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Christopher Street Day 2019: Mehr als nur eine Parade

Mit 1,2 Millionen Besuchern fand anlässlich des 50 jährigen Jubiläums die bisher größte CSD-Parade in Köln statt. Dabei waren Programm, Themen und Publiklum so bunt wie nie zuvor.

Christopher Street Day Köln 2019
Designelement

Mit 1,2 Millionen Besuchern fand anlässlich des 50 jährigen Jubiläums die bisher größte CSD-Parade in Köln statt. Dabei waren Programm, Themen und Publiklum so bunt wie nie zuvor.

08.07.2019 - ein Beitrag von Sophie Isabell Greife

CSD-Parade in Köln – mein Erfahrungsbericht

Diesen Sonntag war es wieder so weit, der Christopher Street Day (CSD) fand in Köln als Abschluss der zweiwöchentlichen Veranstaltungen rund um die LSBTIQ-Gleichberechtigung (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Inter und Queer) statt. Demnach war das CSD Wochenende vom 05.07. bis zum 07.07.2019 der krönende Abschluss der größten europäischen queerpolitischen Veranstaltungen. Unter dem Motto „50 Years of Pride. Viele. Gemeinsam. Stark.“, fanden die Festlichkeiten dieses Jahr zum 50sten Mal statt.

Kurz zu den Anfängen…

Seinen Anfang hatte die Demonstration wegen einer Polizei-Razzia in der New Yorker Christopher Street in der Schwulen-Bar „Stonewall Inn“. Dies war der Auslöser des weltweiten Widerstandes der Schwulen- und Lesbenbewegungen gegen die Drangsalierung durch Polizei und Behörden.

Die Rechte der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern stehen im Vordergrund, aber letzten Endes geht es hierbei nicht nur um sie, sondern auch um die Akzeptanz aller Menschen, unabhängig von Sexualität und Rasse. Dies soll beispielsweise mit den Mottos „Love wins“ oder „100% Human“ verdeutlicht werden.

Die Paraden finden in Deutschland inzwischen fast überall statt, allein in NRW stehen die Teilnehmer in 16 Städten für die Rechte ein. Dabei ist Köln die Hauptstadt des LSBTIQ-Lebens und wird inzwischen sogar von der Verwaltung unterstützt, die 500 Regenbogenflaggen an die Rheinbrücken anbrachte.

1,2 Millionen Besucher und kunterbuntes Programm

Insgesamt waren 148 Gruppen und rund 1,2 Millionen Besucher anwesend, wobei es sich um die bisher größte Parade in Köln handelt.

Aber auf der Parade gab es nicht nur kreative und originelle Kostüme zu bewundern, denn auf den drei Bühnen gab es, neben diversen musikalischer Darstellungen, ein breit gefächertes Programm. Auch Teil dessen war Zeitzeuge Sequoia, der am 28. Juni 1969 in der Christopher Street beim brutalen Übergriff gegen Schwule, Lesben und Drag Queens dabei war, der seine Erlebnisse schilderte. Denn als Reaktion auf diesen Polizeieingriff entwickelte sich ein fünftägiger Aufstand der heute als Grundstein für diese Gleichberechtigung gilt.

Die Parade war auch dieses Jahr wieder sehr politisch geprägt. Zusätzlich zu diversen Plakaten, die z.B. einen als Drag geschminkten Trump mit Aussagen wie „Love Trumps hate“ oder „Make America gay again“ abbilden, waren unterschiedliche politische Parteien anwesend, darunter auch die Grünen, die die festliche Demonstration mit eigenen Wägen unterstützten.

Beim Programm der Hauptbühne war ebenfalls die Politik ein Aspekt. So gab es eine Debatte, bei der unter anderem Katarina Barley (SPD) und Gregor Gysi (Die Linke) ihre Meinungen äußerten.

Auch klimapolitische Interessen vertreten

Doch auch klimapolitische Interessen wurden vertreten, denn unter anderem Schüler und Studenten unterstützten die „Friday for Future“-Bewegung und liefen bei der Gay Pride mit.

Nach Aussagen der Polizei war die Stimmung auf den Straßen ausgelassen und friedlich und ohne besondere Vorkommnisse. Eine Aussage die ich, als Zuschauer dieser Parade, so bestätigen kann.

Bewegende Geschichten

Aber wie war es sonst, abgesehen von kreativen Kostümen und einem guten Programm? Natürlich kann ich an dieser Stelle nur meine subjektive Meinung äußern, dennoch kann diese dabei helfen, einen Eindruck der Geschehnisse des gestrigen Tages zu bekommen.

Zu Beginn war ich unterwegs mit einer Gruppe von etwa fünf Leuten, die ich sowohl aus meiner Heimatstadt, als auch aus meinem Studium in Köln kannte. Dies blieb aber nicht lange so, denn sehr bald fanden wir eine Gruppe, der wir uns anschlossen und mit denen wir den Rest des Tages verbrachten. Mit unserer diversen Gruppe von Lesben, Schwulen, bi-, pan- und heterosexuellen und Transgendern, machten wir uns nach dem Umzug auf den Weg zur Schaafenstraße, dem schwulen Hotspot der Stadt.

Die Gespräche innerhalb dieser Gruppe waren ebenso vielseitig wie die darin vertretenen Sexualitäten. Das Gespräch, was mich am meisten beeindruckte, war mit Tom, einem Transmann, der mir von seinem Coming Out berichtete und den Schwierigkeiten, denen er dabei gegenüberstand von einer Frau zu einem Mann zu werden. Er komme aus einer dorfähnlichen Gegend, viele seien schockiert gewesen und haben ihn dies auch spüren lassen. Beim Feiern kamen einmal zwei Jungs auf ihn zu, der eine strich seine Haare zurück und sagte „Guck mal, das ist eigentlich ein Mädchen“. Und auch seine Freundin müsse den ein oder anderen dummen Kommentar ertragen.

In solchen Momenten sei es natürlich schwierig, aber er blicke auch auf positive Erinnerungen zurück „Nachdem ich mich geoutet habe und mit der Hormontherapie anfing, outeten sich weitere. Es war ein gutes Gefühl der Auslöser dafür gewesen zu sein.“

Auf meine zurückhaltende Nachfrage hin, hat er mir die großen Narben gezeigt, die unterhalb der Brust verlaufen. Diese sind die Folge einer Operation, bei der das Brustgewebe entfernt wurde. „Ich hätte die Operation auch in einem anderen Krankenhaus machen können, das sich auf Geschlechtsumwandlungen spezialisiert hat. Dort hätten sie es vermutlich geschafft, dass die Narben kleiner wären und sich auf die Brustwarzen beschränken, aber das hätte bedeutet, dass ich noch ein halbes Jahr hätte warten müssen. Das konnte ich einfach nicht mehr.“

Multikulti und international

Unter den Teilnehmern waren nicht nur Deutsche vertreten. Ich unterhielt mich unter anderem mit US-Amerikanern, Guatemalteken, Spaniern, Franzosen und einem taubstummen Kolumbianer, dessen Freund mehr oder weniger erfolgreich versuchte mich in die Grundsätze der Gebärdensprache einzuweihen.

Ein häufiges Gesprächsthema war das Coming Out. Jede der Geschichten war von vielen Gefühlen geprägt, sowohl positiv, als auch negativ. Obwohl so gut wie jeder meiner Gesprächspartner das Glück hatte, von Familien und Freunden unterstützt zu werden, waren andere weniger offen und waren diskriminierend.

Ausgehend von diesen Gesprächen wird umso deutlicher wie wichtig der Christopher Street Day für die queere Bewegung ist. Denn auch wenn LSBTIQ in Deutschland ein sehr offenes Thema ist und oftmals unterstützt wird, gibt es immer noch Diskriminierungen gegenüber „sexuell andersdenkenden“. Diese Art des „Andersseinkönnens“ ist in vielen Ländern keine Selbstverständlichkeit und auch wenn man in Deutschland keine Todesstrafe zu fürchten braucht, fehlt manch einem die Offenheit gegenüber diesem alltäglichen und in keiner Weise unnatürlichem Thema.

Mehr Politik und breitere Themen

Der CSD ist inzwischen zu mehr geworden als zu einer Parade, bei der für LSBTIQ-Rechte gekämpft wird, denn es ist nicht nur der Stolz darauf, so sein zu können wie man ist. Auch wenn der Fokus nach wie vor auf gleichen Rechten und Individualität liegt, wird auch der politische Teil immer relevanter. Denn auch durch das Mitlaufen der Fridays for Future Teilnehmer zeigt sich, dass Themen angesprochen werden, die alle etwas angehen.


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