Grüne Wirtschaft

Green Marketing - Im Interview Frauke Lehberger, Nachhaltigkeitsberaterin bei der sinnwerkstatt GmbH

Nachhaltigkeit muss im Kern der Organisation angesiedelt sein und sollte nicht erst bei der Positionierung und Vermarktung eine Rolle spielen.

Nachhaltigkeit muss im Kern der Organisation angesiedelt sein und sollte nicht erst bei der Positionierung und Vermarktung eine Rolle spielen.

05.10.2016 - Bilder: sinnwerkstatt GmbH

UMWELTHAUPTSTADT.de: Bitte stellen Sie uns doch einmal Ihr Unternehmen sowie Ihre Kernleistung vor?

FRAUKE LEHBERGER: Die sinnwerkstatt ist eine nachhaltige Medienagentur mit Standort in Berlin, die verantwortungsvolle Unternehmen und Organisationen in der medienwirksamen Kommunikation ihrer sozial-ökologischen Ideen unterstützt. Neben unseren Kernleistungen im Bereich Strategieberatung, Webentwicklung, Animationsfilm und Design setzen wir uns aktiv für die Vernetzung nachhaltig orientierter Unternehmen ein. Zusätzlich entwickeln wir Lösungen für Probleme unserer Auftraggeberinnen und Auftraggeber, die über die eigentlichen Aufgaben einer klassischen Medienagentur hinausgehen, denn wir glauben, dass dadurch wertvolle Synergien entstehen und wir gemeinsam einen noch größeren Impact für das Gute generieren können. Beispielsweise die von uns programmierte Plattform www.wechange.de, die Akteuren des öko-sozialen Wandels dazu dient, sich einfacher zu vernetzen, über laufende Projekte auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Oder den Prototypen einer kostenlosen Online-App für die rasant wachsende internationale Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung (www.ecogood.org), die Unternehmen bei der Erstellung ihrer Gemeinwohl-Bilanz unterstützt.

Haben Sie eine Definition für den Begriff „Green-Marketing“?

Unter „Green-Marketing“ versteht man im Allgemeinen die Bewerbung und Vermarktung von ökologischen und sozial verträglichen Produkten oder Dienstleistungen. Häufig geht es dabei allein um die Positionierung als nachhaltige Alternative. Das ist uns zuwenig. Wir sind davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit im Kern der Organisation angesiedelt sein sollte und nicht erst bei der Positionierung und Vermarktung eine Rolle spielt. Wir verstehen die sinnwerkstatt als wertebasiertes Unternehmen und haben uns deshalb vorgenommen, konsequent nur für und mit nachhaltigen Unternehmen zu arbeiten, die unsere öko-sozialen Grundwerte innerhalb des gesamten Wertschöpfungsprozesses selbst glaubwürdig vertreten oder zumindest teilen. Insofern könnte man sagen, dass wir als Medienagentur auschließlich „Green-Marketing“ anbieten und vom Anspruch her immer versuchen darüber hinaus zu gehen. Dies belegen wir auch mit unserem Gemeinwohl-Bericht, den wir im Abstand von zwei Jahren veröffentlichen. Darin machen wir mit umfassenden Daten und Fakten zu unserem Unternehmen transparent, wie wir Nachhaltigkeit in allen Aspekten unserer Wertschöpfung umsetzen. Der Gemeinwohl-Bericht geht dabei im Bereich der Transparenz weit über die üblichen Nachhaltigkeitsberichte hinaus. Zugleich wirkt die Gemeinwohl-Bilanzierung disziplinierend und hilft uns dabei, Verbesserungspotentiale aufzuspüren und Maßnahmen zu ergreifen.

Nachhaltiges oder grünes Marketing war lange Zeit verpönt und galt als „Green-Washing“. Was meinen Sie, ist eine solche Denke überholt und wenn ja, weshalb?

Die Verbraucher_innen werden stets kritischer, was die Verträglichkeit der von ihnen gekauften Produkte und Dienstleistungen angeht. Das bedeutet, dass zum einen die Zielgruppe für nachhaltige Angebote wächst, jedoch zum anderen auch, dass die Verbraucher_innen genau nachvollziehen möchten, inwieweit die beworbene Verträglichkeit auch wirklich "echt" ist. „Green-Washing“, also die reine Darstellung als nachhaltig, die nicht auf tatsächlichen Fakten beruht, hat daher keinen langfristigen Erfolg. Die Konsumentinnen und Konsumenten informieren sich aktiv und stellen immer höhere Ansprüche. Transparente Information, zum Beispiel durch die Veröffentlichung eines Gemeinwohl-Berichts, sorgt hier für ein Höchstmaß an Vertrauen – was in Zukunft der stärkste Faktor für eine gute Kundenbindung sein wird. Dabei geht nach unserem Verständnis die Verantwortung der Unternehmen weit über die eigenen Aktivitäten hinaus: im Optimalfall sollte die gesamte Wertschöpfungskette vom Ursprung benötigter Ressourcen, über die im Prozess verwendete Energie, bis hin zu Verpackung und Logistik nachhaltig sein – und das nicht nur ökologisch, sondern auch sozial, in einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive. Daher muss grünes Marketing über die Darlegung von Produkteigenschaften hinausgehen und die gesamte Unternehmensdarstellung mit einbeziehen. Eine offene und transparente Kommunikation, wie wir sie mit dem Gemeinwohl-Bericht eingefordert und umgesetzt sehen, ist dafür essenziell. Viele Unternehmen haben das bereits jetzt verstanden, wie beispielsweise das Netzwerk Unternehmensgrün e.V. (www.unternehmensgruen.org). Als grüner Unternehmensverband ist das Netzwerk ein Pionier der deutschen Green Economy Szene und veröffentlicht inzwischen ebenfalls einen Gemeinwohl-Bericht. 

Für wen eignet sich eigentlich Green-Marketing? Für Unternehmen, die schon nachhaltig ausgerichtet sind oder auch für Neulinge?

Generell sollte sich jedes Unternehmen über die eigenen ökosozialen Auswirkungen bewusst sein. Während nachhaltige Unternehmen bereits viel Erfahrung im Bereich Green-Marketing haben, gibt es auch viele Chancen für Neulinge, nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu positionieren. In vielen Branchen fehlen immer noch grüne Alternativen zu gängigen Angeboten. Das "grüne Gründen" wie es die Plattform Start Green (www.startgreeen.net) propagiert, hat sich längst noch nicht als Standard in der Gründerszene etabliert. Bis zu echten gemeinwohlorientierten Unternehmensgründungen liegt noch ein weiter Weg vor uns. 

Welche gesellschaftlichen Entwicklungen spielen für Unternehmen im Rahmen grüner Marketing-Kampagnen eine Rolle und welche äußeren und inneren Einflüsse (Stichwort SWOT) müssen Marketer berücksichtigen?

Die Berichtspflicht nichtfinanzieller Daten, die ab 2017 für große und gesellschaftlich besonders relevante Unternehmen in Deutschland vorgeschrieben ist, sorgt dafür, dass sich auch Neulinge stärker mit diesen Auswirkungen auseinandersetzen müssen. (Auf EU-Ebene wird derzeit geprüft ob der Gemeinwohl-Bericht hierfür anerkannt wird). Die stets knapper werdenden Ressourcen, steigende Umweltbelastungen sowie soziale Ungerechtigkeit und Fachkräftemangel sind weitere externe Faktoren, die eine Entscheidung hin zu nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen beeinflussen können. Die Bedienung einer Nische kann da eine Chance und sogar ein deutlicher Vorteil sein. Einen großen Einfluss haben jedoch auch interne Faktoren. Nachhaltigkeit bedeutet auch, die Mitarbeiterzufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken und dadurch innere Stabilität zu erhalten, die langfristig durch ein erhöhtes Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu mehr Effizienz und einer nachweislich höheren Innovationsfähigkeit führt.

Wie können Unternehmen mit ihrer nachhaltigen Ausrichtung oder ihren grünen Produkten authentisch werben? Welche Dinge gilt es im Rahmen einer Kommunikationsstrategie zu beachten?

Transparenz ist das A und O. Eine ehrliche und authentische Kommunikation kommt bei der mündigen Konsumentin und dem aufgeklärten Endkonsumenten besser an, als eine konstruierte Geschichte. Wichtig ist, sich der Eigenschaften und Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden bewusst zu werden und aktiv in Dialog zu treten – nur wer seine Kundinnen und Kunden kennt, kann auch relevante Produkte und Dienstleistungen anbieten. 

Wie muss im Unternehmen der Nachhaltigkeitsgedanke gelebt werden, Top-down oder Bottom-up?

Wir sind der festen Überzeugung, dass ein gemeinschaftlicher Ansatz und der stetige Dialog zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie der Geschäftsführung die Grundlage eines wertebasierten nachhaltigen Unternehmens darstellt. Wenn es die Unternehmensspitze nicht vorlebt, hat es die Belegschaft schwer, Nachhaltigkeit ins Unternehmen zu bringen. Eine echte Veränderung kann nur zusammen und aus voller Überzeugung erreicht werden, sonst geht den Bemühungen irgendwann die Luft aus.

Welche Best-Practice-Beispiele aus Ihrer beruflichen Tätigkeit können Sie berichten? Haben Sie Beispiele, die vielleicht sogar als Vorbild für andere Unternehmen dienen können?

Unsere strikt werteorientierte Ausrichtung bringt vielseitige positive Effekte hervor, die durchaus geeignet sind andere zur Nachahmung anzuregen. Immer mehr Projektanfragen bekommen wir von Kundinnen und Kunden, die sich explizit aufgrund unseres konsequent nachhaltigen Profils für uns entschieden haben. Innerhalb der Nachhaltigkeits- und Gemeinwohl-Szene werden wir regelmäßig weiterempfohlen und können daher bislang auf klassische Werbemaßnahmen oder Kaltakquise vollständig verzichten. Bei Stellenbesetzungen profitieren wir auf ähnliche Weise: Bewerberinnen und Bewerber identifizieren sich stark mit unserer Haltung und sind bereit sich auf unser besonderes Arbeitsverständnis einzulassen - zum Beispiel eine geringe Gehaltsspreizung von etwa 1:2 im gesamten Unternehmen. 

Was passiert eigentlich mit dem Wettbewerbsvorteil „Nachhaltigkeit“, wenn irgendwann jedes Unternehmen nachhaltig unterwegs ist, wie können sich dann grüne Unternehmen vom Wettbewerb differenzieren?

Wir sehen Nachhaltigkeit weniger als Wettbewerbsvorteil, sondern vielmehr als Grundlage jedweden unternehmerischen Handelns und würden uns sehr freuen, wenn bald jedes Unternehmen nachhaltig wäre! Eine Differenzierung kann und sollte genau wie im herkömmlichen Marketing primär auf den individuellen Eigenschaften eines Unternehmens und den angebotenen Diensleistungen oder Produkten beruhen, wie zum Beispiel unterschiedliche Zielgruppensegmente, die regionale Verortung des Unternehmens oder besondere Produkteigenschaften wie Qualität, Funktionalität oder Design. 

Welchen Ratschlag im Bezug auf Nachhaltigkeit möchten Sie deutschen Unternehmen geben?

Seid mutig und überwindet das "alte" Wirtschaften. In jedem Unternehmen, unabhängig von Größe oder Branche, gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten sich in eine nachhaltigere Richtung zu entwickeln. Immer mehr Unternehmen schreiten bereits mit gutem Beispiel voran und zeigen, dass es möglich ist. Es gibt keine Ausreden mehr!

 

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