Grüne Wirtschaft

Veganer Essig aus regionalen Zutaten

INTERVIEW | Herkömmlicher Essig ist meist nicht vegan und wird in industriellen Schnellverfahren hergestellt. Die Essigmanufaktur aus dem Almenland macht´s anders.

INTERVIEW | Herkömmlicher Essig ist meist nicht vegan und wird in industriellen Schnellverfahren hergestellt. Die Essigmanufaktur aus dem Almenland macht´s anders.

10.12.2021 | Ein Interview geführt von Deborah Iber | Bild:


Du fragst dich jetzt vielleicht, was an Essig tierisch ist? Und was sonst noch bei der Herstellung von herkömmlichem Essig abläuft? Das erklärt dir Essig-Spezialist Thomas, der seit einigen Jahren zusammen mit seiner Frau auf deren Hof im Almenland veganen Essig aus regionalen Zutaten herstellt. Außerdem erläutert Thomas deren traditionelle Essigherstellung und die Besonderheiten ihrer Essige.

LifeVERDE: Thomas, die Essigmanufaktur Oswald / Schaffer wird von dir und deiner Frau Beate betrieben. Wie kam das Interesse für Essig zustande?

Thomas: Da muss man schon sehr weit zurückgehen. Mitte der 80er Jahre war es in Kärnten (meinem Ursprungsland) üblich, für den Eigenverbrauch seinen „Ribiselwein“ nach überlieferten Rezepten aus den eigenen roten Johannisbeeren herzustellen und ich musste als Jugendlicher mit anpacken. Das Ergebnis hat aber nie meine Begeisterung wecken können. Sehr wohl aber der kleine Teil, den ich selbst im Keller meiner Urgroßmutter zu Essig weiterverarbeitete. Zu einer Zeit, in der Essig noch überhaupt kein Thema war. Durch einige weitere glückliche Umstände stellte ich damals bald Himbeer-, Johannisbeer- und Erdbeeressige für drei unterschiedliche Wiener Gastronomiebetriebe her. Da reden wir aber von einer Gesamtmenge von rund 150 Litern in einem Jahr.

Danach folgte unser „Erstes Leben“: Beate arbeitete als Intensivkrankenschwester und ich war als Physiker und Chemiker in der Spitzenforschung beschäftigt. Jäh unterbrochen von unserem hintereinander folgenden schweren Burn-Out, welcher uns heute noch täglich mit deutlichen Einschränkungen begleitet.

Nach schweren Jahren begannen wir im Naturpark Almenland, am Heimathof von Beate, wieder Essige herzustellen. Ich hatte dies eigentlich für meine Altersbeschäftigung vorgesehen, aber manchmal kommt es anders als man denkt und so genießen wir heute unser „Zweites Leben“ als „Essigkompositeure“.


Thomas und Beate von der Essigmanufaktur (Bild: Essigmanufaktur Oswald / Schaffer).

Danke für den kleinen Einblick in eure Geschichte. Eure Essig-Sorten sind vegan. Welche tierischen Inhaltsstoffe können in herkömmlichem Essig enthalten sein?

Ich würde gar nicht von „enthalten können“ sprechen, sondern von „sind enthalten“.

Bei größeren Essigherstellern ist der Ablauf ein ganz anderer. Der Obstlieferant ist meist nicht der Safthersteller, der Safthersteller meist nicht der Weinhersteller und der Weinhersteller zumeist nicht der Essighersteller. So stellt jeder dieser Betriebe ein Standardprodukt her, das man am Markt erwerben kann. Und in jedem dieser Schritte erfolgt eine Schönung bzw. Klärung, damit das Produkt am Ende klar und durchscheinend ist. Diese Schönung erfolgt überwiegend durch Zugabe einer sogenannten „Standardklärmenge“ an Gelatine.

Nach erfolgten drei Klärungen ist Gelatine daher üblicherweise enthalten, da Restmengen einfach (undeklariert, da als Verarbeitungshilfsstoff genutzt) im Essig verbleiben.

Euer Essig zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass nur regionale Zutaten verwendet werden. Welche Zutaten kommen in euren Essig und woher kommen sie genau?

Da wir als Marke den „Almenland Spezialitätenessig“ repräsentieren, gibt es in unseren Essigen natürlich nur Zutaten, die auch bei uns im Naturpark Almenland heimisch sind, bzw. auch hier wachsen.

Einzige Ausnahmen stellen unsere Tomatenessige und der Apfel-Chilliessig dar, die in Kooperation mit zwei befreundeten Freiland-Gemüsebauern entstehen, welche aus dem angrenzenden und höhenmäßig niederer liegenden Steirischen Hügelland stammen. Die Zutaten wachsen zwar auch in unserem Garten, reifen aber leider bis zum ersten Frost im Herbst in ausreichender Menge für eine Essigproduktion auf unserer Seehöhe von 760 m nicht mehr aus.

Die Herkunft aller anderen Rohstoffe und Zutaten ist sehr einfach erklärt: Wir ziehen und ernten alles selbst auf unserem Hof. Zum Beispiel im Bauerngarten, betreut von der Schwiegermutter, welcher die Blüten und Kräuter liefert. Alle Obstsorten stammen ebenfalls von unserem Hof. Fallweise dürfen wir auch einige Bäume der unmittelbar angrenzenden Nachbar*innen miternten. Da auch diese Bäume in Sichtweite unserer Manufaktur wachsen, können wir garantieren, dass unsere Rohstoffe naturbelassen und unbehandelt wachsen und reifen.


Die Zutaten für den Essig stammen alle aus dem Almenland (Bild: Essigmanufaktur Oswald / Schaffer).

Die Zutaten werden „nach alter Tradition“ zu Essig verarbeitet. Stell uns diese traditionelle Herstellung vor und was das Besondere daran ist.

Nach alter Tradition bedeutet, dass bei uns Rezepte und Vorgangsweisen verwendet werden, die teilweise über 200 Jahre zurückreichen. Ich selbst sammle alte Literatur zu Essigherstellung und Essigverwendung. Das älteste (nur als Nachdruck vorhandene) Rezeptbuch in unserem Besitz stammt aus dem Jahre 1817.

Die traditionelle Herstellung bedeutet auch, dass alle Verarbeitungsschritte manuell entweder von uns selbst oder unter unserer Aufsicht, wie sie schon seit jeher am Hof praktiziert wurden, erfolgen. Obwohl wir im Essigkeller und der Produktionskontrolle natürlich mit modernen Geräten und Verfahren arbeiten, ist der Umgang mit unseren Essigen ein sehr langsamer. Nach der Herstellung darf unser Essig rund vier Jahre in Ruhe reifen, bevor er in die Sortenproduktion kommt. Wir produzieren alle Sorten immer frisch nach, je nachdem, welche gerade am Schwinden ist. Dieser Prozess dauert mit der Kaltmazeration und Füllung bzw. Etikettierung noch etliche weitere Monate, sodass ein Essig im Verkaufsregal mindestens fünf Jahre alt oder älter ist.

Ganz anders als bei modernen Durchlaufverfahren: Wein zugeführt, Essig abgeführt, Füllung und Versand innerhalb eines Tages.

Was unterscheidet die konventionelle Essigherstellung noch von eurer und was sind eventuell qualitative Unterscheide?

Wenn wir uns auf die 20% des Essigs beschränken, deren Herstellung auch auf einen „natürlichen Gärprozess“ beruht, so gibt es doch einige wesentliche Unterschiede. Auch möchte ich den wohl größten Teil des Branntwein- oder Weingeistessigs ausklammern, bei dem die Essigsäurebakterien eine reine Alkohollösung „natürlich verarbeiten“, deren Ausgangsstoff einmal ein agrarisches Produkt sein musste. Gefärbt und aromatisiert findet man diese dann als die unterschiedlichsten Essigvarianten der Großhersteller im Handel.

Wenn wir von einem Reinfruchtessig sprechen (d.h. von der Frucht bis in die Essigflasche geht nur diese eine Frucht durch alle Verarbeitungsschritte), so ist als ein wesentlicher Unterschied wohl die Qualität der eingesetzten Rohstoffe zu betrachten. Unsere Rohstoffe haben Essqualität. Faule oder wurmstichige Früchte werden zunächst schon während der händischen Ernte in den Streuobstwiesen aussortiert. Eine zweite Selektion erfolgt wiederum händisch unmittelbar vor dem Pressvorgang zum Saft. Bei unserem Apfelessig werden bis zu 27 Apfelsorten gemischt verarbeitet. Aus den verschiedenen Sorten bekommen wir sowohl die Süße als auch eine genügende Saftmenge, wie auch hohe Gerbstoffanteile in unseren Saft, was wesentlich für das Entstehen eines guten Apfelessigs ist.

In der industriellen Produktion wird hier meist ein Saft aus einer oder zwei Plantagensorten genutzt. Diese sind aber als Tafelobst gezüchtet, um gegessen zu werden und sind deshalb meist süße, eher säurearme Züchtungen. Daher sind Essige aus diesen Sorten oft schal und leer im Geschmack, durch den hohen Essigsäuregehalt aus dem Zucker dafür von stechender Säure. Im industriellen Maßstab ist ein Faulanteil zulässig, aus diesem Grund erfolgt auch die Gelatineschönung der Trübungen. Danach erfolgt eine temperaturgeführte Vergärung zwischen 25 und 30 Grad, um möglichst schnell zum fertigen Obstwein und zur Weiterverarbeitung zu kommen.

Wir hingegen führen eine langsame Kaltvergärung bei ca. 15 Grad durch, um ein breites Bukett zu erreichen und Polyphenole zu erhalten, welche nach jüngeren wissenschaftlichen Untersuchungen der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) gerade in Plantagensorten eher von vorneherein in geringer Menge zu finden sind.

Zuletzt unterscheidet sich auch die Herstellungsform des Essigs. Größere Hersteller betreiben computergesteuerte Turbinenanlagen, die den Obstwein im Durchlaufverfahren innerhalb von einigen Stunden zu Essig zu verarbeiten. Dieser wird unmittelbar nach der Produktion abgefüllt und dem Handel zugeführt.

Auch wir nutzen heute modernere Herstellungsmethoden wie das Submers-Verfahren. Aus dem Obstwein wird hier unter Zugabe von Luft unser Essig produziert. Dies dauert bis zu 50 Stunden. Aber auch dies ist schon eine recht schnelle Herstellungsmethode, sodass im nächsten Schritt unserem Essig vier Jahre Zeit zum Reifen gegeben wird, bevor er weiterverarbeitet wird. Dabei bilden sich Geschmacksstoffe, die uns auf unserem Gaumen den Essig als runder im Geschmack und weniger sauer erscheinen lassen.


Bei der Essigmanufaktur wird auf eine traditionelle und schonende Essigherstellung Wert gelegt (Bilder: Essigmanufaktur Oswald / Schaffer).

Welche Essigsorten bietet eure Essigmanufaktur an und variieren diese nach Saison?

In Summe bieten wir derzeit genau 60 verschiedene Sorten an – und um der Frage zuvorzukommen – ja, sie schmecken auch tatsächlich unterschiedlich.

Unsere Essige lassen sich in unterschiedliche Arten einteilen: Wir bieten Reinfruchtessige an, Kräuter- und Blütenessige, Vollfruchtessige, sowie unsere Trinkessige.

Reinfruchtessige sind wie bereits erwähnt Essige, bei denen in allen Verarbeitungsschritten nur diese eine Frucht verwendet wird. Dazu gehören Apfel- und Birnenessige, aber auch z.B. ein Tomaten- oder Hauszwetschgenessig.

Unsere Kräuter- und Blütenessige basieren auf unserem Apfelessig, der in Kaltmazeration langsam die Inhaltsstoffe aus den Blüten und Kräutern extrahiert. Da wir diese im Essig behalten wollen, wird er nicht filtriert und bleibt trüb. Küchenkräuter wie Basilikum, Thymian oder weniger bekannte wie Bärlauch oder Ysop gehören in unsere Kräuteressige. Bei den Blütenessigen wird recht gerne eine zarte Rosenblüte oder eine kräftige Hollerblüte verwendet.

Vollfruchtessige werden nach demselben Verfahren wie unsere Kräuter- und Blütenessige hergestellt. Bei uns dürfen die Früchte dabei ihre Schale und ihren Stein oder Kern behalten. Wir meinen, wenn es nicht dazugehören würde – dann wäre es wohl auch nicht in der Frucht vorhanden. In dieser Gruppe findet man Früchte wie Walnuss, Erdbeere, Himbeere oder Johannisbeere.

Die Gruppe unserer historisch gewachsenen Trinkessige besteht zum Teil aus Reinfrucht- und aus Vollfruchtessigen. Diese sind gesüßt, so dass sie nicht nur klassisch in einer Marinade, sondern auch als Durstlöscher und Erfrischungsgetränk in Wasser oder Mineralwasser genossen werden können. Dabei haben wir ein wenig „speziellere“ Sorten verwendet, wie Hagebutte, Schlehdorn, Sanddorn oder Ringlotte.

Wir versuchen viele unserer Sorten immer verfügbar zu haben, was uns leider nicht immer gelingt. Das liegt daran, dass wir zum einen unsere Essige nur aus Rohstoffen herstellen, die auf und um unseren Hof wachsen, zum anderen ihnen auch genug Zeit geben möchten, um unseren Geschmacksvorstellungen gerecht zu werden. Wir erlauben uns den Luxus, unsere Essige erst dann unseren Kund*innen zu präsentieren, wenn sie das Geschmacksbild erreicht haben, das wir von ihnen erwarten. Das heißt, wir produzieren nicht nach Kundennachfrage (wir richten uns natürlich bei der Ernte schon ein wenig danach), sondern nach unseren Qualitätsansprüchen. Wenn dann mal alle Früchte oder Kräuter eines Erntejahres verbraucht sind, müssen wir leider auf das nächste ein wenig warten…


Im Sortiment der Essigmanufaktur gibt es vielfältige Sorten (Bild: Essigmanufaktur Oswald / Schaffer).

Welche drei Sorten empfiehlt ihr für herbstliche und winterliche Gerichte?

Ich kann den Apfel-Hagebuttenessig sehr gut als Ergänzung zu einem klassischen Kräutertee empfehlen.

Für Wildgerichte oder Wildgeflügelsoßen ist ein Hauszwetschgenessig eine hervorragende Alternative zu den oft verwendeten Rotweinen. Beim Kochen – nicht am Tisch!

Und da bei uns auch im Winter immer wieder ein Eisdessert auf den Tisch kommt: ein Vanilleeis mit zwei Tropfen echtem Steirischen Kürbiskernöl und fünf bis sechs Tropfen aus der Apfel-Schlehdornessigflasche führen zu einer Geschmacksexplosion im Mund.

Prinzipiell ist gar nichts verboten und man darf seiner eigenen Kreativität gerade beim Kochen freien Lauf lassen. Alles, was mit Zitrusfrüchten gesäuert wird, kann man auch mit Essig säuern – genauso wie man es vor nicht einmal 80 Jahren noch getan hat. Damals waren Südfrüchte nur sehr wenigen Menschen überhaupt bekannt.

Bei euch sind auch Führungen möglich. Was erwartet die Besucher*innen dort?

Wie ihr schon aus den recht ausführlichen Interviewfragen ersehen könnt, haben wir viel zu erzählen. Das tun wir dann auch im Rahmen unserer Führungen. Vom 1.3. bis 31.10. hat man mittwochs und samstags um 14:00 die Möglichkeit an einer Führung teilzunehmen. Diese dauert rund 1 ½ (bei mir meist 2) Stunden, in denen wir über das Zusammenspiel der Fauna und Flora unseres Naturparks mit unseren Streuobstwiesen und der Art, wie wir unsere Spezialitätenessige herstellen, informieren.

Man kann unseren Bauerngarten, den Obstgarten und unsere Manufaktur genau in Augenschein nehmen, d.h. es dürfen sich alle Räume unserer 62,5 qm großen Manufaktur angesehen werden, mitten hinein in den Produktionskeller oder die Abfüllung. Außerdem können nach Herzenslust unsere Sorten verkostet werden. Und falls eine Sorte besonders zusagt, kann diese danach aus unserem Hofladen mitgenommen werden.

 

Vielen Dank für das spannende Interview, lieber Thomas!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an die Essigmanufaktur Oswald / Schaffer stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare - wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

_________________________

Auch interessant: Hält was sie verspricht: Gemüsebrühe MIT Gemüse

Folge uns auf Instagram, um keine nachhaltige Alternative mehr zu verpassen: LifeVERDE




Kommentar erstellen

Name *
E-Mail *
URL
Kommentar *


Grüne Unternehmen