, Bilder unten © FAIRhaus

LifeVERDE: Frau Janbeck, Sie betreiben mit "Janbeck's FAIRhaus" das erste klimaneutrale Hotel Schleswig-Holsteins.
Wo liegt Ihr grünes Hotel und wie entsteht der neutrale CO2-Fußabdruck?

Uta Janbeck: Wenn man auf die Landkarte schaut, sind wir fast am nördlichsten Teil von Deutschland, kurz vor Dänemark. Nach Flensburg sind es 30 Kilometer und zur Ostsee/Geltinger Bucht 1,2 Kilometer. Es ist eine wunderschöne, leicht hügelige Landschaft mit vielen Knicks. Man nennt die Region Angeln. Unser geschichtsträchtiger Hof auf dem sich die Pension befindet sollte wieder mit neuem Leben erfüllt werden. Da lag es nahe, das gleich nachhaltig anzupacken. Also haben wir, mein Mann und ich, unsere Ideen vom Wasser sparen, Energie selber erzeugen und Entsorgung selber zu gestalten mit einander verknüpft. Wir haben eine Verrottungsanlage, beschicken die Toiletten nur mit aufbereitetem Wasser, erzeugen viel mehr Strom mit Blockheizkraftwerken und Sonne als wir für den Betrieb brauchen usw. Immer wieder sind über die Jahre kleine Bausteine dazu gekommen. Durch kurze Lieferwege bei den Produkten, die wir im Cafébetrieb verwenden waren wir schon gut mit unserer gefühlten Klimabilanz. Wir wollten es aber genau wissen und haben es ausrechnen lassen. Dafür muss man Rechnungen beibringen und darlegen wo eingekauft wird, wie viel Strom bezogen wurde, wie die Gebäude gedämmt sind, wie viel Reinigungsmittel benutzt wurden usw. Die Liste ist sehr lang und soll möglichst den ganzen Betrieb durchleuchten. Positiv wirkt sich dann umweltfreundliches Verhalten aus. Nur bei den Anfahrten unserer Mitarbeiter waren wir nicht so gut. Also haben wir das positiv beeinflusst in dem wir ein kleines elektrisches Mitarbeiterauto angeschafft haben. Und natürlich würde das alles nicht funktionieren, wenn die Gäste nicht mit helfen würden: bei der Mülltrennung, der Heizungsteuerung oder den saisonalen Leckereien im Café.
Zu guter Letzt bleibt ein Rest an CO2. Wir haben das in einem Projekt in Äthiopien kompensiert damit der Betrieb und jede Übernachtung gleich klimaneutral ist. Wir sehen das dort als Investition. Hier vor Ort machen wir auf unserem eigenen Gelände auch ökologische Maßnahmen, für die wir aber keine Zertifikate bekommen können. Jetzt sind wir von CO2OL als klimaneutrales Hotel zertifiziert.

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Was ist an Ihrem Konzept fair, können Sie ein paar Umsetzungs-Beispiele geben?

Natürlich haben wir fair gehandelten Kaffee, Zucker oder Bettwäsche. Uns reicht das aber nicht. Wir definieren FAIR: fröhlich und fair gehandelte Produkte, wir arbeiten ambitioniert und anders, sind interessiert an und inspirieren unsere Umwelt, Ressourcenschonendes Wirtschaften und Regionalität bei Produkten und Rezepten stehen bei uns obenan. Wir tragen traditionelle Rezepte oder Bauweisen weiter. (Un)kräuter werden bei uns nicht weg gespritzt sondern zu Leckereien umgewandelt: so gibt es ein Gierschpesto, wilde Kräutersoßen, Löwenzahngelee oder Brennesselaufstrich. Das servieren wir zum Frühstück und haben schon die ersten netten Gespräche mit unseren Gästen. Kleine Kontakte haben wir in die Fenster einbauen lassen, die den Heizkreislauf unterbrechen wenn ein Fenster geöffnet wird. Mitarbeiter beschäftigen wir rund ums Jahr, lassen sie mitgestalten und beziehen sie in die betrieblichen Überlegungen mit ein. Wir sind Ausbildungsbetrieb in der Hauswirtschaft und versuchen diesen Beruf am Leben zu erhalten. Wir möchten mit unserem Betrieb und den Gästen die Umwelt nicht mehr stören oder schädigen wie nötig, am Besten gar nicht.

Sie setzen auf den grünen Lebensstil Ökosign – was verbirgt sich dahinter?

Wir verwenden Produkte aus der Region auch bei der Auswahl der verwendeten Baustoffe. Uns ist es auch hier ein Anliegen traditionelle Bauweisen anzuwenden etwa die Kriech- und Deckerschalung aus heimischer Lärche an den Wänden unserer Gebäude. Die Lärche kommt sogar aus einem nahegelegenen Sägewerk. Am Haupthaus haben wir von einem benachbarten Tischler Fenster im alten Stil wieder bauen lassen. Das sieht nicht nur schön aus sondern hat Tradition und wir können eine Geschichte dazu erzählen. Über die gewählte Farbe, oder das Kreuz das man als Symbol im Fenster erkennt. Für uns bedeutet Ökosign die Verbindung zwischen Altem und Neuem. Wir haben alte Gebäude mit einer langen Geschichte, aber wir wollten auch kein Museum daraus machen. Neue Errungenschaften sind uns wichtig und umsetzenswert, wenn sie Sinn machen und für uns bezahlbar sind - So haben wir auch viel Technik eingebaut, die uns hilft Ressourcen zu sparen und den CO2 Ausstoß für den Betrieb niedrig zu halten.

Vor dem Hof steht sogar eine Elektrotankstelle, wird diese bereits genutzt?

Oh ja, natürlich. Seit 2010 haben wir schon gleich eine installiert. Zu dem Zeitpunkt hatten wir selber noch gar kein Elektroauto. Das kam erst 2014. Jetzt fahren wir seit bald 3 Jahren nur noch elektrisch. Wir sind so infiziert, dass wir noch zwei kleine gebrauchte E-Autos gekauft haben. Eins fährt unsere Mitarbeiterin und eins können sich Gäste ausleihen, um unsere schöne Gegend zu erkunden. Die Ladeinfrastruktur haben wir ständig verbessert und freuen uns seit letzten Jahr auch Tesla Charging Partner zu sein. In 2016 hatten wir schon eine Menge Gäste mit Elektroautos zu Gast. Wir haben mal nachgerechnet und es waren  8% unserer Gäste, die mit einem Elektroauto angereist sind. Wir sind infiziert und das spricht sich herum. Wir selber sind gerne elektrisch unterwegs, fahren Rallyes mit und machen so mit unserem Auto Reklame. Zu dem organisieren wir gerne kleine private Treffen um Menschen mit Elektrofahrern zusammen zu bringen.

Wann begann das Projekt FAIRhaus und welche Motivation treibt Sie an?

Das Projekt FAIRhaus ist Stück für Stück gewachsen. Gegründet haben mein Mann und ich die Pension 2006 als Janbeck*s - Café, Pension & mehr. Wir hatten 2002 den alten Hof an der Ostsee gekauft und angefangen zu sanieren. Eine kleine Frühstückspension war die Idee. Dabei wollten wir so ressourcenschonend wie möglich arbeiten. Uns war damals klar – und dabei brauchte man kein Hellseher sein - dass die Energie und Entsorgungskosten bei so einem Betrieb einen enormen Faktor ausmachen und sich wahrscheinlich in Zukunft nur nach oben bewegen. Schon damals hatten wir also unser nachhaltiges Konzept im Kopf und als Vorlage. Ich weiß noch wie mich Menschen, denen ich davon erzählt habe fragend angeschaut haben weil niemand so recht mit dem Begriff etwas anfangen konnte. Je länger wir im Betrieb waren umso nachhaltiger wurde er. Jedes Jahr kam ein neuer Baustein dazu. Deswegen haben wir den Namen in 2014 geändert - verbessert - um nach draußen zu dokumentieren, dass es bei uns anders zugeht. Wir bieten keine „normalen“ Ferienwohnungen. Da ist auch eine besondere Philosophie, die wir mitgeben. Aber wir sind ganz bewusst kein Biohotel weil die Regionalität bei uns an erster Stelle steht.Wir möchten die Region fördern und unseren Gästen schmackhaft machen… nicht nur auf dem Frühstücksteller. Dazu möchten wir die umliegenden kleinen (guten) Produzenten mit einbeziehen. Und das alles mit dem Anspruch die Umwelt rund um uns herum so wenig wie möglich zu belasten.

Worauf legen Ihre Gäste besonderen Wert? Welche grünen Aspekte kommen besonders gut an?

Als erstes auf die familiäre Atmosphäre. Schön finden unsere Gästen den Service den wir bieten: Da ist der gedeckte Frühstückstisch mit den vielen kleinen Gläschen und die besonders schmackhaften Leckereien, die wir zaubern. Angefangen vom selbstgebackene Landbrot bis zu den ungewöhnlichen Aufstrichen. Regional und saisonal, gerne auch vegan. Statt das (Un)kraut weg zu spritzen „bekämpfen“ wir es freundlich indem wir es verarbeiten: Gierschpaste, Löwenzahngelee, Brennesselaufstrich sind einige Beispiele. Das verändert nicht nur unsere Wahrnehmung. Die Gäste finden das spannend. Natürlich auch, dass wir immer erzählen können was drin ist. Auch, das wir aufbereitetes Wasser in der Toilettenspülung benutzen, die Energie selber erzeugen oder die Elektroautos fahren finden sie interessant. Und die Konsequenz mit der wir Nachhaltigkeit leben. Eigentlich gibt es immer tolle Gespräche und wir beantworten gerne alles ... und wir lassen uns auch gerne selber inspirieren von Ideen die unsere Gäste noch haben. So kann man schon fast von einer kleinen Community sprechen, die sich gegenseitig grüne Tipps gibt.

Erkennen Sie generell einen Aufwärtstrend beim Thema nachhaltiger Tourismus, sodass deutlich mehr Menschen Wert auf Nachhaltigkeit bei der Urlaubsgestaltung legen?

Der Trend ist zumindest da. Es ist nur noch etwas schwierig als so kleiner Betrieb an der richtigen Stelle gefunden zu werden. Große Portale, auf die die meisten Touristiker und Berater setzen, passen da nicht und sind in puncto Nachhaltigkeit auch von den Gästen schnell durchschaut. Ich habe seit ein paar Jahren Gäste, die ihren CO2-Bilanz für den Urlaub ausrechnen, die bei mir auf der Terrasse nachforschen woher der Kaffee etc. nun wirklich kommt. Das ist sicher noch die Ausnahme, aber ein Umdenken bei den Menschen ist allgemein spürbar. Man möchte wissen, wohin man kommt.

Ist eine Übernachtung in Ihrem FAIRhaus teurer, sozusagen mit einem Nachhaltigkeitsaufschlag? Oder können Sie bei der Preisgestaltung sogar mit vergleichbaren herkömmlichen Angeboten mithalten?

Wir sind sicher nicht billig, aber Preis-Wert, wie das Wort schon sagt. Wir haben keinen Aufschlag für unser nachhaltiges Konzept und sind preislich glaube ich ganz gut platziert. Wir haben in Janbeck*s FAIRhaus ganz unterschiedliche Quartiere, auch in der Ausstattung. Da ist eigentlich für jeden Geldbeutel etwas dabei.

Welches Feedback und welche Anerkennung erfährt Ihr Konzept?

Da ist zunächst einmal die tolle Resonanz unserer Gäste. Ohne die würde es uns ja nicht geben. Irgendwie ist es schon so eine Art Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Es ist Austausch und Netzwerken. Dann haben wir im Moment das Glück in Schleswig Holstein ein gutes Vorbild für Nachhaltigkeit im Tourismus zu sein. Dazu gibt es noch die Fachleute aus der Hauswirtschaft oder die Elektromobilisten. Genauso vielfältig wie unser Konzept ist auch die Motivation, die wir durch unterschiedlichste Kreise bekommen.

Dann haben wir das erste Mal einen Preis bekommen, den FAIRWÄRTS Preis. Das ist eine Auszeichnung für Ideen im nachhaltigen Tourismus. Der erste Preis ist an ein Projekt in Indien, der zweite an uns und der dritte an die TO Nördlicher Schwarzwald gegangen.

Wird sich das FAIRhaus weiterentwickeln?

Aber sicher! Wir haben noch ganz viele Ideen. Wir entwickeln uns jeden Tag weiter. Nachhaltigkeit ist für uns so eine Art Sport geworden. Wenn wir irgendetwas sehen, was passen könnte schauen wir, ob wir es auf dem Betrieb umsetzen können. Natürlich muss es Sinn machen und für uns finanzierbar sein, wenn es um Investitionen geht. Ich nehme gerne das Beispiel von einem Puzzle an dem wir arbeiten und nicht wissen, wie es am Ende (und damit meine ich unseres) aussehen wird. Aber bis dahin wollen wir noch fleißig weiter puzzeln.

Vielen Dank!



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