LifeVERDE: Frau Nordmann, wie sieht der Lebenszyklus unserer Handys aus?
Julia Nordmann: Die Lebenszyklusphasen eines Mobiltelefons gehen von der Rohstoffgewinnung einzelner Metalle und Kunststoffe ĂŒber die Produktion, Nutzung und Entsorgung des GerĂ€tes. Bei der Rohstoffgewinnung wird die Gewinnung und Herstellung der Grundmaterialien z.B. der Abbau, die VerhĂŒttung und Aufbereitung von Metallen, die Rohölgewinnung sowie die Kunststoffproduktion betrachtet. Auch alle Transporte, die mit den vorherigen TĂ€tigkeiten verbunden sind, werden berĂŒcksichtigt. Zu der Produktion gehört die Herstellung der Komponenten, der Zusammenbau des Mobiltelefons, die Herstellung der Verpackung und alle notwendigen Transporte. Mit der Nutzung ist das Telefonieren, SMS schreiben, mobil im Internet surfen, Spiele spielen, Videos ansehen usw. gemeint. Mögliche notwendige Reparaturen flieĂen auch ein.
Bei der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus des Mobiltelefons zeigt sich, dass in der Phase der Rohstoffgewinnung – mit 47 Prozent - der höchste Ressourcenbedarf anfĂ€llt und das obwohl einige der Metalle als sogenannte SekundĂ€rmetalle (recycelte Metalle) anteilig angenommen wurden. Zweitwichtigste Phase ist die Nutzung des Mobiltelefons. Sie macht rund 42% des gesamten „ökologischen Rucksacks“ aus. Die Verarbeitung fĂ€llt mit 11% weniger ins Gewicht als die Nutzung. Am wenigsten wird in der Entsorgungsphase an Ressourcen aufgewendet (0,1%).
Wie werden unsere Handys hergestellt? Was ist dabei so gefÀhrlich?
Ein Mobiltelefon besteht aus zahlreichen verschiedenen Materialien wie z.B. Metallen, Kunststoffen, Glas und Keramik. Die Rohstoffe fĂŒr diese Materialien werden auf der ganzen Welt produziert, wobei sich die Bedingungen, unter denen dies geschieht, von Land zu Land stark unterscheiden. Soziale Probleme treten unter anderem bei der Förderung einiger Metalle in Entwicklungs- und SchwellenlĂ€ndern auf. WĂ€hrend im Metallabbau insgesamt industrieller Bergbau dominiert, wird bei einigen Metallen, wie beispielsweise Tantal, Gold und Zinn, auch ein bedeutender Teil handwerklich von KleinschĂŒrfern gewonnen, z.B. in Zentralafrika oder Asien. Diese KleinschĂŒrfer arbeiten und leben oft unter besonders schwierigen Bedingungen. Sie haben sehr niedrige Einkommen und können von ihren Verdiensten meist nur von Tag zu Tag ĂŒberleben, wodurch sie keinerlei soziale Sicherheit haben. Die Arbeitsbedingungen in den Minen sind sehr gefĂ€hrlich, da oft alte, ungesicherte Minen genutzt werden. HĂ€ufig kommt es zu UnfĂ€llen, aber auch zu GesundheitsschĂ€den durch Staub, DĂ€mpfe, Ăberanstrengung, schlechte BelĂŒftung und fehlende Schutzkleidung. Durch SicherheitsmĂ€ngel kam es in der Vergangenheit immer wieder es zu schweren und tödlichen UnfĂ€llen. Auch Kinderarbeit ist im handwerklichen Metallabbau verbreitet.
Wie sieht es in den ProduktionsstÀtten in Asien aus?
Extrem lange und unregelmĂ€Ăige Arbeitszeiten sowie regelmĂ€Ăige Ăberstunden sind typisch in der Elektronikindustrie. Ăberstunden werden teilweise erzwungen, teilweise aber auch freiwillig abgeleistet, da die Einkommen so niedrig sind, dass nur durch sehr lange Arbeitszeiten ausreichende Löhne erzielt werden können. Oft werden diese Ăberstunden aber nicht angemessen bezahlt. Es kommt auĂerdem zu betrĂ€chtlichen LohnabzĂŒgen, zum Beispiel fĂŒr Verpflegung und Unterkunft in FabrikschlafsĂ€len, aber auch als Strafen z.B. fĂŒr Sprechen bei der Arbeit, zu hĂ€ufiges Aufsuchen der Toiletten oder ZuspĂ€tkommen.
In der Elektroindustrie werden in China groĂe Zahlen von Leih- und Zeitarbeitern eingesetzt, deren Arbeitsplatzsicherheit und soziale Absicherung gering ist, denn der Zugang zu Sozialsystemen wie einer Krankenversicherung oder einem Schulplatz fĂŒr die Kinder besteht in China nur am Geburtsort. Systematische Diskriminierung im Einstellungsverfahren sowie hinsichtlich der Bezahlung gehören zur alltĂ€glichen Praxis. Einstellungsbedingungen beinhalten Kriterien wie Geschlecht, Alter, KörpergröĂe und etwaige gesundheitliche Beschwerden. Es werden bevorzugt junge Frauen, hĂ€ufig Wanderarbeiterinnen, eingestellt, da sie die niedrigsten Löhne erhalten.
In der Herstellung von Mobiltelefonen werden zahlreiche toxische Chemikalien verwendet. Die BeschĂ€ftigten sind diesen Gefahrenstoffen teilweise schutzlos ausgesetzt, da sie diesbezĂŒglich kein Sicherheitstraining oder angemessene Schutzvorrichtungen erhalten. Folgen des hĂ€ufigen Chemikalienkontakts können z.B. Krebs, Atemwegserkrankungen, Hautirritationen, LeberschĂ€den, Fehlgeburten und SchĂ€digungen ungeborener Kinder sein. Auch weitere Produktionsbedingungen wie monotone BewegungsablĂ€ufe, LĂ€rm und die Fertigung von Kleinstteilen fĂŒhren zu Beschwerden, z.B. zu Nacken- und RĂŒckenschmerzen, Augenbelastung, GehörschĂ€den und Schwindel. Durch die langen Arbeitszeiten werden solche Beschwerden verstĂ€rkt und das Risiko von Verletzungen und UnfĂ€llen erhöht.
Wie können wir unter dem Nachhaltigkeitsaspekt den Umgang mit unseren Smartphones Àndern?
Ressourceneffizienzpotenziale lassen sich durch eine lĂ€ngere Nutzungsdauer realisieren. Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Handys liegt heute bei nur 18 bis 24 Monaten, obwohl die meisten GerĂ€te noch lĂ€nger funktionieren wĂŒrden. Es zĂ€hlt also nicht allein die Langlebigkeit und Robustheit eines Mobiltelefons, sondern auch der eigene Umgang, weil sich jeder mit der nĂ€chsten VertragsverlĂ€ngerung ein neues Handy subventionieren oder „schenken“ lassen kann. Ein groĂes Einsparpotenzial liegt zudem in der Ausstattung und der „Allround-FĂ€higkeit“ von Smartphones, wenn andere GerĂ€te mit Ă€hnlichen Funktionen (Kamera, NavigationsgerĂ€t, MP3-Player, etc.) dadurch abgelöst und somit der Konsum insgesamt durch weniger GerĂ€te reduziert werden kann.
Umweltfreundliche Mobiltelefone gibt es bisher noch wenige. Die deutschen Anbieter begrĂŒnden dies mit fehlender Nachfrage. Dabei sind die Möglichkeiten zu umweltgerechterer Konstruktion und Nutzung vielfĂ€ltig. Angefangen von GehĂ€usebauteilen aus Recyclingmaterialien ĂŒber energiesparende Displays, reduzierter Papierverbrauch durch eingesparte Betriebsanleitungen -die Anleitung wird dann auf dem Mobiltelefon gespeichert -, wasserbasierte Lackierungen und energiesparende Netzteile bis hin zu einer verbesserten Entsorgung. Vor allem ist aber auch die Austauschbarkeit einzelner Komponenten sehr wichtig, wenn z.B. die Kamera nicht mehr funktioniert und sich diese leicht austauschen lĂ€sst, muss nicht direkt ein komplett neues Smartphone gekauft werden, nur damit wieder alle Funktionen verfĂŒgbar sind.
Wo können alte Mobiltelefone abgeben werden?
Die meisten bleiben in den Schubladen liegen, viele werden an Freunde oder Verwandte weitergegeben oder weiterverkauft - manche landen leider auch im HausmĂŒll. Nur einige werden recycelt. Dabei nehmen sowohl Mobilfunkanbieter sowie Recyclinghöfe die alten GerĂ€te gerne an. Die groĂen Netzbetreiber nehmen AltgerĂ€te per Post oder direkt im GeschĂ€ft zurĂŒck. Dazu können die Kunden portofreie VersandumschlĂ€ge im Internet anfordern oder im Handy-Shop abholen. Auch in den kommunalen Abfallsammelstellen können sie kostenlos abgegeben werden. Die Standorte der Recyclinghöfe erfĂ€hrt man bei der örtlichen Stadtreinigung. Von dort gehen die GerĂ€te an die Hersteller oder Recyclingunternehmen, die fĂŒr eine umweltgerechte Entsorgung oder Wiederaufbereitung sorgen. Dasselbe gilt fĂŒr die alten Akkus.
Wie können wir den Energieverbrauch unserer Smartphones senken?
Der Energieverbrauch in der Nutzungsphase kann stark durch das Konsumentenverhalten beeinflusst werden. Ein Mobiltelefon verbraucht sogar Energie, wenn keine Verbindung aufgebaut ist. Man nennt diesen Zustand auch „Idle“. Schaltet man das Mobiltelefon nachts aus, spart man Energie. Ăhnlich ist es mit dem LadegerĂ€t: es verbraucht Energie, wenn es in der Steckdose steckt, auch wenn es das Mobiltelefon gerade nicht auflĂ€dt. Durch das rausziehen des LadegerĂ€ts könnte man bis zu 20% des gesamten Energieverbrauchs in der Nutzungsphase sparen. Die Lebensdauer und die Leistung eines Mobiltelefon-Akkus kann dadurch verbessert werden, indem beispielsweise die jahreszeitlichen Schwankungen des Wetters - also extreme Bedingungen in Winter (groĂe KĂ€lte) und Sommer (starke Sonneneinstrahlung) beachtet werden und das Mobiltelefon davor geschĂŒtzt wird. Dadurch hĂ€lt der Akku lĂ€nger und es mĂŒssen weniger Akkus produziert werden, auch das spart Energie.