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Nachhaltiger Kaffeegenuss – Genuss mit Verantwortung

INTERVIEW I Nachhaltiger Kaffeegenuss beginnt bei fairen Bedingungen und endet in der Tasse. Kaffeeexperte MICHAEL PARZEFALL erklärt, wie das gelingt.

INTERVIEW I Nachhaltiger Kaffeegenuss beginnt bei fairen Bedingungen und endet in der Tasse. Kaffeeexperte MICHAEL PARZEFALL erklärt, wie das gelingt.

23.10.2025, ein Beitrag von: Louisa Becker - Bild: Unsplash/fahmi fakhrudin

Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen. Doch während wir hierzulande rund 170 Liter pro Kopf und Jahr genießen, kämpfen Produzent*innen in den Anbaugebieten oft mit den Folgen des Klimawandels, instabilen Preisen und schwierigen Arbeitsbedingungen. Wie können wir als Konsument*innen dazu beitragen, dass Kaffee nicht nur gut schmeckt, sondern auch fair und ökologisch verträglich ist? Wir haben mit MICHAEL PARZEFALL, Kaffeeexperte und Röster aus Wien, über Herausforderungen, Chancen und den Weg zu mehr Nachhaltigkeit gesprochen.

LifeVERDE: HERR PARZEFALL was bedeutet für Sie persönlich nachhaltiger Kaffeegenuss?

Nachhaltiger Kaffeegenuss bedeutet für mich ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur. Es geht nicht nur um die Herkunft der Bohnen, sondern auch darum, wie sie angebaut, gehandelt und genossen werden. Nachhaltigkeit umfasst ökologische, soziale und wirtschaftliche Verantwortung – vom respektvollen Umgang mit Böden und Ressourcen bis zu fairen Arbeitsbedingungen für die Produzent*innen. Nur so entsteht Kaffee, der im Einklang mit Umwelt und Mensch steht.

Welche Probleme sehen Sie aktuell in der Kaffeeindustrie? 

Die größten Herausforderungen sind der Klimawandel und die damit verbundenen Veränderungen in den Anbaugebieten. Temperaturen steigen, Regenzeiten verschieben sich, das macht den Anbau schwieriger. Gleichzeitig wird in vielen Regionen mit veralteten Anbaumethoden, die zu einem Raubbau am Boden führen, gearbeitet. Gesunde Böden sichern den langfristigen Ertrag in der Zukunft. Hinzu kommen soziale Probleme: Viele Kaffeebauernfamilien verdienen trotz harter Arbeit nicht genug zum Leben.

Klingt nach großen Problemen. Gibt es denn auch Lösungen?

Ja, und das macht mich optimistisch. Zum Beispiel setzen immer mehr Produzent*innen auf Agroforstsysteme: Kaffeepflanzen wachsen im Schatten von Bäumen, was den Boden schützt und zugleich die Bohnenqualität verbessert. Zudem bringen digitale Tools Transparenz: Per QR-Code auf der Packung können Verbraucher*innen nachvollziehen, von welcher Farm ihre Bohnen stammen. Auch im Bereich Verpackung sehen wir Fortschritte; Mehrwegsysteme sind längst keine Seltenheit mehr.

Wie wichtig ist den Konsument*innen in Österreich nachhaltiger Kaffee? 

Sehr wichtig – das zeigen die Zahlen eindeutig. Über 77 % bewerten nachhaltigen Kaffee als „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“. Für uns in der Branche ist das eine klare Botschaft: Geschmack allein reicht nicht mehr, Konsument*innen erwarten Transparenz, ökologische Verantwortung und faire Handelsbedingungen. Genau darin liegt auch eine Chance, die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau bis zur Tasse zukunftsfähig zu gestalten.


Nachhaltiger Kaffee spielt in Österreich eine wichtige Rolle (© rauwolf-coffee.at)

Was können Verbraucher*innen im Alltag tun, um nachhaltigen Kaffee zu fördern? 

Sehr viel! Jede Kaufentscheidung macht einen Unterschied. Ich empfehle:

  • Kaffee aus direktem Handel bevorzugen, denn viele kleine Röstereien arbeiten eng mit Produzent*innen zusammen.
  • Nachhaltige Zubereitungsmethoden wählen, also wiederverwendbare Filter, French Press oder wiederbefüllbare Kapseln.
  • Reste nutzen: Kaffeesatz eignet sich als Dünger oder Kosmetikbasis.

Gerade Familien können durch bewusstes Einkaufen einen großen Einfluss haben, denn am Ende zählt die Summe vieler kleiner Entscheidungen.

Viele Konsument*innen orientieren sich an Siegeln. Reicht das aus? 

Ich halte wenig von Siegeln. Viele dieser Labels sind industriegesteuert und vermitteln ein Bild von Fairness, das in Wirklichkeit oft nicht existiert. Für die Produzent*innen bedeuten sie meist nur wenige Cent mehr pro Kilo, demnach zu wenig, um davon wirklich leben zu können. Nachhaltigkeit entsteht nicht durch Zertifikate, sondern durch ehrlichen Handel auf Augenhöhe, faire Preise und Transparenz in der gesamten Lieferkette.

Wer Kaffee kauft, der handgeröstet und transparent produziert wurde, kann nachvollziehen, woher er stammt und unter welchen Bedingungen er entstanden ist – das ist für mich echte Fairness.

Welche Kriterien spielen beim Einkauf für Konsument*innen Ihrer Erfahrung nach die wichtigste Rolle? 

Aus meiner Erfahrung zählen für die meisten Menschen nach wie vor Qualität und Geschmack. Das bleibt der wichtigste Grund, sich für einen Kaffee zu entscheiden. Genau das bestätigt auch unsere aktuelle Studie: 43 % der Österreicher*innen sehen Qualität und Geschmack als den wichtigsten Hinweis auf nachhaltigen, fairen Kaffee. Auf Platz zwei und drei folgen Labels bzw. Zertifizierungen (28 %) sowie transparente Informationen vom Hersteller (27 %).


Qualität und Geschmack bleiben das entscheidende Kaufargument (© rauwolf-coffee.at)

Viele Konsument*innen orientieren sich also an dem, was sie unmittelbar beurteilen können – Aroma, Frische, Handwerk. Entscheidend ist, dass sie beim Kauf auf Transparenz und lokale Röstung achten – so lässt sich Nachhaltigkeit wirklich nachvollziehen.

Wie reagieren die Produzenten auf den steigenden Druck in Richtung Nachhaltigkeit? 

Der Druck ist enorm und das ist auch gut so. Viele Produzent*innen stellen ihre Anbaumethoden um, weil sie sehen: Ohne Nachhaltigkeit gibt es keine Zukunft. Gleichzeitig fordern Konsument*innen mehr Verantwortung. Diese Nachfrage führt dazu, dass selbst große Unternehmen anfangen umzudenken. Außerdem gibt es viele Start-ups, die von Anfang an konsequent nachhaltig arbeiten und so die Branche herausfordern.

Wenn Sie in die Zukunft blicken: welche Trends sehen Sie für die Kaffebranche? 

Ich glaube, wir werden eine noch stärkere Fokussierung auf Qualität erleben. Spezialitätenkaffee wächst und Konsument*innen sind bereit, für guten Geschmack und faire Bedingungen mehr zu zahlen. Dazu kommen innovative Verpackungslösungen, CO₂-neutrale Röstereien und eine konsequente Nutzung digitaler Transparenz. Kurz gesagt: Kaffee wird persönlicher, bewusster und nachhaltiger.

Und was geben Sie unseren Leser*innen zum Schluss mit? 

Dass nachhaltiger Kaffeegenuss kein Verzicht ist. Im Gegenteil: Er macht den Alltag reicher, geschmacklich, sozial und ökologisch. Jede Tasse kann ein kleines Stück Zukunft sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Autor:

MICHAEL PARZEFALL ist Gründer und Röstmeister der Wiener Kaffeerösterei RAUWOLF. Gemeinsam mit seinem Team setzt er auf Bohnen von kleinen Farmen, die naturnah und nachhaltig anbauen. Für diese Qualität bezahlt RAUWOLF bewusst Preise, die deutlich über dem Fairtrade-Niveau liegen – mit dem Ziel, den Produzenten langfristig ein faires und stabiles Wirtschaften zu ermöglichen.

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