Grüne Wirtschaft

Teil 2: Der Weg des Öko-Stroms und die Macht der Verbraucher*innen

Prokon ist die größte Energiegenossenschaft Deutschlands mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Windenergie. In unserer dreiteiligen Interviewreihe sprechen wir über den Wandel im deutschen Strommarkt, über Öko-Energie für alle und die Energiewende.

Prokon ist die größte Energiegenossenschaft Deutschlands mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Windenergie. In unserer dreiteiligen Interviewreihe sprechen wir über den Wandel im deutschen Strommarkt, über Öko-Energie für alle und die Energiewende.

22.10.2021 | Ein Interview geführt von Anika Dewald | Bild: Prokon

Unser Interviewpartner Achim Vogt hat sich bereits als Teenager mit Umweltschutz und erneuerbaren Energien beschäftigt und ist hier seit vielen Jahren in verschiedenen Unternehmen in leitender Funktion tätig. Seit März 2020 ist er Vertriebskoordinator im Vorstandsreferat der Prokon Regenerative Energien eG. Das Windkraftunternehmen PROKON wurde 2015 in eine Bürger-Energie-Genossenschaft umgewandelt. Im zweiten Teil unserer Reihe wollten wir von ihm wissen, was man als Endverbraucher*in tun kann, um die Energiewende aktiv zu unterstützen und was man wissen sollte, bevor man sich für einen Energie-Anbieter entscheidet.

Achim, für uns Endverbraucher*innen ist es nicht immer ganz leicht zu verstehen, welchen Weg der Strom bis zu uns genommen hat und wie ich aktiv beeinflussen kann, woher die Energie stammt, die ich am Ende aus meiner Steckdose ziehe. Kannst du uns hier einen kurzen Überblick verschaffen?

Achim Vogt: Nicht selten wird tatsächlich auch die Frage gestellt: Bekomme ich etwa eine neue Leitung in mein Haus gelegt, wenn ich mich für Windstrom entscheide? Zur Beruhigung: Nein, der Strom wird immer ins Verbundnetz eingespeist und gelangt so in die Haushalte. 
Egal welchen Anbieter und welche Erzeugungsart ich wähle, ich bekomme immer den Strom der räumlich naheliegendsten Erzeugungsquelle. Wohne ich in der Nähe eines Windparks, so wird mein Strom mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch da erzeugt. Ist in meiner Nachbarschaft ein Gaskraftwerk, so wird vermutlich da der Strom für meinen Haushalt erzeugt.

Verstehe. Und wie kann ich nun herausfinden, welche Anbieter in Frage kommen, wenn ich wirklich nachhaltige Energie-Erzeugung unterstützen möchte? Viele Angaben zu Zertifikaten und Nachweisen empfinde ich als Laie nicht gerade selbsterklärend. 

Zum besseren Verständnis helfen drei Unterscheidungsmerkmale: 1. Strom als physikalisches Produkt, 2. ein so genannter Herkunftsnachweis (=HKN), 3. ein Zertifikat wie z.B. ok-power-plus.  
Der Strom, das physikalische Produkt, gelangt aus der Erzeugungsanlage direkt ins Stromnetz. Ein Herkunftsnachweis muss dann angegeben werden, wenn höherwertiger Ökostrom vermarktet wird. 

Was genau wird mit dem Herkunftsnachweis nachgewiesen?

Eigentlich geht es dabei um den Beleg, dass der Strom aus Erneuerbaren Energien stammt. Das Besondere daran: Strom und HKN lassen sich getrennt voneinander handeln. Also egal, ob Wasserkraftwerk, Windpark oder Photovoltaik-Anlage: Auf Basis der jeweils produzierten Kilowattstunden lassen sich ebenso viele Herkunftsnachweise verkaufen. Allerdings: Kraftwerke (auch private Photovoltaik-Anlagen), die über das EEG-Gesetz mit einer festen Einspeisevergütung gefördert werden, dürfen keine Herkunftsnachweise handeln. Hier besteht ein Doppelvermarktungsverbot, da die regenerative Herkunft bereits im Strommix ausgewiesen wird. 

Da ein Großteil der Erneuerbaren Energie- Erzeugungsanlagen, die in den letzten 20 Jahren in Deutschland errichtet wurden, über das EEG gefördert werden oder wurden, weichen einige  Ökostromanbieter auf Herkunftsnachweise (HKN) aus Nicht-EEG-Kraftwerken aus. Dies können HKN von Betreibern älterer, längst abgeschriebener Wasserkraftwerke oder ausländischer Herkunft sein. Da die skandinavischen Länder viel regenerativen Strom produzieren, werden oft Herkunftsnachweise aus Norwegen oder Schweden erworben, auch wenn der Strom physisch aus deutschen Kraftwerken kommt. Für skandinavische Herkunftsnachweise wird in Deutschland aber kein Wind-, Sonnen- oder Wasserkraftwerk neu gebaut. Der Effekt dieses Systems für die Energiewende ist somit gering, von der Transparenz und Nachvollziehbarkeit mal ganz zu schweigen.

Das klingt danach, als sei der Nutzen der Herkunftsnachweise speziell für Endverbraucher*innen sehr gering.

Nicht zuletzt deswegen gibt es neben den Herkunftsnachweisen weitere Instrumente, um den Nutzen eines Ökostromprodukts für die Energiewende und den Ausbau zu belegen. Dabei handelt es sich um zusätzliche Testate und Zertifikate. Diese belegen beispielsweise, wieviel des von einem Stromanbieter gehandelten Stromes aus jüngeren, regenerativen Erzeugungsanlagen stammt oder wie stark sich ein Anbieter für den Ausbau der Erzeugung engagiert. Natürlich kosten diese Prüfungen und Zertifikate und entsprechend erhöht sich der Preis des Stromes. Hier gilt dann auch: je genauer die Prüfung, desto teurer. Ein vom TÜV geprüfter Stromtarif ist somit meistens günstiger als ein ok-power-plus-Tarif. Einfach, weil der TÜV weniger strenge Kriterien an die Güte der Stromerzeugung anlegt als ok-power das tut.  

Windrad

Nicht immer klar zu erkennen: Ist Öko-Strom gleich Öko-Strom? Um sich über die Nachhaltigkeit eines Angebots zu informieren, sollten Verbraucher*innen neben dem Herkunftsnachweis vor allem auf Zertifikate achten (Bild: Prokon). 

Nicht jedes zertifizierte Öko-Strom-Angebot ist also gleichermaßen nachhaltig? 

Letztlich gibt es einen großen Unterschied bei der Frage, ob jemand nur Strom aus bestehenden regenerativen Kraftwerken bezieht oder ob jemand diese Energie von Unternehmen bezieht, die wesentlich in den Ausbau solcher Kraftwerke investieren. Denn nur dann kann die Ablösung von schädlichen Kraftwerken überhaupt forciert werden. Alles andere bliebe im zu langsamen Energiewendetempo stecken.  

Idealerweise habe ich eine Solaranlage auf dem Dach und/oder ein Blockheizkraftwerk im Keller. Dann werde ich selber einen großen Teil meines Stromes produzieren und nur noch eine geringe Menge hinzukaufen müssen. Die Einspeisung des erzeugten Stromes erfolgt meistens über einen bidirektionalen Zähler, sodass genau festgehalten werden kann, was ich einspeise und was ich verbrauche.  

Und was tue ich, wenn ich weder ein Haus für Solar- und Blockheizkraftwerk noch einen Acker für eine Windkraftanlage oder einen Solarpark habe, aber dennoch wirksam werden will? 

Ich entscheide mich für einen Ökostromversorger, der nachweislich selbst CO2-freien Strom produziert und regenerative Kraftwerke ausbaut. 
Und auch wenn ich (wie gerade gelernt) physisch den Strom aus meinem nächstgelegenen Kraftwerk aus der Steckdose bekomme, sorge ich dennoch dafür, dass der Strommix in Deutschland immer grüner wird. Ökostrom hat auf dem Strommarkt Einspeisevorrang, sprich: Wenn Ökostrom in ausreichenden Mengen produziert wird, um z.B. eine Gemeinde zu versorgen, sind andere, nicht regenerative Erzeugungsanlagen abgeschaltet. Wenn ich jetzt bilanziell Ökostrom beziehe, sorge ich dafür, dass der Produzent mehr grünen Strom produzieren kann und so die konventionelle Erzeugung im Strommix verdrängt. Darum ist die Anbieterwahl so wichtig. Ich kann Auftraggeber*in für z.B. 100% Windstrom werden und ermögliche so die Energiewende.

Ich kann zudem Teil einer Genossenschaft wie Prokon werden, deren Genossenschaftszweck darin besteht, Erzeugungsanlagen (vornehmlich Windkraftanlagen aber auch Solarparks) zu projektieren, zu bauen und zu betreiben und somit indirekt meinen eigenen Strom produzieren. So verschieben sich Marktanteile, Produktionsarten und ich verändere aktiv den Energiemix von konventionell zu regenerativ.  

Du hast eben die Kostenunterschiede angesprochen, die auch durch die unterschiedlichen Qualitätsstandards der Zertifizierungen zustande kommen. Ist Strom aus erneuerbaren Energien immer teurer als konventioneller Strom? 

Nein, der Strom von einem Ökostromanbieter ist sogar in der Regel günstiger als die Tarife des zuständigen Grundversorgers. Zudem sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei der konventionellen, monopolistischen Energieerzeugung der letzten Jahrzehnte die Gewinne privatisiert und die Kosten (beispielsweise Kosten für das Abbaggern von Dörfern, die Endlagerung von Kernelementen etc.) externalisiert, also auf die Allgemeinheit abgewälzt, wurden. Über das EEG ist viel geschimpft worden. Man sollte in dem Zusammenhang aber nie vergessen, dass die Subventionen für Atom- und Kohlekraft seit den 1950er Jahren um ein Vielfaches höher waren, zudem verdeckt mit den Steuergeldern beglichen wurden. Das ist intransparent und verzerrt das Gesamtbild. Ökostrom ist heute vielfach günstiger in der Produktion als konventioneller Strom. Die konventionelle Energie-Lobby ist nur weiterhin sehr mächtig, auch wenn das in der Öffentlichkeit nicht so präsent ist. 

Warum ist der Strom in unterschiedlichen Regionen dennoch mal teurer, mal billiger? 

Die wichtigsten Faktoren sind die Netzentgelte und die Konzessionsabgaben, die ortsabhängig sind und in unterschiedlicher Höhe anfallen. Da Energieversorger diese Posten meistens 1:1 weitergeben, spricht man auch von „Durchleitungsgebühren”. Die Netzentgelte werden vom jeweiligen Netzbetreiber erhoben, der den Preis für die Netznutzung bemisst. Viele Jahre waren die Netzentgelte in den neuen Bundesländern höher, was damit begründet wurde, dass die Netze dort instandgesetzt und erneuert werden mussten. Im Grunde ist das aber ein Systemfehler: So zahlen gerade die Bürger*innen in den Regionen, die viel erneuerbare Energien ausbauen, höhere Strompreise durch die Netzumlage, obwohl der Strom für ganz Deutschland produziert wird.

Ein weiterer nicht unerheblicher Bestandteil des Strompreises ist die Konzessionsabgabe, die je nach Einwohnerzahl zwischen 0,99 ct/kWh (unter 100.000 Einwohner) und 2,39 ct/kWh (über 500.000 Einwohner) divergiert. Die Konzessionsabgabe wird erhoben, um die Bauarbeiten an den Netzen zu finanzieren, beispielsweise wenn Straßen in einer Gemeinde ausgehoben werden müssen, um Stromleitungen zu verlegen etc. 
 

Das sind die weiteren Teile unserer Öko-Strom-Interviewreihe mit Prokon: 

Teil 1: Vom Umbruch zum Aufbruch im deutschen Strommarkt

Teil 3: Klimaschutz in Deutschland. Was uns noch fehlt für eine CO2-freie Stromversorgung

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Prokon stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare - wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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Die erste Teil unsere Interview-Reihe mit Achim Vogt von Prokon: Vom Umbruch zum Aufbruch im deutschen Strommarkt

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