Grüne Wirtschaft

Nicht nur Top Down sondern Bottom up Ansätze berücksichtigen

Dr. Harald Will hat im Frühjahr 2015 die Urbane Energie GmbH gegründet und berät nun Unternehmen, Bürger und Institutionen in Sachen Energieeffizienz & Ressourcen-Schonung.

Dr. Harald Will hat im Frühjahr 2015 die Urbane Energie GmbH gegründet und berät nun Unternehmen, Bürger und Institutionen in Sachen Energieeffizienz & Ressourcen-Schonung.

13.05.2015 - Bild: Dr. Harald Will

UMWELTHAUPTSTADT.de: Herr Dr. Will, Sie haben im Frühjahr 2015 die Urbane Energie GmbH gegründet. Was ist Ihr Kerngeschäft und an wen richtet sich Ihr Angebot konkret?

DR. HARALD WILL: Seit dem Frühjahr 2015 fahre ich mit der Urbanen Energie mit dem fort, was ich vorher als Geschäftsführer der städtischen Solarinitiative München getan habe: Nämlich Unternehmen, Bürger und Institutionen in Sachen Energieeffizienz & Ressourcen-Schonung zu beraten.

Der Service umfasst die Planung, Finanzierung, Errichtung und Betrieb von Anlagen für den urbanen Gebäudebestand oder bei Neubau-Projekten. Wir kümmern uns sowohl um Energieeffizienz, als um die Planung & Errichtung von dezentralen Energie-Anlagen. Die Besonderheit ist, dass wir uns auf die Vermarktung der Energie in der Nähe der Erzeugung fokussieren.

Die „Urbane Energie“ bietet   ihre Services in Kooperation mit HLS (Heizung, Lüftung, Sanitär)-Planern, Architekten, Projektentwicklern, Finanzierungs-Partnern und Energieversorgern an. Die Zielkunden sind Eigentümer (aber auch die Mieter) von Wohn- oder Gewerbeimmobilien, GHD (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen) und Industriebetriebe, die (Energie-) Kosten sparen wollen und ökologischer wirtschaften wollen.

Dabei bietet die Urbane Energie ihren Kunden nicht „perfekte“ Gesamt-Lösungen an, sondern im ersten Schritt ein Konzept, dass die naheliegenden Maßnahmen identifiziert, die sich (meist) auch am einfachsten umsetzen lassen.

Am folgenden Beispiel möchte ich das Vorgehen illustrieren: So ist es klug, bei einem Gebäude zunächst die Wärmeverbräuche durch Dämmung um 50 % zu reduzieren und erst danach eine 33 % effizientere Heiztechnik einzubauen. Warum? Erstens setzen die meisten Eigentümer nur eine Maßnahme nach der anderen um. Das bedeutet man fängt am besten mit dem Schritt an, der den größten Effekt macht. Zweitens sind die Kosten der Investition im Falle der umgekehrten Reihenfolge deutlich höher. Im obigen Beispiel hätte man in eine überdimensionierte Heizungs-Anlage investiert, die man nach der Wärmedämmung gar nicht mehr benötigt.

Der Kern meiner Geschäftsidee ist es, die dezentrale Vermarktung der vor Ort erzeugten Energie (meist Strom) an die Nutzer zu stärken, da dies grundsätzlich energetisch effizienter und damit letztlich auch ökonomischer wie die zentrale Erzeugung und Verteilung ist.

Das bedeutet, dass die (Letzt-)Verbraucher (Mieter) in das Geschäftsmodell bzw. die Konzeption der Energie-Services eingebunden werden müssen. Beim Strom nach dem von uns entwickelten Mieter-Strom-Modell in Kooperation mit einem Energieversorger Ihrer Wahl.

Damit das Ganze gelingt, reduzieren wir für die Entscheider / Investoren / Vermieter / Mieter die Komplexität, damit die End-Kunden/ Mieter diesen Zusammenhang verstehen und die Vorteile der Vor-Ort- Versorgung erleben können.

Welches sind aktuell die größten Themen und Herausforderungen Ihrer Branche?

Die Unklaren und sich ständig für die dezentralen und EE Technologien zum Schlechteren ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Trotz der vielfach geäußerten Erkenntnis, dass es sich bei den EE um eine Zukunftsbranche handelt, geht die Regierung in den letzten Jahren gegenüber der Erneuerbaren Branche mit übergroßer Härte vor. Die Förderkürzung im Solar & Biogas-Bereich waren so drastisch, dass es hier zu einem immer noch anhaltenden kompletten Markteinbruch gekommen ist. Ähnliches ist für den KWK Bereich zu befürchten. Die konv. & zentrale Erzeugung & Verteilung wird dagegen mit Samthandschuhen angefasst. Entgegen der vollmundigen Äußerungen erlebe ich als Entrepreneur wenig faktisches Engagement der aktuellen Bundesregierung um die Bereiche nachhaltige Mobilität, Energieeffizienz, Klimaschutz, Ressourcen-Schonung allg. etc. wirklich zu fördern.

Die wichtigste Maßnahme wären dabei nicht Fördermilliarden, sondern eine verlässliche Politik, die das verloren gegangene Vertrauen wieder herstellt, z.B. indem unsere Kanzlerin Klima- und Ressourcen-Schutz wirklich zur Raison d’être macht.

Verbrauchern, Gewerbe und Industrie sollten sicher sein dürfen, dass die Politik zugunsten der fluktuierenden Erneuerbaren- und dem Einsatz von gut regelbarer ergänzender Energie-Erzeugung beibehalten wird. Wobei die Erzeugung letzterer allerdings nur noch kurz- bis mittelfristig auf fossilem Brennstoffen beruhen dürfen.

Da die Rahmensetzung durch die Politik aber eher nicht so ist, gelingt es Unternehmen wie uns - trotz steigender Energiepreise, Klimawandel, offensichtlicher Energie- und Ressourcen-Verschwendung - nur sehr mühsam potentielle Kunden von der Sinnhaftigkeit von langfristigen Investitionen in Ressourcen-Schutz, Energie-Einsparmaßnahmen etc. zu überzeugen.

Die Verunsicherung die speziell durch die unselige Diskussionen ums EEG geführt wurden, werden durch die Politik nach wie vor nicht richtig adressiert. Damit besteht die Ungewissheit in diesem wichtigen Politikfeld fort.

Es besteht derzeit Grund zu der Annahme, dass die amtierende Regierung die Interessen der konventionellen Energiewirtschaft und der großen Energieverbraucher deutlich stärker unterstützt als sie das zugeben mag. Sie trägt damit dazu bei, dass bestehende klimaschädigende Strukturen konserviert werden. Das zeigt sich in vielen Bereichen:

Es gibt z.B. keine echten Maßnahmen um die allg. als deutlich zu niedrig bewerteten CO2-Preise zu erhöhen. Diese Tatenlosigkeit führt dazu, dass umweltschädigende (Braun-)Kohle-Kraftwerke in der Merit Order vorne stehen. Die EEG & Netzentgelt-Befreiung für große Industrielle Verbraucher schafft keinerlei Anreize für diejenigen Energie einzusparen die davon am meisten verbrauchen, indem sie z.B. BHKWs einsetzen. Die Folge dieser Umverteilung ist, dass die privaten Verbraucher die Energiekosten der Industrie mitbezahlen. Das gleiche gilt für alle nicht befreiten gewerblichen Unternehmen, d.h. KMUs und Mittelstand.

Deren Bewegung bzw. der Versuch sich aus der Energie- u. Strom-Kostenspirale zu befreien, indem die dezentrale Eigenerzeugung populärer wurde, wurde durch die Belegung des priv. & gewerblichen Eigen-Verbrauchs der Energie mit EEG Umlage konterkariert, während die Befreiung von großen Verbrauchern beibehalten wurde.

Und wie geht Ihr Unternehmen damit um?

Da ein weiter so nicht möglich ist, muss einer den Job machen und die wirkliche Energiewende vor Ort fördern, z.B. durch sehr gute Beratung und clevere Konzepte.

Zuvor waren Sie Geschäftsführer der Solarinitiative München GmbH & Co. KG (SIM). Inwiefern hilft Ihnen Ihre berufliche Expertise aus dem alten Job bei der jetzigen Arbeit?

Reichhaltige Erfahrung mit Politik, Verwaltung, Energieerzeugern, Netzbetreibern, Stadtwerken etc. um für meine Kunden Hindernisse aller Art (rechtliche, wirtschaftliche etc.) aus dem Weg zu räumen.

Welche Themen, Informationen und Netzwerke sind Ihrer Meinung nach nötig, um sich nachhaltiger auszurichten?

Alle Informationen sind vorhanden, man muss es nur nicht entmutigen lassen das Richtige zu tun. Dazu hilft es, sich unter gleich Gesinnten zusammen schließen, um mit den unter 2. beschriebenen ungemütlichen politischen & rechtl. Rahmenbedingungen umzugehen.

Inwiefern wird Ihre nachhaltige Ausrichtung von den Kunden honoriert und lässt sich das messen?

Jeder gut beratene Kunde empfiehlt uns weiter.

Verraten Sie uns, welche Innovationen wir in der nächsten Zeit von Ihrem Unternehmen erwarten dürfen?

Mieterstrom Modell – d.h. Versorgung von Mietern mit dem Strom der im eigenen Gebäude (Solar vom Dach oder KWK aus dem Keller). Das Ganze einfach und verständlich für die Endkunden (Mieter und Vermieter).

Stichwort Unternehmensstandort Deutschland: An welchen Stellschrauben würden Sie gerne drehen, um die Rahmenbedingungen für Ihre Branche zu verbessern?

Das die gesetzliche Rahmensetzung & Förderpolitik der Bundes- und Landesregierung sollte klarer den Vorrang der Dezentralität berücksichtigen. Nach dem Motto dezentral und zentral klug und im Hinblick auf eine Welt von 100 % EE weiterentwickeln, d.h. nur so viel zentral wie nötig und so viel dezentral wie möglich

Nicht nur Top Down sondern Bottom up Ansätze berücksichtigen.

Ihr Nachhaltigkeitsleitspruch lautet?

Nicht reden, sondern vor Ort Handeln.

Weiterführende Links:

Solarinitiative




Kommentare
Dr. Michael Brestowsky
16.08.2015
Habe Ihre Ausführungen mit Interesse gelesen. Als Eigentümer eines alten (ca. 1885) Einfamilienhauses in der Rhön möchten wir gerne auf Solar- und/oder Windenergie umrüsten, stehen aber rel. hilflos vor den versch. Möglichkeiten. Was ist z.B. von einem Eisspeicher zu halten? - Was würde uns eine kompetente Beratung und evtl. Planung durch Sie kosten?
Mit freundlichen Grüßen M. Brestowsky

Kommentar erstellen

Name *
E-Mail *
URL
Kommentar *


Grüne Unternehmen