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„Wir brauchen eine Entkopplung unseres Wachstums von dem heute noch damit einhergehenden Ressourcenhunger.

Im Interview: Prof. Dr. Maximilian Gege. Vorsitzender B.A.U.M. e. V. zum 30-jährigen Jubiläum und den aktuellen Herausforderungen.

Im Interview: Prof. Dr. Maximilian Gege. Vorsitzender B.A.U.M. e. V. zum 30-jährigen Jubiläum und den aktuellen Herausforderungen.

UHS.de: Herr Prof. Dr. Gege, wie würden Sie den Status quo nachhaltiger Unternehmen in Deutschland beschreiben?

PROF. DR. MAXIMILIAN GEGE: Nachhaltige Unternehmen beziehen das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung  in jede Ebene der Unternehmensführung mit ein.  In Deutschland wird Nachhaltigkeit langsam zu einem festen Bestandteil der Unternehmensführung, es gibt aber noch viel zu tun.

Erst kürzlich interviewten wir auf UHS.de den Erfinder des Wirtschaftskonzeptes "Cradle to Cradle", Prof. Braungart. Wie stehen Sie zu Cradle to Cradle?

Der Weg zu Cradle to Cradle, das Prof. Braungart seit Jahren geht, stimmt mit meinem Verständnis von absoluter Nachhaltigkeit überein. Eine gegenseitige Freundschaft und Zusammenarbeit verbindet Prof. Braungart und B.A.U.M seit Jahren. Cradle to Cradle ist für mich ein wichtiges Konzept für eine nachhaltige, erfolgreiche Wirtschaft. Dies ist allerdings noch ein weiter Weg und bis dahin müssen wir Kompromisse in die richtige Richtung machen.

Finden Sie die Definition der Nachhaltigkeit der Brundlandt-Kommission der Vereinten Nationen von 1987 noch zeitgemäß oder könnte man sie aus Ihrer Sicht noch erweitern bzw. optimieren?

Die Definition der Brundlandt-Kommission war 1987  visionär.  Das war aber vor 27 Jahren. Nachhaltige Entwicklung als eine „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“, lässt reichlich Interpretationsspielraum.

Generationsgerechtigkeit allein  im Sinne einer Problembegrenzung ist nicht genug. Angesichts der weltweiten systematischen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen muss Nachhaltigkeit so kommuniziert werden, dass wir der  nächsten Generation eine bessere Welt schuldig sind.


Nachhaltigkeit propagiert oftmals auch Verzicht und fordert die Menschen auf, entgegen ihres urtümlichen Verhaltens zu handeln, macht das Sinn?

Nachhaltigkeit ist ein Verzicht auf ineffiziente Systeme gleichzeitig aber  bringt ein Plus an Technologien, Produkten und Dienstleistungen die Umwelt-, sozial und ökonomisch verträglich sind.  Hier sieht  B.A.U.M. ein enormes Wachstumspotenzial in vielen Bereichen.   

Der Begriff Nachhaltigkeit ist seit einigen Jahren in aller Munde, wird teilweise inflationär und umgangssprachlich gebraucht. Dennoch ist nicht festzustellen, dass die Mehrheit der Unternehmen Nachhaltigkeit als richtungsweisende Vision sondern eher als Kostenfaktor sehen. Was muss sich also Ihrer Ansicht nach in der Wirtschaft ändern, damit das Verantwortungsbewusstsein für das unternehmerische Handeln größer wird?

Nachhaltigkeit wird leider immer noch gern als Beruhigung für das kollektive schlechte Gewissen unserer Gesellschaft missbraucht. Selbsternannte Nachhaltigkeitsexperten drehen das Wörtchen „nachhaltig“ solange durch den Fleischwolf der PR-Abteilungen und verwursten es mit „grün“, bis kaum etwas vom ursprünglichen Sinn übrig bleibt – außer dem guten Image. Aus dem Widerspruch kommt man dann  heraus, wenn man  beispielsweise von „qualitativem Wachstum“ spricht, das sich anders als der Begriff „Wirtschaftswachstum“  nicht an der Produktion von Waren und Dienstleistungen bemisst.

B.A.U.M. e.V. feiert dieses Jahr sein 30 jähriges Jubiläum. Wie muss sich Ihr Arbeitskreis aufstellen, damit die nächsten dreißig Jahre ähnlich erfolgreich werden?

Die Aufgabe der nächsten 30 Jahre besteht darin, eine stärker regenerative Wirtschaft- und Gesellschaftsform zu organisieren: eine Gesellschaft, die Ihre Energie aus erneuerbaren Quellen speist und ihre CO₂-Emissionen und ihren Ressourcenverbrauch auf ein Minimum beschränkt. Eine Gesellschaft, die weder auf Kosten der Natur noch der nachfolgenden Generationen lebt. Wir brauchen eine Entkopplung unseres Wachstums von dem heute noch damit einhergehenden Ressourcenhunger. Diese Transformation ist eine gewaltige Aufgabe. Gut, dass aus dem zarten Pflänzchen von damals ein stattlicher B.A.U.M. geworden ist.

Sie haben bereits vor langer Zeit das Berufsbild des Umweltberaters konzipiert. Bitte beschreiben Sie dieses kurz und erzählen uns welche Motivation dahinter steckte.

Es gab Finanz-Anlage-Steuerberater, aber keine Berater zum Schutz der Umwelt und gleichzeitig Nutzung der beträchtlichen Chancen durch ein umweltbewusstes – heute nachhaltiges Wirtschaften. Ich wollte deshalb ein neues Berufsbild etablieren, dass sehr schnell in Deutschland, dann mit Unterstützung der EU Kommission – auch in Europa gelungen ist. Die Umweltberater arbeiten ganzheitlich, beschäftigen sich somit mit allen Facetten des menschlichen Tuns und erarbeiten konkrete Lösungen für private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand. Nach meinem Konzept, das vielfach angewendet wurde, gibt es heute ca. 5000 Umweltberater in Deutschland und ca. 10.000 in Europa.

 

Die beiden Bereiche „Leben und Arbeiten“ verschmelzen immer mehr miteinander. Die Zielgruppe der LOHAS, die sich einem nachhaltigem „Lifestyle“ widmet, wächst bereits seit Jahren. Wagen Sie einen Ausblick in die Zukunft: Werden die Menschen Ihren Job künftig stärker hinterfragen und sich im Berufsleben bewusst für mehr gesellschaftliche Verantwortung einsetzen?

Hier hat sich bereits in den letzten 30 Jahren eine Menge getan. In weiten Teilen der Bevölkerung existiert heute eine Grundaufgeklärtheit über Umweltfragen  und die Konsequenzen unseres Tuns und Lassens. Eine wachsende Zahl von Konsumenten ändert ihr Kaufverhalten und hinterfragt kritisch Qualität und Herstellungsbedingungen von Produkten. Dies hat auch Einfluss auf die Suche und Auswahl einer passenden Tätigkeit. Warum für ein Unternehmen arbeiten, die dieses Umdenken selber nicht vollzogen hat? Vor allem junge Menschen und Mitarbeiter reflektieren verstärkt die zunehmenden Risiken einer nicht-nachhaltigen Entwicklung und suchen nach Alternativen im Beruf wie auch im Leben. Und klar ist: Anerkannte Unternehmen mit nachhaltiger Ausrichtung haben es leichter qualifizierte MitarbeiterInnen zu finden, mit entsprechend hoher Motivation.




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