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Unternehmen zu helfen, ihre Geschäftsmodelle zu innovieren, das ist die Aufgabe des BMI Lab, des Instituts für Technologiemanagement der Universität St.Gallen

Ein Interview mit Felix Hofmann, dem Geschäftsführer der BMI Lab AG.

Ein Interview mit Felix Hofmann, dem Geschäftsführer der BMI Lab AG.

19.03.2014 - Bild: Felix Hofmann Vortrag

UHS.de: Herr Hofmann, Sie sind Geschäftsführer der BMI Lab AG an der Universität St. Gallen. Was genau machen Sie und Ihr Team?

FELIX HOFMANN: Das BMI Lab steht für Business Model Innovation Lab. Das BMI Lab ist eine Spin-off des Instituts für Technologiemanagement der Universität St.Gallen. Unsere Kernaufgabe ist es, etablierten Unternehmen zu helfen ihre Geschäftsmodelle zu innovieren.

Sie konzentrieren sich bei den Innovationen von Geschäftsmodellen auf drei Gebiete. Welche sind das und warum genau diese drei?

Zum einen forschen wir weiter auf dem Gebiet der Geschäftsmodellinnovation. Unsere Erkenntnisse gehen dann sowohl in die Lehre als auch in Beratungsprojekte mit Unternehmen ein. Die grösste Herausforderung, das hat unsere Forschung auf dem Gebiet ergeben, ist es für etablierte Unternehmen die dominante Branchenlogik zu durchbrechen. Unser Ansatz ist es Branchen mit völlig neuen Geschäftslogiken zu konfrontieren. Die Frage könnte z.B. sein: Wie würde das Geschäftsmodell eines Energieversorgers aussehen, wenn er die Logik von Ryanair anwendet, oder von Nespresso, oder, oder, oder. Wie reden hier von Geschäftsmodellmustern. Das Geschäftsmodellmuster von Nespresso heisst übrigens„Razor and Blade“ und ist das gleiche Muster welches auch Gillette für Rasierklingen oder HP für Druckerpatronen anwendet. Diese Muster waren eine Erkenntnis aus unserer Forschung, welche wir jetzt erfolgreich in Lehre und Beratungsprojekten anwenden.

Was würden Sie sagen, sind die wichtigsten Kriterien für ein erfolgreiches Geschäftsmodell?

Ein erfolgreiches Geschäftsmodell muss zuerst einen Wert für den Kunden schaffen. Dieser Wert muss entweder sehr gross sein, oder die Hürde für den Kunden den Wert zu erfahren muss sehr niedrig sein. Das zweite Kriterium ist, wie einzigartig das Wertversprechen für den Kunden ist. Das dritte wichtige Kriterium ist, ob sich der Kunde binden lässt. Fast jedes Geschäftsmodell hat das Ziel einen Lock-in beim Kunden zu erzeugen. Diesen Lock-in muss man jedoch so erzeugen, das sich der Kunde nicht zu sehr eingeschränkt fühlt, da sich sonst der Wert für den Kunden wieder verringert.


Macht es für Firmen Sinn, eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln oder meinen Sie, dass weltweit ausreichend funktionierende Geschäftsmodelle existieren und Unternehmen diese einfach nur auf ihren Betrieb anpassen und implementieren müssen?

Unser Ansatz ist ja genau der, dass man viele bereits erfolgreiche Geschäftsmodelle als Vorlage für seine eigene Strategie verwenden kann. Interessanter Weise funktionieren die meisten Geschäftsmodellmuster in verschiedenen Branchen. Ein Beispiel: IKEA hat das Geschäftsmodellmuster „Self-service“ für Möbel perfekt umgesetzt. Das Modell funktioniert aber auch bei Backwerk, wobei die gleiche Logik auf Backwaren angewendet wurde. Das Anpassen und Implementieren ist jedoch in der Praxis die grosse Herausforderung. Welche Prozesse muss ich ändern, wenn ich ein neues Geschäftsmodell umsetzen will? Entwickle ich das Modell parallel oder ersetze ich mein bestehendes Geschäft durch das neue Geschäftsmodell? Welche Ressourcen muss ich aufbauen und welche Teile meiner Leistung sollte ich von Partnern und Lieferanten beziehen. Allgemeingültige Antworten darauf gibt es nicht. Ich muss das ganze immer einzelfallspezifisch und iterativ entwickeln.

Märkte verändern sich in einer globalisierten Welt fast täglich. Wie oft und wann müssen daher Geschäftsmodelle angepasst werden?

Wer sehen dass Geschäftsmodellinnovationen in den letzten 20 Jahren massiv zugenommen haben. Neue insbesondere disruptive Technologien ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Die Bezeichnung und die Denke in Geschäftsmodellen wurde übrigens massiv durch die Digitalisierung und das Internet getriggert. Wurden zu Zeiten des Web 1.0 nur wenige Industrien durch das Internet gezwungen ihre Geschäftsmodelle zu hinterfragen, so werden durch das Mobile Internet und das Internet der Dinge die Geschäftsmodelle ganz neuer Branchen herausgefordert. Je schneller sich die technologischen Möglichkeiten verändern, desto kurzlebiger werden auch die Geschäftsmodelle. Startups, die vor wenigen Jahren noch als Stars gefeiert wurden müssen ebenfalls Ihre Geschäftsmodelle permanent hinterfragen um nicht den Anschluss zu verlieren – man denke nur an Beispiele wie MySpace, Flickr oder eBay. Und dies gilt für immer mehr Unternehmen und Branchen, da immer mehr Unternehmen sich in digitale Geschäfte verwandeln.

Welche Branchen haben Ihrer Meinung nach die perfektesten Geschäftsmodelle und warum?

Perfekt ist natürlich kein Geschäftsmodell, da jedes einem Lebenszyklus unterliegt. Dennoch gibt es Geschäftsmodelle, die es der Konkurrenz sehr schwierig machen. Die besten Geschäftsmodelle haben daher Unternehmen, die sich in Winner-takes-it-all-Märkten durchgesetzt haben. Neben Google hat es beispielsweise jede weitere Suchmaschine enorm schwer – egal wie gut sie ist. Gleichzeitig hat es Google+, das Social Network von Google, sehr schwer sich neben Facebook zu etablieren. Diese Geschäftsmodelle sind oft Plattformen, welche Ihre Leistung kostenlos anbieten und entweder ein Freemium-Geschäftsmodell haben oder ein Hidden-Revenue-Modell verwenden. In beiden Fällen zahlt der gemeine Nutzer nichts für den Service.

Die Einführung eines neuen Geschäftsmodells kann für ein etabliertes Unternehmen mit enormen Risiken verbunden sein. Wie sollte daher eine solche Implementierung optimalerweise angegangen werden?

Es ist in der Tat ein enormes Risiko. Dies braucht man nicht kleinreden. Wenn es kein Risiko wäre, dann würden wir nicht von Geschäftsmodellinnovation sprechen: Denn Geschäftsmodellinnovation heisst immer mehrere Aspekte einer Geschäftslogik gleichzeitig zu verändern und mit Gewohnheiten zu brechen. Gleichwohl gibt es Strategien das Risiko zu minimieren und zu steuern. Wichtig ist, das zeigen mehrere Studien, die Unterstützung vom Top-Management, von Anfang an. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die frühzeitige Einbeziehung von Externen – d.h. insbesondere von Kunden. Change Management ist ein weiteres Feld, da neue Geschäftsmodelle Veränderungen sind, die bei Mitarbeitern unterschiedliche Gefühle und Reaktionen auslösen. Um das finanzielle Risiko zu gering zu halten bietet es sich an, neue Lösungen mit möglichst einfachen Tests zu validieren, bevor grosse Investments gemacht werden.

Würden Sie sagen, dass die Geschäftsmodelle "nachhaltiger Unternehmen" andere sind als die von Unternehmen, bei denen noch immer das Streben nach Gewinn an vorderster Stelle steht?


Die Geschäftsmodelldenke verfolgt nicht das Mantra der Gewinnmaximierung. Unsere Methodik kann grundsätzlich jedes Unternehmen anwenden. Insgesamt haben wir ja 55 verschiedene Geschäftsmodellmuster identifiziert, von denen einige wie z.B. Open Source, Target The Poor oder Robin Hood eher für nachhaltige Unternehmen relevant sind als vielleicht andere Muster.

Gibt es ein paar spannende Projekte am BMI, die Sie dieses Jahr beschäftigen werden?


Vom 19. Bis zum 21. Mai führen wir wieder unseren Cross Industry Workshop zur Geschäftsmodellinnovation in St.Gallen durch. Die Idee ist dabei verschiedenste Unternehmen zusammen zu bringen und gemeinsam an neuen Geschäftsmodellen zu arbeiten. Das funktioniert erstaunlich gut und hilft den Unternehmen ihre jeweils dominante Branchenlogik zu überwinden. Um sich neue Geschäftsmodelle auszudenken ist paradoxer Weise zu viel Branchenwissen eher hinderlich und eine gewisse Blauäugigkeit von Vorteil. Wenn man gemeinsam mit anderen Unternehmen, welche aus völlig anderen Branchen kommen, an einem Tisch sitzt und Ideen entwickelt ist es daher viel wahrscheinlicher auf radikale Ideen zu stossen.

Angaben zur Person

Felix Hofmann, Geschäftsführer BMI Lab AG

Email: fh@bmi-lab.ch

Web: www.bmi-lab.ch




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