News & Tipps

Der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau über veganen Ökolandbau

INTERVIEW | Der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. steht für ein neue Form der umweltschonenden Landwirtschaft. Hier erfährst du alles, was du darüber wissen musst.

INTERVIEW | Der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. steht für ein neue Form der umweltschonenden Landwirtschaft. Hier erfährst du alles, was du darüber wissen musst.

30.11.2022 | Ein Interview geführt von Luisa Bremer | Bild: Maarten van den Heuvel, pexels

Welche Lebensmittel kann ich guten Gewussens konsumieren, wo kommen sie her und wie werden sie produziert oder angebaut? Solche Fragen nehmen bei vielen Konsument*innen einen immer größeren Stellenwert innerhalb ihres Kaufverhaltens ein. Immer mehr entscheiden sich ganz bewusst für einen vegetarischen oder sogar veganen Lebensstil, um sich selbst und der Umwelt etwas Gutes zu tun. Allerdings werden auch bei vielen veganen Produkten im Laufe des Anbau-Prozesses tierische Erzeugnisse verwendet – sie sind also streng genommen gar nicht gänzlich vegan. 


Dies möchte der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. ändern und versucht daher seit 2019, die Landwirtschaft noch ökologischer und konsequent vegan zu gestalten. Im Gespräch mit Gründungs- und Vorstandsmitglied Anja Bonzheim verrät sie uns, wie der Verein genau arbeitet, wie du selbst im heimischen Garten oder auf dem Balkon biozyklisch-vegan Kräuter und Gemüse anbauen kannst und wie du auch darüber hinaus aktiv werden kannst.

 

LifeVERDE: Liebe Frau Bonzheim, stellen Sie sich und den Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. bitte kurz vor.

Anja Bonzheim: Mein Name ist Anja Bonzheim und ich bin Gründungs- und Vorstandsmitglied im Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V., einer NGO, die sich für einen ökologischen Landbau ohne die kommerzielle Haltung von Tieren und ohne den Einsatz ihrer Fäkalien oder Körperteile zur Düngung einsetzt. Schon während meines Studiums „Ökolandbau und Vermarktung“ (B.Sc.) und „Öko-Agrarmanagement“ (M.Sc.) in Eberswalde beschäftigte mich die Frage eines konsequent veganen Landbaus. Seit Juli letzten Jahres koordiniere ich das maßgeblich vom Umweltbundesamt geförderte Projekt „Veganer Ökolandbau“, welches eine Bekanntmachung und Verbreitung des biozyklisch-veganen Anbaus im deutschsprachigen Raum zum Ziel hat und bin in diesem Rahmen hauptberuflich für den Förderkreis tätig. 
Dieser hat zurzeit etwa 100 Mitglieder, die seine Arbeit unterstützen und sich für seine Ziele einsetzen. Neben dem Vorstandsteam und dem Beirat engagieren sich auch einige Mitglieder*innen in sechs Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themenbereichen.

Können Sie unseren Leser*innen kurz erklären: Wann spricht man überhaupt von biozyklisch-veganem Anbau – oder anders gefragt: Inwiefern kann landwirtschaftlicher Anbau nicht vegan sein?

Eine zunehmende Zahl von wissenschaftlichen Studien aus den unterschiedlichsten Fachgebieten belegt eindeutig, dass die derzeitige Produktion und der Konsum von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs mit gravierenden negativen Effekten für Umwelt, Klima, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Ernährungssicherung – auch in globaler Dimension – einhergehen. Zudem sind die Produktionsbedingungen, wie sie sich aus der vorherrschenden Praxis der Zucht, der Haltung, des Transports und der Schlachtung von Tieren ergeben, aus tierethischer Sicht schon lange nicht mehr tragbar. 
Der Abbau der Tierbestände sowie die Förderung des ökologischen Landbaus sind also wichtige politische Ziele und der biozyklisch-vegane Anbau eine reale Alternative. Denn auch vegane Bioprodukte stehen häufig mit der Tierhaltung in Verbindung: Im ökologischen Landbau werden, auch wenn ein Drittel der Betriebe keine Nutztierhaltung mehr betreibt, neben Gülle und Mist als organische Dünger auch Abfälle aus großen Schlachthöfen, wie Horn-, Haar- und Knochenmehlpellets eingesetzt. Das heißt, die Produktion veganer Lebensmittel ist in der Regel nicht vegan ab Feld. 
Biozyklisch-veganer Anbau bezeichnet einen ökologischen Landbau, der weder die kommerzielle Nutztierhaltung noch die Verwendung von tierischen Dünge- und Betriebsmitteln erlaubt und unterliegt damit einer neuen tierethischen Dimension. Statt mit tierischen Fäkalien oder Körperteilen werden Nährstoffkreisläufe rein pflanzlich geschlossen (z.B. mit Kompost oder Mulch). Außerdem wird sehr viel Wert auf die Etablierung eines gesunden Agrarökosystems mit einer hohen Artenvielfalt und gezieltem Humusaufbau gelegt. 
Der Begriff „biozyklisch“ leitet sich aus dem griechischen „Bios“ = Leben und „Kyklos“ = Kreislauf ab und meint den Kreislauf des Lebens, welcher sich in naturnahen Methoden des Humusaufbaus und der Förderung der Bodenfruchtbarkeit wiederfindet.


Der Verein setzt sich für einen ökologischen Landbau ohne die kommerzielle Haltung von Tieren und ohne den Einsatz ihrer Fäkalien oder Körperteile zur Düngung ein (Bild: Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V.).

Wie kam es zur Gründung des Förderkreises?

Nachdem im Jahr 2017 die Biozyklisch-Veganen Richtlinien, welche dem veganen Ökolandbau erstmals eine klare Form geben, in die Family of Standards der Weltbioorganisation IFOAM aufgenommen wurden, gründeten wir im Jahr 2019 den Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. als gemeinnützigen Verein. Der Verein klärt über die Richtlinien auf, berät und verbessert die Bedingungen für den biozyklisch-veganen Anbau im deutschsprachigen Raum. Damals kamen einzelne Personen aus dem seinerzeit noch informellen „Biologisch-Veganen Netzwerk für Landwirtschaft und Gartenbau“ mit Dr. agr. Johannes Eisenbach zusammen, welcher Hauptautor der Biozyklisch-Veganen Richtlinien ist und in Griechenland und Zypern ein Netzwerk von Betrieben aufgebaut hat, die biozyklisch-vegan wirtschaften. 

Welche Ziele verfolgt der Verein und wie arbeitet er konkret?

Der Förderkreis (gemeinnützig) ist ein breiter Zusammenschluss von engagierten Privatpersonen, Betrieben und Institutionen aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Wissenschaft sowie von Organisationen, die sich für Tierrechte und eine vegane Lebensweise einsetzen. Sein Ziel ist die Förderung eines kreislaufbasierten Ökolandbaus ohne kommerzielle Nutz- und Schlachttierhaltung und ohne den Einsatz von Dünge- und Betriebsmitteln tierischen Ursprungs. Der Verein berät Betriebe bei der Umstellung auf die biozyklisch-vegane Anbauweise und sensibilisiert die Öffentlichkeit für die Vorteile des biozyklisch-veganen Anbaus. Des Weiteren begleitet er Forschungsvorhaben zum gezielten Humusaufbau und zur nachhaltigen Steigerung der Bodenfruchtbarkeit durch den Einsatz von biozyklischer Humuserde auf rein pflanzlicher Grundlage.
Dabei ist der Förderkreis Biozyklisch Veganer Anbau e.V. Teil eines größeren Netzwerkes ähnlicher Organisationen in verschiedenen europäischen Ländern (International Biocyclic Vegan Network), die sich in Zusammenarbeit mit der Adolf-Hoops-Gesellschaft mbH (Herausgeberin der Richtlinien und des Biozyklisch-Veganen Gütesiegels) und dem internationalen Koordinationsbüro BNS Biocyclic Network Services Ltd. gemeinsam für die Weiterentwicklung des biozyklisch-veganen Anbaus einsetzen. 
Auch arbeiten wir eng mit anderen NGOs wie der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Begleitung zur veganen Landwirtschaft e.V. oder dem Hof Narr e.V. zusammen. 

Wie erkennen Verbraucher*innen, ob ein Produkt nach den Biozyklisch-Veganen Richtlinien angebaut wurde?

Ein professionelles Zertifizierungssystem und das Gütesiegel „BIOZYKLISCH-VEGANER ANBAU“ gewährt Verbraucher*innen volle Transparenz auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette und gibt ihnen die Sicherheit, dass die auf diese Weise gekennzeichneten Produkte nicht nur nach ökologischen, sondern auch nach veganen Prinzipien angebaut wurden.


An diesem Siegel erkennst du, dass Lebensmittel biozyklisch-vegan angebaut wurden (Bild: Adolf-Hoops-Gesellschaft mbH).

Ist es möglich, die Prinzipien dieses besonderen ökologischen Anbaus auch im heimischen Kleingarten umzusetzen oder funktioniert dies nur im landwirtschaftlichen Großbetrieb?

Es kann überall biozyklisch-vegan gewirtschaftet werden, im Großen wie Kleinen. Selbst kleine Balkonkästen helfen dabei, Bestäuberinsekten zu fördern und Kohlenstoff zu binden. Wichtig ist, pflanzliche Kreisläufe aufzubauen, zum Beispiel über Kompost oder Mulchsysteme. Im privaten Kleingarten kann man auch über die gezielte Verwendung menschlicher Fäkalien (z.B. mithilfe von Bokashi) nachdenken, welche im kommerziellen Anbau nicht verwendet werden darf. 

Wo sehen Sie konkrete Herausforderungen innerhalb der nationalen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, die für einen konsequent biozyklisch-veganen Anbau bewältigt werden müssen?

Da gibt es viele. Aktuell arbeiten wir vor allem an der Bekanntheit und der gesellschaftlichen Akzeptanz des biozyklisch-veganen Anbaus und versuchen, diesen aus der Nische heraus in alle Bereiche der Gesellschaft zu tragen. Weiterhin möchten wir das Transformationspotenzial, welches er für das Agrar- und Ernährungssystem bietet, in den politischen Diskurs einzubringen. Dieser ist jedoch stark durch den Einfluss von Tierlobbyorganisationen geprägt, welche für die Idee eines veganen Ökolandbaus nicht zu erreichen sind. 
Zudem sind die biozyklisch-veganen Betriebe finanziell noch zu belastet. Sie erbringen zusätzliche tierethische und ökologische Leistungen, stellen ihr Düngesystem um, haben eine zusätzliche Betriebskontrolle und Zertifizierungskosten, die anfallen und erwirtschaften derzeit aufgrund von noch nicht erfolgreich etablierten Wertschöpfungsketten noch keinen Mehrgewinn. 
Es braucht mutige Verarbeiter, Händler und letztlich aufgeklärte Konsument*innen, um dem biozyklisch-veganen Anbau zu einem Durchbruch zu verhelfen. Alternativ könnten politische Weichenstellungen wie die Förderung pflanzlicher Düngevarianten oder einer nutztierfreien Bewirtschaftung enorme Entlastungen bringen. Für eine gezielte Lobbyarbeit in diese Richtung sind wir derzeit als kleiner Verein aber noch zu dünn besetzt. 

Was raten Sie unseren Leser*innen, die sich bei Ihnen im Förderkreis engagieren wollen? Wie können sie aktiv werden?

Da gibt es viele Möglichkeiten. Einbringen kann man sich beispielsweise in eine der sechs Arbeitsgruppen, die sich von E wie Erzeugung über F wie Fundraising und Forschung bis H wie Handel, Verarbeitung, Konsum mit verschiedenen Themenstellungen beschäftigen und sich jeweils einmal monatlich online treffen. Die jeweiligen Ansprechpersonen finden sich auf unserer Website. Derzeit brauchen wir aber auch administrative Unterstützung und freuen uns darüber, wenn Menschen Lust haben, hier zu helfen, damit wir uns mehr der inhaltlichen Arbeit widmen können. 
Finanziell kann man uns über Spenden oder eine (Förder-)Mitgliedschaft unterstützen. Wer mehr über unsere Arbeit erfahren will, kann auch unseren vierteljährlichen Newsletter abonnieren, uns auf Facebook oder Instagram folgen oder unseren YouTube-Kanal abonnieren. 
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch noch, dass es sehr wichtig ist, dass aufgeklärte Verbraucher*innen die richtige Kaufentscheidung treffen und sich zunehmend für Produkte mit dem Biozyklisch-Veganen Gütesiegel entscheiden. In der Startphase ist hier eine gewisse Mehrzahlungsbereitschaft nötig, bis sich auf politischer und struktureller Ebene die Bedingungen für die Pionierbetriebe verbessern. Auf unserer Website finden sich Portraits aller biozyklisch-veganen Erzeugerbetriebe sowie biozyklisch-veganen Onlineshops. Gerne versenden wir auch zielgruppenspezifische Infomaterialien, die an interessierte Verbraucher*innen, Erzeuger*innen, Händler*innen oder Verarbeiter*innen verteilt werden können.

 

Vielen Dank für das Interview, Frau Bonzheim!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an den Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare – wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

_________________________________________________________

Das könnte dich auch interessieren:

Gesunde und nachhaltige Ernährung: Ja zu vegan!

Kritik an veganer Ernährung – Pro und Contra sowie tolle Optionen

Biologisch dynamische Landwirtschaft: Wie man der Natur mehr zurückgibt, als man ihr nimmt

Fachwissen über vegane Ernährung leicht gemacht – ecodemy zeigt uns wie

Folge uns auf Instagram, um keine nachhaltige Alternative mehr zu verpassen: LifeVERDE




Kommentar erstellen

Name *
E-Mail *
URL
Kommentar *
Auch interessant


Grüne Unternehmen