Grüne Wirtschaft

Wie wollen wir in Zukunft leben? – die BayWa im Interview

INTERVIEW | Die BayWa hat sich die Gestaltung einer nachhaltigen Grundversorgung zur Aufgabe gemacht. Erfahre mehr über innovative Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit.

INTERVIEW | Die BayWa hat sich die Gestaltung einer nachhaltigen Grundversorgung zur Aufgabe gemacht. Erfahre mehr über innovative Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit.

25.01.2023 | Ein Interview geführt von Ursula Korsen und Katrin Baumann | Bild: Min An, Pexels

Was brauchen wir eigentlich alles zum Leben? In erster Linie benötigen wir für die Erfüllung unserer Grundbedürfnisse Wasser, Nahrung, Unterkunft und eine medizinische Versorgung. Hinzu kommen eine gesicherte Energieversorgung, Mobilität und eine digitale Infrastruktur, ohne die heutzutage vieles nicht mehr funktionieren würde. Die Herausforderungen unserer Zeit sind vielfältig – so stellt uns z. B. der Klimawandel vor die Aufgabe, die Welt heute schon so zu gestalten, dass ein gutes Auskommen auch für zukünftige Generationen gesichert ist und eine lebenswerte Umwelt erhalten bleibt.

Die BayWa AG ist ein global tätiges Unternehmen, das sich auf die Bereiche Agrar, Energie und Baustoffe konzentriert und zusätzlich auch im Bereich Innovation und Digitalisierung tätig ist. Als eines der weltweit führenden Unternehmen für nachhaltige Innovationen treibt die BayWa die Lösungsfindung für die großen Herausforderungen wie die Auswirkungen des Klimawandels, die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung und die Umsetzung der Energiewende voran. Wie genau das geschichtsträchtige Unternehmen das macht, wie es nachhaltig agiert und welche Rolle Startups dabei spielen, erfahren wir im Interview von Marion Meyer, die Chief Strategy & Innovation Officer der BayWa AG sowie Geschäftsführerin der BayWa Venture GmbH ist.

LifeVERDE: Liebe Marion, stell uns die BayWa und die Geschäftsbereiche bitte kurz vor.

Marion Meyer: Die BayWa ist ein sehr vielfältiges Unternehmen und genauso vielfältig sind auch die Berührungspunkte, die Menschen mit ihr haben. Die einen verbinden sie primär als Händler von Agrarerzeugnissen, Betriebsmitteln und Technik für die Landwirtschaft, für die anderen ist sie der Lieferant für Holzpellets und wieder andere haben schon mal bei der BayWa Baustoffe bestellt, als sie ein Haus gebaut oder saniert haben. Aber auch wer die BayWa bisher nicht bewusst wahrgenommen hat, ist sehr wahrscheinlich schon mit ihr in Kontakt gekommen, zum Beispiel im Supermarkt. Die BayWa handelt nämlich nicht nur Brotgetreide, Soja oder Mais. Über unsere Tochterunternehmen beliefern wir auch den Lebensmitteleinzelhandel mit über 200 verschiedenen Obst- und Gemüsesorten aus aller Welt. Wer ein e-Auto fährt, hat mit Sicherheit schon an einer Ladesäule „getankt“, die von der BayWa ans Netz gebracht wurde. Und als einer der größten Akteure im Bereich erneuerbare Energien planen und bauen wir weltweit Wind- und Solaranlagen, um bis in die entlegensten Winkel der Erde Menschen mit Grünstrom zu versorgen.

Falls du dich jetzt fragst, wie das alles zusammenpasst – stell dir einfach die Stadt der Zukunft mit ihrer Infrastruktur und Energieversorgung vor sowie die Menschen, die in dieser Stadt wohnen und arbeiten, sich von A nach B bewegen, essen und trinken. Die BayWa könnte diese Stadt bauen und die Menschen mit fast allem grundversorgen, was sie zum Leben brauchen.


Marion Meyer ist seit 2012 für die BayWa tätig (Bild: BayWa AG).

Wo liegen die Ursprünge der BayWa?

Die BayWa wurde vor 100 Jahren in München gegründet, um die heimische Landwirtschaft zu unterstützen. Doch genau genommen reicht ihre Geschichte bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. Damals gab es die Bayerische Darlehens-Zentralkasse, kurz BZDK, die einerseits wie eine Bank funktionierte, andererseits aber auch ein Warengeschäft betrieb. Konkret bedeutete das: Landwirte konnten über die Zentralkasse einerseits Produktionsmittel preiswert einkaufen und andererseits ihre Ernte vermarkten lassen. Wegen der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg entschied die BZDK Anfang der 20er Jahre, Risiken zu minimieren, indem sie das Warengeschäft vom Bankgeschäft trennte. Das Warengeschäft wurde schließlich in der dafür 1923 neu gegründeten Bayerischen Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften – BayWa – als Aktiengesellschaft fortgeführt.

Heute ist die BayWa ein weltweit agierender Konzern und im SDAX an der deutschen Börse vertreten. Das Fundament sind unsere genossenschaftlichen Wurzeln, die seit 1923 unser Werteverständnis prägen. Diese Mischung aus Solidität, Vertrauen und Bodenständigkeit auf der einen Seite sowie Fortschritt, Veränderungsbereitschaft und Innovationsfreude auf der anderen macht dabei die BayWa aus.

Wie wird bei BayWa Nachhaltigkeit in die Tat umgesetzt?

Wir bei der BayWa haben schon immer in Generationen gedacht. Schließlich nehmen wir großen Einfluss auf die Ernährungssicherheit, Energieversorgung, Mobilität oder Arbeits- und Wohngesundheit von Menschen. Wir erzielen mittlerweile gut die Hälfte unseres Konzernergebnisses mit erneuerbaren Energien – allein Geschäftsmodelle wie diese zeugen schon von einem nachhaltig orientierten Unternehmen.

Seit fast zehn Jahren legen wir einmal im Jahr umfassend Rechenschaft über unser Nachhaltigkeitsengagement ab. Wir haben vier Handlungsfelder definiert, die den Begriff „Nachhaltigkeit“ ganzheitlich abbilden: Wertschöpfung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gesellschaft sowie Umwelt und Klima. In unserem Nachhaltigkeitsbericht kann jeder und jede nachlesen, welche Ziele wir uns jeweils gesetzt haben und was wir bereits erreicht haben.

Gleichzeitig leisten wir aber natürlich auch als Konzern unseren Beitrag zu mehr Klimaschutz und verfolgen seit 2018 sehr ambitioniert eine Klimastrategie. Schon in sieben Jahren wollen wir klimaneutral sein. Der Weg dahin ist mit mehreren Meilensteinen gepflastert, von denen wir bereits einige erreicht haben. Seit zwei Jahren decken wir zum Beispiel unseren Strombedarf vollständig aus erneuerbaren Energien. Neu seit Januar ist, dass wir einen internen CO2-Preis in Höhe von 50 Euro pro Tonne Kohlendioxid erheben. Das Geld fließt als Klimabudget an unsere Geschäftseinheiten. Wir wollen diese damit motivieren, weitere Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, und so allein in den kommenden Jahren mindestens 18.000 Tonnen CO2 einsparen.

Ich freue mich, dass unser Engagement und unsere Erfolge auch vom Markt honoriert werden. Im MSC ESG Rating, einem der weltweit führenden Bewertungen zum Thema Nachhaltigkeit, haben wir erst kürzlich unser AA-Rating verteidigt.

Warum hat sich die BayWa entschieden, in Start-ups zu investieren?

Für gewöhnlich beginnt alles mit einer Frage: Wie kann die BayWa ihre Kunden noch besser adressieren? Welche neuen Märkte und Technologien sind für uns interessant? Welche Trends spielen für uns eine Rolle? Wo schaffen wir innerhalb unseres Produktportfolios Synergien? Gemeinsam mit den jeweiligen Geschäftsbereichen entwickeln wir als Konzernstrategen dafür dann Antworten. Bereits in diesem Prozess spielt die Zusammenarbeit mit Start-ups eine wichtige Rolle, denn sie helfen uns, die Relevanz von Märkten und Trends noch besser einschätzen zu können. Wir schauen uns aber auch Technologien und Trends jenseits unserer heutigen Aktivitäten an, um frühzeitig neue Dinge mitzubekommen, mitzugestalten und die BayWa ein Stück weiterzuentwickeln.

Um ein Beispiel zu nennen: Bei dem Thema „Pflanzenbasierte Proteine“ hatten wir Sorge, es könne sich lediglich um einen Nischentrend handeln. Nach unserer Protein Challenge, in der wir 300 Start-ups aus diesem Bereich näher beleuchtet haben, war uns klar: Alternative Proteine sind eine wichtige Säule in der Ernährung – und damit ein Thema für unsere Kunden und für uns. Mittlerweile ist daraus eine neue und eigenständige Geschäftseinheit bei der BayWa geworden, die New Protein Solutions. Mit unserer langjährigen Erfahrung und unserem Partnernetzwerk können und wollen wir diesen Zukunftsmarkt aktiv gestalten – und so auch die Start-ups, in die wir investiert haben, gemeinsam weiterentwickeln und eine positive Rendite erwirtschaften.

Welche Kriterien muss ein Start-up für eine Zusammenarbeit mit BayWa erfüllen?

Generell hat die BayWa Venture, der Investitionsarm der BayWa, einen definierten Investitions-Scope, der sich über drei Eckpunkte skizzieren lässt:

  • thematisch im Bereich AgTech und FoodTech
  • geographisch in Europa, Israel und optional in Nordamerika
  • Reife des Unternehmens: in der Regel Seed und Series A

Ich möchte aber etwas näher darauf eingehen, auf was wir dabei bei den Start-ups achten:

Erstens: das Thema. Entscheidend ist vor allem, dass die Innovation oder Technologie, die das Start-up anbietet, für unsere Aktivitätsfelder relevant ist oder eben zukünftig werden könnte. Dabei achten wir besonders darauf, ob die Lösung ein echtes Problem adressiert und beim Kunden einen Mehrwert schafft – und das bei einem gleichzeitig attraktiven Marktpotenzial. Kommt beides zusammen, entsteht eine interessante Entwicklungschance.

Zweitens: das Team: Die Gründer und das Team sind entscheidend. Es kommt nicht nur darauf an, eine gute Idee zu haben, sondern auch zu zeigen, dass man diese entwickeln und unternehmerisch umsetzen kann. Wir würden nicht in eine gute Idee investieren, wenn wir vom Team nicht überzeugt wären.

Und drittens: Traction. Bei jeder Gründung sind Idee, Mut und Leidenschaft genauso gefragt, wie die richtigen Meilensteine identifiziert zu haben und zu erreichen – auch bei Themen wie dem Aufbau von Rechten und Assets, der eigenen Lieferkette, Strukturen und Finanzierung.

Welche Start-ups konnten bisher von der Unterstützung der BayWa profitieren?

Bei BayWa Venture haben wir aktuell zwei Fokusfelder: Nachhaltige Landwirtschaft und Alternative Proteine. Unser Portfolio umfasst aktuell 13 Start-ups – aus der DACH-Region, aber auch aus Israel, Spanien und Kalifornien.

Einige sind schon länger dabei, seit 2017 zum Beispiel BartsParts aus den Niederlanden mit einer Online-Plattform für ältere oder schwer zu findende Ersatzteile für Landmaschinen. Ein großer Teil ist aber auch 2022 dazugekommen. So sind wir zum Beispiel in der Neggst Foods GmbH investiert, ein deutsches Start-up, das eine Ei-Alternative rein auf pflanzlicher Basis entwickelt hat. Und in Kern-Tec, das Obstkerne, die bisher einfach weggeworfen wurden, zu Ölen, Backzutaten oder pflanzlichen Milch-Alternativen verarbeitet. Ein Beispiel für nachhaltige Landwirtschaft ist Spherag – ein spanisches Start-up, das mittels „Internet of Things“ und Solarenergie analoge Bewässerungsanlagen mit wenig Aufwand automatisiert – was nicht nur Wasser spart, sondern auch Nitratauswaschung verhindert. 450 Betriebe weltweit mit einer Fläche von 50.000 Hektar nutzen diese Lösung bereits.

Wie können diese einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Welt auch morgen noch zu ernähren?

Die Innovationen der vergangenen Jahrzehnte haben die Landwirtschaft sehr effizient gemacht. In den 60er Jahren, als die Mechanisierung Fahrt aufnahm, ernährte ein Landwirt in Deutschland mit seiner Arbeit 17 Menschen, heute sind es rund 140. Gleichzeitig steht unser Ernährungssystem unter großem Druck, aus vielerlei Gründen: Die Weltbevölkerung wächst. Bis 2050 müssen wir mehr Nahrungsmittel produzieren als in den vergangenen 8.000 Jahren zusammen. Das Problem: Die weltweiten Ackerflächen schrumpfen. Wir verbrauchen heute so viele Ressourcen wie noch nie. Extremwetterereignisse wie Stürme, Hochwasser und Dürren treten dreimal häufiger auf als noch vor 30 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ernten wetterbedingt kleiner ausfallen, ist damit gestiegen. Und wenn dann noch ein Land wie die Ukraine, von dessen Brotweizen viele Entwicklungs- und Schwellenländer abhängen, wegen des Angriffskrieges nur noch schwer Getreide anbauen und exportieren kann, ist die weltweite Versorgungslage bedroht – vor allem in ärmeren Ländern.

Die gute Nachricht ist: Es gibt Alternativen und intelligente Lösungen – weil es Gründer gibt wie Jesús Ibáñez von Spherag oder Veronica Garcia Arteaga von Neggst Foods, die mit ihren Geschäftsideen helfen, die Zielkonflikte in unserem Ernährungssystem zu lösen. Die Bewässerung von Agrarflächen kann ein Mittel sein, um mit steigenden Dürrerisiken umzugehen. Entscheidend ist, dass dies effizient passiert, denn auch Wasser ist eine knappe Ressource. Genau dafür sorgt die Spherag-Lösung. Oder: Eine stärker pflanzenbasierte Ernährung führt dazu, dass Fleisch bewusster gegessen wird. Wenn dadurch weniger Tiere gehalten werden, können die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft gesenkt werden. Freiwerdende Ackerflächen stünden dem Pflanzenbau zur Verfügung und sind damit auch ein Quell an pflanzenbasierten Proteinen zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung.

Wo soll die Reise für die BayWa als Konzern hingehen?

Wie bisher auch werden wir unser Bestes tun, um die Menschen mit dem zu versorgen, was sie zum Leben brauchen – ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig. Seit 100 Jahren treibt uns die Frage an, wie wir in Zukunft leben wollen. So haben wir schon in den 1920ern die Modernisierung der Landwirtschaft in Deutschland vorangetrieben, seit 2009 die weltweite Energiewende oder jetzt die pflanzliche Revolution in unserem Ernährungssystem. Unsere Geschichte zeigt, dass es dabei für uns kein Entweder-Oder gibt, sondern ein Sowohl-Als-Auch. Oder wie es das Motto, unter dem unser Jubiläumsjahr 2023 steht, auf den Punkt bringt: Wir vereinen Welten.

Vielen Dank für das Interview, Marion!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an die BayWa stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare – wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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