LifeVERDE-Expertin für Bürger-Energiegenossenschaften: Majbrit Fromme (Prokon eG) I Bild: Unsplash
Viele Menschen entscheiden sich derzeit dafür, ihre Stromversorgung über Anbieter Erneuerbarer Energien zu beziehen oder haben selbst eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Eine weitere Option ist die Mitgliedschaft in einer Bürger-Energiegenossenschaft. Schon davon gehört? Was ist das und was macht eine Bürger-Energiegenossenschaft? Welche Rechte und Verpflichtungen habe ich als Mitglied?
Solche und ähnliche Fragen zum Thema Bürger-Energiegenossenschaft stellen sich hunderte Menschen täglich – ein klarer Fall für unser Informations-Format “Frag die Expert*innen!”. Wir geben eure ausgewählten Fragen rund um nachhaltige Produkte und Themen direkt an unsere Partner*innen weiter, die selbst Hersteller*innen, Produzent*innen, Dienstleister*innen, Wissenschaftler*innen oder aus einem anderen Grund Expert*innen auf dem jeweiligen Gebiet sind.
1. Was ist eine Bürger-Energiegenossenschaft?
2. Wie arbeitet eine Energiegenossenschaft?
3. Warum sind Energiegenossenschaften sinnvoll?
4. Was sind die Ziele einer Energiegenossenschaft?
5. Wer kann Mitglied einer Energiegenossenschaft werden?
6. Welche Verpflichtungen haben Mitglieder einer Bürger-Energiegenossenschaft?
7. Welche Vorteile haben Mitglieder einer Energiegenossenschaft?
8. Sind die Genossenschaftsbeiträge für alle Mitglieder gleich?
9. Wie sind Energiegenossenschaft und ihre Mitgliederstruktur aufgebaut?
10.Wie machen Energiegenossenschaften Gewinn?
11. Wer baut die Solarparks, Windparks etc. für die Energiegenossenschaft?
12. Wie viele Energiegenossenschaften gibt es in Deutschland?
13. Wer kontrolliert die Arbeit einer Genossenschaft?
14. Was passiert mit dem produzierten Strom einer Energiegenossenschaft?
15. Arbeitet jede Bürger-Energiegenossenschaft mit erneuerbaren Energien?
In einer Genossenschaft schließen sich interessierte Bürger*innen zu einem Unternehmen zusammen, um einen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen für ein gemeinsames Ziel zu schaffen. Dieses Ziel lautet in der Regel, durch gemeinschaftliches Wirtschaften einen wirtschaftlichen Vorteil für alle Mitglieder zu erreichen. Bei einer Energiegenossenschaft liegt der Zweck meist entweder in der Energieerzeugung oder im Handel von Energie. Es gibt über 800 Energiegenossenschaften in Deutschland, darunter sowohl kleine als auch große. Im Durchschnitt hat jede Energiegenossenschaft um die 300 Mitglieder. Die Prokon eG ist mit fast 40.000 Mitgliedern die größte Energiegenossenschaft in Deutschland.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Im operativen Management unterscheidet sich eine Energiegenossenschaft kaum von anderen Unternehmensformen. Auf erneuerbare Energien ausgerichtete Energiegenossenschaften verfolgen neben dem ökonomischen Ziel jedoch meist auch ein gesellschaftliches Ziel und fühlen sich neben ihren Mitgliedern oft auch dem Gemeinwohl verpflichtet.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Energiegenossenschaften lassen als wirtschaftliche Gemeinschaft Ziele erreichen, die man als Einzelperson mit begrenztem Budget nicht erreichen kann. Aber gemeinsam ist man stärker. Sie bieten somit in Bezug auf die Energiewende jedem interessierten Menschen eine Möglichkeit, sich zu beteiligen und am Erfolg zu partizipieren. So bekommt die Energiewende auch mehr Rückhalt in der Bevölkerung.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Das ist letztendlich vom konkreten Satzungszweck abhängig. Manche Energiegenossenschaften werden gegründet, um deren Mitglieder als Einkaufsgemeinschaft günstiger mit Energie zu versorgen. Die meisten werden jedoch ins Leben gerufen, um größere Energieprojekte wie bspw. den Bau von Solar-Anlagen oder Windparks zu realisieren und damit den Ausbau von CO2-freier Energieerzeugung voranzubringen.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Jede*r Bürger*in kann Mitglied einer Energiegenossenschaft werden. Oft gibt es eine Mindestzahl von Geschäftsanteilen, die man beim Einstieg erwerben muss. Im Durchschnitt aller Energiegenossenschaften liegt die Mindestbeteiligung bei 560 Euro. Bei Prokon kann man bereits ab einem Anteil im Wert von 50 Euro Mitglied werden.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Eine Genossenschaftsmitgliedschaft ist eine Unternehmensbeteiligung. Somit haftet das Mitglied grundsätzlich mit seiner Einlage. Eine sogenannte Nachschusspflicht ist aber in der Regel ausgeschlossen. Weitere Verpflichtungen sind in den jeweiligen Genossenschaftssatzungen geregelt. Im Kern geht es dabei um die Wahrung der Interessen der Genossenschaft und die Mitbestimmung bei Beschlüssen der Generalversammlung.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Dies ist auch von Genossenschaft zu Genossenschaft unterschiedlich und in den jeweiligen Satzungen geregelt. Einige Genossenschaften bieten (nur) ihren Mitgliedern besondere Vorteile beim Bezug von Produkten und Leistungen. Andere Genossenschaften machen da aber auch keinen Unterschied zwischen Kund*innengruppen. Alle Genossenschaften beteiligen ihre Mitglieder bei der grundsätzlichen Ausrichtung über ein Mitbestimmungsrecht (bei größeren Genossenschaften auch über eine Vertreter*innen-Regelung) auf der Generalversammlung der Genossenschaft. Hier gilt grundsätzlich: Jedes Mitglied hat eine Stimme – egal wie hoch sein/ihr Anteil am Geschäftsguthaben ist.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Das Geschäftsguthaben in Genossenschaften wird in der Regel in Geschäftsanteilen gezählt. Der Wert eines Geschäftsanteils wird in der Satzung festgelegt bzw. von der Generalversammlung beschlossen. Dieser Wert pro Anteil ist für alle Mitglieder gleich und verändert für gewöhnlich auch nicht. Die Mitglieder können aber individuell entscheiden, wie viele Geschäftsanteile sie zeichnen möchten. Manche Genossenschaften begrenzen jedoch die Zahl an Anteilen, die man erwerben kann.
Die Zahl der Anteile wirkt sich aber nicht auf das Mitbestimmungsrecht aus. Hier hat jedes Mitglied eine Stimme, egal wie viele Geschäftsanteile es besitzt.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Eine Energiegenossenschaft besteht in der Regel aus einer Mitglieder- oder Vertreter*innen-Versammlung (Generalversammlung), die einmal im Jahr tagt und über die Entlastung der Führungsgremien, die Verwendung des Jahresgewinns und mögliche Satzungsänderungen oder andere Anträge abstimmt. Die Generalversammlung wählt auch den Aufsichtsrat, der kontinuierlich die Geschäftstätigkeit der Genossenschaft überwacht. Der Aufsichtsrat bestellt auch den Vorstand, welcher die operative Geschäftsführung der Genossenschaft übernimmt. In kleineren Genossenschaften kann der Vorstand schon einmal ehrenamtliche oder nebenberuflich besetzt sein, in größeren Unternehmen ist der Vorstand hauptamtlich besetzt. Grundsätzlich beschäftigen Genossenschaften Mitarbeiter*innen, die die operative Arbeit erledigen.
In einigen Genossenschaften können sich die Mitglieder zwischen den Generalversammlungen auch in Arbeitsgruppen oder Beiräten engagieren.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Energiegenossenschaften sind ansonsten normale Unternehmen und je nach Satzungszweck auch auf die Erzielung von Jahresüberschüssen durch die unternehmerische Tätigkeit ausgelegt. Der Gewinn wird in der Regel über Umsatzerlöse erzielt, die möglichst größer sind als die Aufwände bzw. Kosten.
Die Prokon eG erzielt bspw. Umsätze aus dem Verkauf des erzeugten Stroms, dem Energiehandel mit Haushaltskunden, dem Verkauf von entwickelten Wind- und PV-Anlagen und mit Service und Wartung von Windparks.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Es gibt kleinere Energiegenossenschaften, die für diese Leistung entsprechende Ingenieurbüros beauftragen. Bei Prokon gehört diese Leistung jedoch zum eigenen Kerngeschäft. Wir haben eine eigene Projektierungsabteilung, die die Solar- und Windparks plant, die Genehmigungsprozesse steuert und am Ende auch den Bau begleitet. Den Bau selbst übernehmen dann jedoch meist spezialisierte Baufirmen.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Der DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. zählt in seiner Jahresumfrage 835 Energiegenossenschaften in Deutschland mit insgesamt rund 200.000 Mitgliedern.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Die Arbeit einer Genossenschaft wird im laufenden Betrieb durch den Aufsichtsrat überwacht. Einmal im Jahr stellen sich Aufsichtsrat und Vorstand mit ihrem Bericht ihren Mitgliedern auf der Generalversammlung.
Genossenschaften müssen Mitglied in einem genossenschaftlichen Prüfverband sein. Die Wirtschaftsprüfer*innen des Verbandes prüfen nicht nur den Jahresabschluss, sondern zusätzlich auch den “ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb”.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Letztendlich ist das abhängig von der konkreten Art und Weise der Produktion und den regionalen Gegebenheiten. Wenn der Strom im Rahmen der EEG-Gesetze produziert wird, muss er ins öffentliche Netz eingespeist werden und macht damit den gesamten Stro-Mix grüner. Es gibt aber auch Möglichkeiten, den Strom direkt zu vermarkten. Auch dann wird er in der Regel in ein regionales oder überregionales Stromnetz eingespeist, aber die Abnahmeverträge werden direkt mit den Abnehmern (Stadtwerke, Unternehmen, Kunden*innen, …) abgeschlossen. Hierbei unterstützen in den meisten Fällen Direktvermarkter, die sich für den Handel mit Strom spezialisiert haben und auch bei der Vermarktung von Strom über das EEG-Dienstleistungen übernehmen.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
Der Begriff ist nicht für Erneuerbare Energien geschützt. Rein theoretisch könnte eine Bürger-Energiegenossenschaft auch gemeinsam ein Kohlekraftwerk bauen. Das Modell der Bürger-Energiegenossenschaft ist jedoch im Bereich der Erneuerbaren Energien, bei Speichertechnologien, Elektromobilität etc. sehr verbreitet.
Die etablierten Energiekonzerne und auch viele Stadtwerke hatten sich vor 20-30 Jahren noch nicht sehr für die Erneuerbaren Energien interessiert. Auch Banken haben wenig in dem Bereich investiert. So war die Bürger-Energiegenossenschaft eine gute Basis, um sich gemeinsam zusammenzuschließen und das Kapital für Erneuerbare Kraftwerke aufzubringen – und das ist es bis heute.
Majbrit Fromme (Prokon eG)
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