Politik, Kultur & Wissenschaft

Kleine Schritte – große Ziele

Innovation und Digitalisierung: Wie werden wir uns in Zukunft ernähren?

Innovation und Digitalisierung: Wie werden wir uns in Zukunft ernähren?

22.07.2017 - Gastbeitrag: Dr. Alexandra Hildebrandt

800 Millionen Menschen sind weltweit unterernährt, die meisten davon sind Bauern. Wir benötigen dringend andere Geschäftsmodelle, „mit denen die 1,3 Milliarden Kleinbauern weltweit eine nachhaltige Perspektive haben“ Die Zukunft der Ernährung, sagte Alexander Müller, Leiter der globalen Studie des UN-Umweltprogramms über „The Economics of Ecosystems and Biodiversity for Agriculture and Food“ und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), Ende Mai auf der 17. Jahreskonferenz des RNE.             

Im Februar 2016 beschloss die Bundesregierung ihr Nachhaltigkeitsprogramm, das auf dem UN-Fortschrittsbericht zu den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) aufbaut, deren Ziele das umfangreiche Spektrum der Bedürfnisse von Mensch, Umwelt und Wirtschaft abdecken: von der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern, Bildung und Gesundheit, Frieden, Gerechtigkeit, dem Kampf gegen Armut, über den Klima- und Artenschutz bis hin zu nachhaltigem Konsum und einer verantwortungsvollen Wirtschaft.

So wie das Essen derzeit produziert und konsumiert werde, seien die Klima- und Nachhaltigkeitsziele „nicht zu schaffen“, die sich die Weltgemeinschaft vorgenommen hat – zumal die Weltbevölkerung weiter wächst. Das betonte Alexander Müller auf der RNE-Jahreskonferenz im Mai. Dabei gibt es genügend Modelle für nachhaltige Agrarwirtschaft. Felix Prinz zu Löwenstein, Bio-Bauer und Vorstandsvorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) betonte, dass wir nur anfangen mit etwas anfangen müssen, „von dem wir wissen, wie es geht.“

Aufgabe der Politik sei es beispielsweise, dies durch eine Pestizidabgabe oder das Steuerrecht zu lenken. Auch müsse sie dafür sorgen, dass weniger Fleisch gegessen wird, denn die Fleischproduktion erfolgt immer mehr industriell in Massentierhaltungssystemen, zudem erfordert die Haltungsform den Einsatz enormer Mengen von Antibiotika.

Der WWF hat nachgerechnet, dass in Deutschland jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll landen. Deshalb sollte die Politik auch hier einen wirksamen Beitrag leisten. Staatliche Information und Anreize werden aber nicht nur im Rahmen eines bewussten Konsumverhaltens benötigt, sondern auch beim Energiesparen und der Mitgestaltung großer Infrastrukturprojekte, die mit Verhaltensänderungen der Gesellschaft einhergehen und individuelle Teilhabe erfordern.

Die Umsetzung der Sustainable Development Goals und die Rolle der Wissenschaft

Klimawandel und Fragen der Welternährung gehören zu den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Zu ihrer Bewältigung können auch Innovationen – die institutioneller Voraussetzungen bedürfen - einen wichtigen Beitrag leisten. Deshalb will Bundesforschungsministerin Johanna Wanka die Wissenschaft künftig stärker an der Umsetzung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beteiligen. Dafür hat sie Anfang Mai beim FONA-Forum in Berlin, der nationalen Konferenz zu Forschung für Nachhaltigkeit, die neue Wissenschaftsplattform „Nachhaltigkeit 2030“ vorgestellt. Diese soll als Forschungsverbund, Think-Tank und Dialogforum entsprechende Empfehlungen erarbeiten.

Die Plattform setzt sich aus 26 führenden Vertretern aus Wissenschaft und Gesellschaft zusammen. Aus Themen wie Landnutzung und Ernährung, nachhaltiger Konsum und Produktion, Zukunft der Arbeit in der Digitalisierung oder Urbanisierung werden nun zunächst Bereiche ausgewählt, mit welchen die breite Öffentlichkeit zum Handeln bewegt werden kann.

„Digitalisierung der Gesellschaft im Allgemeinen sowie Industrie 4.0 im Speziellen haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir in Deutschland konsumieren und produzieren, grundlegend zu verändern“, sagt Univ.-Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI und Inhaberin des Lehrstuhls Innovations- und TechnologieManagement iTM am Karlsruher Institut für Technologie KIT, die im April 2017 in den Lenkungskreis der Sustainable Development Goals (SDG)-Wissenschaftsplattform "Nachhaltigkeit 2030" der Bundesregierung berufen wurde.

Univ.-Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl (Foto; Franz Warmhof)

Diese Plattform ist Teil der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Ausgangspunkt der im April 2017 von der Bundesregierung gegründeten Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 sind die Zielkonflikte zwischen legitimen Ansprüchen und Nachhaltigkeitszielen. Die Plattform dient als Forschungsverbund, Think-Tank und Dialogforum. Sie setzt sich aus 26 führenden Vertretern aus Wissenschaft und Gesellschaft zusammen.

Zu ihrer Hauptaufgabe gehört es, die Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen wissenschaftlich zu begleiten und Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wird die Überzeugung der internationalen Staatengemeinschaft ausgedrückt, dass sich die globalen Herausforderungen nur in Gemeinschaft lösen lassen. Grundlage dafür ist die Agenda 2030, die im September 2015 auf einem Gipfel der Vereinten Nationen von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde. Sie ist für alle Staaten dieser Welt gültig.

Die Innovationsexpertin, die am 8. Mai 2017 am 1. Lenkungskreissitzung SDG „Nachhaltigkeit 2030" der Bundesregierung teilnahm, beschreibt nachfolgend, worauf es jetzt ankommt: „Um die Umsetzung der Sustainable Development Goals voranzubringen, erscheint es insbesondere wichtig, die verschiedenen Handlungsoptionen nach Effektivität zu priorisieren. Ein Nebeneinander von gleichrangigen Optionen birgt die Gefahr der vollständigen Handlungsunfähigkeit. Daher sollten die verschiedenen Maßnahmen nach Relevanz und Effektivität bewertet werden. Basis dafür sind zunächst differenziertere Indikatoren. Da es sich um hoch komplexe Zusammenhänge handelt sind zusätzlich Modelle wichtig, um Handlungswirkungen abschätzen zu können.

 

Quellen und weitere Informationen:

Hans R. Herren: So ernähren wir die Welt. Rüffer & Rub Sachbuchverlag GmbH, Zürich 2016.

Persönlichen Gestaltungsspielraum ausbauen. Interview mit Fraunhofer ISI-Chefin Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl von Ruth Lemmer. In: PERSONALquarterly 1 (2016), S. 6-9.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen (mit Claudia Silber) Amazon Media EU  S.à r.l. Weitere Informationen: https://www.amazon.de/dp/B01MU32IN3/ref=cm_sw_em_r_mt_dp_.G7wyb9RHN167

 

Zur Autorin:

Dr. Alexandra Hildebrandt ist Publizistin, Nachhaltigkeitsexpertin und Co-Gründerin der Initiative www.gesichter-der-nachhaltigkeit.de. Weitere Informationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Alexandra_Hildebrandt_(Publizistin)

Dr. Alexandra Hildebrandt (Foto: Steffi Henn, http://www.auf-ein-wort.org/)

Kontakt:

Twitter: @AHildebrandt70

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