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Nachhaltige Autoreifen – Wie gut sind die Öko-Räder wirklich?

Die Werbeversprechen der verschiedenen Autoreifen-Anbieter hören sich für dich alle gleich an? Wie du dich trotzdem für eine sicheres und vor allem nachhaltiges Produkt entscheiden kannst erfährst du hier.

Die Werbeversprechen der verschiedenen Autoreifen-Anbieter hören sich für dich alle gleich an? Wie du dich trotzdem für eine sicheres und vor allem nachhaltiges Produkt entscheiden kannst erfährst du hier.

16.01.2024 | Ein Beitrag von Linda Siepmann-Hücking | Bild: Louis Hansel, Unsplash

In einer Welt, in der auch der Straßenverkehr immer nachhaltiger werden soll, wird häufig ein entscheidender Faktor übersehen: die Wahl der richtigen Autoreifen. Die Werbeversprechen der gängigen Anbieter hören sich jedoch so ähnlich an, dass es dem Verbraucher schwer gemacht wird, sich in diesem Dschungel aus Marketingaussagen zurecht zu finden. Allerdings lohnt es sich hier genauer hinzuschauen, da auch unsere Autoreifen Einsparpotential bieten und dazu beitragen können, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.  

Probleme konventioneller Autoreifen

Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass die Herstellung konventioneller Autoreifen eine Reihe sozialer und ökologischer Nachteile mit sich bringt. Unter anderem wird für die Herstellung synthetischer Kautschuk benötigt, welcher auf Basis von Erdöl hergestellt wird.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil unserer Autoreifen ist Naturkautschuk, welcher unter anderem in Thailand und Kambodscha abgebaut wird. Die Arbeitskräfte vor Ort werden bei der Ernte des Kautschuks hochgiftigen Chemikalien ausgesetzt, darunter auch das in Europa längst verbotene Herbizid Paraquat. Die Arbeitenden tragen zur Ernte des Kautschuks lediglich eine Atemschutzmaske und Alltagskleidung, da den meisten nicht bewusst ist, dass das Pflanzengift auch über die Haut aufgenommen wird und Leber-, Nieren- und Herzschäden verursacht.

Neben den ohnehin schon untragbaren gesundheitlichen Risiken wirft auch die Entlohnung einen Schatten auf die Reifenindustrie. Thailändische Arbeiter bekommen nicht einmal den ohnehin schon geringen Mindestlohn und leben trotz schwerer täglicher Arbeit in ärmlichen Verhältnissen.


Bild: Julian Hochgesang, Unsplash

Nachhaltige Reifen

Angesichts der schwerwiegenden Probleme in der Reifenherstellung versuchen nun einige Hersteller, auf dem Markt die Situation sowohl für die Umwelt als auch für die Arbeiter*innen zu verbessern.

Michelin

Der renommierte Hersteller Michelin hat sich in Sachen Nachhaltigkeit ambitionierte Ziele gesetzt. So werben sie schon heute damit, bis 2050 CO2-neutral zu sein. Seit den 1960er Jahren hat das Unternehmen zudem etwa 30 Millionen LKW Reifen runderneuert. Michelin betont auf seiner Webseite außerdem die Verwendung nachhaltigen Kautschuks und die Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem WWF. Leider bleibt unklar, ob sich diese Bemühungen nur auf spezielle Reifen beziehen oder das gesamte Sortiment abgedeckt ist, da sich in den jeweiligen Produktbeschreibungen keine Angaben zur Materialzusammensetzung und dessen Herkunft finden lassen.

Wodurch Michelin aber gerade für den Verbraucher punkten kann: Laut einer Studie des ADAC haben die Michelin Reifen mit durchschnittlich 95 Gramm pro 1.000 Kilometer einen vergleichsweisen geringen Abrieb, was sie insgesamt langlebiger macht. 
Interessant ist vor allem der Michelin Energy Saver +* Sommerreifen. Durch die patentierte Gummimischung ECO’N’GRIP, eine spezielle Profilgestaltung und eine Untergummilage soll die Wärmeentwicklung am und im Reifen reduziert werden, was zu einer Kraftstoffeinsparung von bis zu 60 Litern im Vergleich zum Vorgängermodell führt.
Ebenfalls erwähnenswert ist der Michelin e.PRIMACY* Sommerreifen. Auch hier wird mit einem geringen Rollwiderstand und infolgedessen einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß geworben.

Goodyear

Interessant sind auch die Reifen des amerikanischen Konzerns Goodyear. Auch diese wurden in der ADAC Studie überprüft und konnten mit einem durchschnittlichen Abrieb von 107 Gramm pro 1.000 Kilometer ebenfalls überzeugen. Insbesondere der Efficient Grip Performance 2* Sommerreifen wird hier gelobt.
Zudem stellte der Konzern auf der Elektronikmesse CES (Consumer Electronics Show) einen Reifen vor, welcher zukünftig zu 90% aus umweltfreundlichen Materialien wie Sojaöl, Reishülsenabfälle, Polyester aus recycelten Flaschen und Stahl mit hohem Recyclinganteil bestehen soll. Besonders interessant ist hier der Einsatz von natürlichen Kiefernharzen, statt des üblich verwendeten Harzes auf Erdölbasis.
Bis zum Jahr 2030 hat sich das Unternehmen außerdem vorgenommen einen Reifen zu entwickeln, der zu 100% aus nachhaltigen Materialien besteht.

Pirelli

Das amerikanische Unternehmen Pirelli fiel mit einer absoluten Innovation auf. Es stellte den ersten Reifen vor, welcher aus FSC zertifiziertem Naturkautschuk und Zellwolle besteht. Durch die Zertifizierung soll sichergestellt werden, dass sowohl Umwelt als auch Arbeitskräfte durch den Abbau der Rohstoffe keinerlei Nachteile erfahren. Zudem soll durch den Reifen ebenfalls der Rollwiderstand verringert werden, wodurch der Kraftstoffverbrauch geringer ausfällt.
Allerdings handelt es sich bei dem beschriebenen Reifen um den PIRELLI P ZERO, welcher speziell für den BMW X5 xDrive45e Plug-in Hybrid entworfen wurde. Wie nachhaltig Hybridautos wirklich sind, bleibt fragwürdig.  

Continental

Auch der renommierte Hersteller Continental setzt auf nachhaltige Materialien in der Produktion, darunter Polyester aus recycelten Plastikfalschen und recycelten Stahl. Zudem wirbt das Unternehmen mit einer vollständigen Rückverfolgbarkeit ihrer Lieferkette für Naturkautschuk und versichert, dass entlang der gesamten Lieferkette keine Nachteile für Mensch und Umwelt entstehen. Durch die Unterstützung eines Forschungsprojektes zur Gewinnung von Naturkautschuk aus Löwenzahn engagiert sich das Unternehmen aktiv für die Etablierung von mehr Nachhaltigkeit in der Branche.

Im ADAC-Test schnitt der EcoContact 6* Sommerreifen in der Dimension 185/65 R15 mit einem Abrieb von 59g pro 1.000 Kilometer am besten ab. Das Manko des Reifens findet sich jedoch in seiner geringeren Sicherheit bei Nässe.

Reifen Hinghaus

Im Bestreben, den Ressourcen-Abbau nachhaltiger zu gestalten, bietet sich in der Reifenindustrie jedoch eine alternative Lösung: das Recyceln bereits produzierter Produkte. An dieser Stelle kommt die Reifen Hinghaus GmbH ins Spiel. Die meisten mögen vermuten, dass Reifen mit heruntergefahrenem Profil vollständig unbrauchbar sind, allerdings ist diese Abnutzung rein oberflächlich und betrifft lediglich 20% des gesamten Reifens. Das absurde daran: Die noch nutzbaren 80% des Reifens werden bei uns geschreddert und verheizt, während in Thailand und Kambodscha Arbeiter*innen für einen Hungerlohn massenweise neuen Kautschuk herstellen müssen.

Reifen Hinghaus verfolgt daher einen alternativen Ansatz. Hier werden heruntergefahrenen Reifen runderneuert, indem das alte Profil vollständig abgefräst und ein neues eingefräst wird. Zwar wird auch hier Kautschuk benötigt, allerdings etwa 70 bis 80% weniger als bei einer Neuherstellung.
Aufgrund der in Deutschland fehlenden gesetzlichen Recyclingpflicht für Reifen müssen die Altreifen dazu aus Frankreich und Spanien importiert werden.

Dennoch stellt der Kauf eines runderneuerten Reifens die nachhaltigste und kostengünstige Option für jeden Verbraucher dar. Dieser Ansatz macht vor allem deutlich, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit auch in der Automobilindustrie Hand in Hand gehen können.  


Bild: Robert Laursoo, Unsplash

Fazit

Die vorgestellten Labels setzen zum Großteil auf die Verringerung des Rollwiderstandes und die damit verbundene Langlebigkeit des Produktes. Einige verwenden zusätzlich nachhaltigen Kautschuk, während andere Unternehmen das Thema auf ihren Webseiten eher zu umgehen versuchen. Gerade bei der Suche nach Winterreifen sind Informationen über Nachhaltigkeit eher dürftig gesäht.

Auch wenn durchaus Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit seitens der Autoreifenhersteller zu erkennen sind, so sollte doch eher von nachhaltigeren als von nachhaltigen Autoreifen gesprochen werden.

Die Überprüfung der Umweltfreundlichkeit der Reifenhersteller und ihrer Produkte gestaltete sich insgesamt als herausfordernd. Dies mag daran liegen, dass viele Hersteller in der Automobilbranche ihre Kunden eher zögerlich dazu ermutigen, mehr über Nachhaltigkeitsaspekte nachzudenken, da hier offensichtlich Interessenkonflikte bestehen. Denn auch die Großkonzerne sind sich bewusst, dass das nachhaltigste Auto immer noch dasjenige ist, welches man nicht besitzt.

 

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