Grüne Wirtschaft

Teil 3: Klimaschutz in Deutschland. Was uns noch fehlt für eine CO2-freie Stromversorgung

Prokon ist die größte Energiegenossenschaft Deutschlands mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Windenergie. In unserer dreiteiligen Interviewreihe sprechen wir über den Wandel im deutschen Strommarkt, über Öko-Energie für alle und die Energiewende. 

Prokon ist die größte Energiegenossenschaft Deutschlands mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Windenergie. In unserer dreiteiligen Interviewreihe sprechen wir über den Wandel im deutschen Strommarkt, über Öko-Energie für alle und die Energiewende. 

25.10.2021 | Ein Interview geführt von Anika Dewald | Bild: Prokon

Unser Interviewpartner Achim Vogt hat sich bereits als Teenager mit Umweltschutz und erneuerbaren Energien beschäftigt und ist hier seit vielen Jahren in verschiedenen Unternehmen in leitender Funktion tätig. Seit März 2020 ist er Vertriebskoordinator im Vorstandsreferat der Prokon Regenerative Energien eG. Das Windkraftunternehmen PROKON wurde 2015 in eine Bürger-Energie-Genossenschaft umgewandelt. Im dritten Teil unserer Reihe wollten wir von ihm wissen, welche Rolle die Energieversorgung beim Klimaschutz spielt und wie der Weg zur flächendeckend CO2-freien Energieversorgung gelingen kann.

Achim, wie wichtig ist der Strommarkt für den Klimaschutz beziehungsweise für die Erreichung der Klimaneutralität? 

Achim Vogt: Sehr wichtig. Die Energiewirtschaft ist in Deutschland immer noch, mit etwa 37%, der größte Emittent von energiebedingtem CO2 und bietet damit weiterhin das größte Einsparpotential.   

677 Millionen Tonnen Treibhausemissionen wurden 2019 energiebedingt ausgestoßen. Quelle: Umweltbundesamt

Und wo steht Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, was die Nachhaltigkeit der Stromproduktion anbelangt? Was machen wir gut und was noch schlecht?

Deutschland war lange Zeit Technologieführer und Pionier der Erneuerbaren Energieerzeugung und das in vielerlei Hinsicht. Politisch sorgte das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) für einen Förder- und Ausbaurahmen. Deutschland ist das erste Land in Europa, vielleicht sogar weltweit das erste, das in der politischen Agenda eine Energiewende beschlossen hat. Die Voraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energien sind günstig, denn erneuerbare Energien besitzen in der deutschen Bevölkerung eine hohe Akzeptanz, wohingegen atomare und fossile Energieträger zu den unbeliebten Energieträgern gehören. 
Dennoch ist die „große Transformation“, wie die Energiewende auch genannt wird, eine gewaltige Herausforderung, für die es bisher in unserer Industriegesellschaft noch kein Beispiel gibt. So viel zu den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Das EEG war in seinen Anfängen einmal so etwas wie ein Exportschlager für gutes rechtliches Rahmenwerk. Den Pfad haben wir aber längst verlassen. Einerseits weil die damit verbundenen Kapazitätsanforderungen für den Ausweis von nutzbaren Flächen und für Genehmigungsprozesse in den Behörden nicht mitgehalten haben und andererseits, weil es zu wenig zu einer breiten Akzeptanz der Energiewende beigetragen hat. Es ist immer als Subventionsgesetz verstanden worden und nicht als Anstoß für eine Technologiewende, mit der Marktzugangshürden abgebaut werden sollten. 

Was müsste hier aus deiner Sicht verbessert werden?

Wir müssen das  Lagerdenken überwinden , das ist meine feste Überzeugung. Sonst bleiben wir in diesem Dauerzustand des Blockierens. Seit Tschernobyl beobachten wir, dass die notwendigen Akteure einer Energiewende mit allen Kräften an bestehenden fossilen oder atomaren Kraftwerkskonzepten festhalten wollen und auf der anderen Seite die Energiewendebefürworter ihre Ansätze viel zu häufig als Abgrenzung zum „schlechten Alten“ formulieren. So wird das nichts. Am Ende stehen nur dann genug Sonnen-, Wind- und Wasserkraftwerke zur Verfügung, wenn die meisten, die ökonomisch, technologisch, gesetzgeberisch usw. etwas beitragen können, das auch wollen. 
Auch technologisch hatte Deutschland lange eine Vorreiterrolle inne: Die effektivsten Windkraftanlagen kamen aus Deutschland und auch die besten Halbleiter für die Solarpanels wurden hier gebaut. Inzwischen ziehen andere Länder nach, überholen uns sogar. Von einer Vorreiterrolle kann man nicht mehr uneingeschränkt sprechen. 
 

„Die Energiewende ist ein Mammutprojekt und kann nur kooperativ gelöst werden.“ (Achim Vogt, Bild: Prokon).
 

Wie sollte denn ein Strommarkt im Sinne der Energiewende aussehen?

Die Energiewende ist ein Mammutprojekt und kann nur kooperativ gelöst werden. In vielerlei Hinsicht haben wir Warnhinweise aus der Wissenschaft viel zu lange ignoriert, die sanfte Übergänge ermöglicht und Umweltzerstörungen wie CO2-Emission, aber auch Flächenversiegelungen, Atommüll etc. geringer gehalten hätten. Nun sind wir in einer Situation, die es dringend erforderlich macht, das oben beschriebene Lagerdenken aufzugeben. Ganz gleich, welche Parteien regieren werden, egal, wer die Konzernlenker*innen der großen CO2-Emittenten sind – alle sollten ein gemeinsames Ziel verfolgen und das heißt: maximal 1,5 Grad. Für den Strommarkt bedeutet das, dass die Energieerzeugung der Zukunft dezentral und regenerativ sein muss. 

Aus der Perspektive der dezentralen Versorgung sind auch die großen Off-Shore-Windparks kritisch zu sehen, da auch hier die Netzanbindung der Flaschenhals ist. Der Energieverbrauch wird weiter steigen. Spätestens wenn die Mobilitätswende weiter an Fahrt aufnimmt und die Wärmewende die Abkehr vom Erdgas einläutet. Je mehr Menschen Selbstversorger werden und je intelligenter die flankierenden Energiedienstleistungen werden (wie Smart Meter, Smart Home, App-Steuerungen von Verbrauchern, Speicherkapazitäten etc.), umso besser. 

Können die Erneuerbaren Energien in Deutschland eine Energie-Garantie darstellen und ist es möglich, dass wir in Deutschland einmal zu 100 Prozent aus Erneuerbaren unseren Strom beziehen?

Eine Energie-Garantie wird es nicht geben. Aber die gibt es bei importabhängigen fossilen Erzeugungskraftwerken ebenfalls nicht. 
Wenn durch den Netzausbau genügend Kapazitäten geschaffen werden und durch Integration von Speichertechnologien (Batterie, Wasserstoff, Pumpspeicher) die Netzstabilität gewährleistet wird, wird es in Zukunft möglich sein, den Energiebedarf nahezu vollständig aus Erneuerbarer Energie zu decken.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Die weiteren Teile unserer Interview-Reihe mit Achim Vogt von Prokon:

Teil 1: Vom Umbruch zum Aufbruch im deutschen Strommarkt 

Teil 2: Der kurze Weg des Stroms und die Macht der Verbraucher*innen auf dem Weg zur CO2-neutralen Energieversorgung

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Prokon stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare - wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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Das hat dich interessiert? Dann schau dir auch diesen Beitrag an: Umweltfreundlicher Strom: Auf diese Energie-Label sollten Verbraucher*innen achten

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Kommentare
Eckhard Althaus
29.10.2021
Grundsätzlich begrüße ich die hier transportierten Inhalte.

In einem Punkt halte ich aber die Gewichtung jedoch für nicht zutreffend. Ich zitiere:
"Wir müssen das Lagerdenken überwinden, das ist meine feste Überzeugung. Sonst bleiben wir in diesem Dauerzustand des Blockierens. Seit Tschernobyl beobachten wir, dass die notwendigen Akteure einer Energiewende mit allen Kräften an bestehenden fossilen oder atomaren Kraftwerkskonzepten festhalten wollen und auf der anderen Seite die Energiewendebefürworter ihre Ansätze viel zu häufig als Abgrenzung zum „schlechten Alten“ formulieren. So wird das nichts."

Dass sich zwei Lager gegenüberstehen, erscheint mir eine realistische Beschreibung der aktuellen Situation. Bereits 2010 schrieb Hermann Scheer in seiner letzten Buchveröffentlichung:
„Der Wechsel zu erneuer­baren Energien geht zu Lasten der bisherigen Energiewirtschaft, weil deren herkömmliche Systemelemente Zug um Zug unwirtschaftlich werden. ... Ein schneller Energiewechsel, der objektiv möglich ist, erscheint konventionellen Energiekonzernen deshalb unmöglich. ... Deshalb versuchen sie, den Wechsel zu erneuerbaren Energien entweder zu verhindern oder zu verschleppen und in jedem Fall unter ihre Kontrolle zu bringen. ... Sie sind die Verlierer des schnellen Energiewechsels."
(Quelle: Hermann Scheer „Der energethische Imperativ“, S. 59)
Als jemand, der nicht weit vom Rheinischen Braunkohlerevier entfernt wohnt und das Zerstörungswerk von RWE in dieser Region verfolgt, sehe ich diesen Konzern ganz eindeutig als Gegner, den man nicht überzeugen, sondern nur zurückdrängen kann. Anders wird das mit dem Ausstieg aus der Braunkohle vor 2038 nichts. Dazu ließe sich viel schreiben, ich möchte jedoch lediglich auf das RWE-Tribunal verweisen.
Wer sich dafür interessiert findet umfangreiche Informationen unter www.rwe-tribunal.org .
Wir haben es hier mit einem knallharten Interessengegensatz zu tun, den man nicht harmoniesüchtig beschönigen sollte.

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