Grüne Wirtschaft

natur+kosmos

Ein Interview mit Jan Berndorff, dem stellv.Chefredakteur des Magazins natur+kosmos

Ein Interview mit Jan Berndorff, dem stellv.Chefredakteur des Magazins natur+kosmos

Marcus Noack - Umwelthauptstadt.de

Herr Berndorff, natur+kosmos nennt sich „Das Magazin für Natur, Umwelt, nachhaltiges Leben“. Wer ist Ihre Zielgruppe?
natur+kosmos richtet sich an Menschen, die nicht einfach vor sich hin leben oder dem Konsumrausch verfallen sind, sondern an diejenigen, die sich auch den ein oder anderen Gedanken machen, welchen Einfluss ihr Handeln auf die Umwelt und andere Menschen hat. Nachhaltig leben heißt, die Natur so gut es geht zu schonen und dabei zukünftige Generationen im Blick zu haben, die unseren Planeten ja auch noch intakt vorfinden wollen.

Ich glaube, dass vor allem der Atomunfall von Fukushima und die seit dem Bericht des Weltklimarats und Al Gores Film auf hoher Flamme kochende Debatte um mehr Klimaschutz, aber auch Themen wie Stuttgart 21, wo es um mehr Bürgerbeteiligung geht, den potentiellen Kreis unserer Leser vergrößert haben. Immer mehr Menschen wenden sich grünen Themen zu, wählen auch grün und brauchen auf diesem für sie teilweise neuen Terrain Orientierung. Diese Orientierung wollen wir bieten.


Zu welchen Themen berichten Sie regelmäßig?
Die Energiewende in all ihren Facetten ist für uns nicht erst seit der Atomkatastrophe in Japan, sondern seit Jahren ein Dauerbrenner. Wie bekommen wir die hin? Was kostet sie oder bringt sie langfristig sogar Gewinn? Wohin mit dem Atommüll? In dem Thema stecken jede Menge Fragen, auf die unser Magazin Antworten liefert – oder zumindest die wichtigsten Argumente diskutiert. Auch andere Aspekte der Umweltpolitik haben wir stets im Auge, etwa Gentechnik, Landnutzung, Tierethik, Umweltverschmutzung oder Fischerei.

Außerdem wollen wir unsere Leser immer wieder mit den Wundern der Natur faszinieren, ihnen vor Augen führen, was es zu schützen gilt und warum: Vom tollpatschigen Ameisenbär in Afrika über die deutschen Buchenwälder als neues Weltnaturerbe bis hin zur Atem beraubenden Schönheit des Uluru, des heiligen Bergs der australischen Ureinwohner – wir stellen kuriose und spannende Tierarten, Pflanzen und Landschaften vor, oft mit kulturellen Aspekten und Infos darüber, wie der Mensch den Umgang mit ihnen nachhaltiger gestalten oder jeder persönlich sich für ihren Erhalt einsetzen kann. Um die Leser in dieser Hinsicht zu inspirieren, porträtieren und interviewen wir auch in jedem Heft Protagonisten und Vorbilder aus der grünen Szene.

In Reportagen und Berichten stellen wir außerdem immer wieder Projekte vor, die Ökonomie, Ökologie und Soziales vorbildlich miteinander verbinden und somit als Modell für eine sinnvolle Nutzung der Ressourcen im Zeitalter der Globalisierung dienen können. Genauso berichten wir allerdings auch über das, was schief läuft, über Umweltskandale und politische Machenschaften, die der Umwelt schaden – von schmutzigen Investitionen der Großbanken bis zur Unterwanderung der Kontrollbehörden durch die Genlobby. Wobei wir nach Möglichkeit immer auch Auswege aus der Misere aufzeigen.

Jeden Monat verleihen wir außerdem unseren „Hammer des Monats“ an eine Persönlichkeit, die sich in Sachen Umweltpolitik oder Naturschutz einen besonderen Fehltritt geleistet hat. Mit dieser Glosse nehmen wir denjenigen ordentlich auf die Schippe. Und in unserer Rubrik „Aussichten“ führen wir ein fiktives Interview, zum Beispiel mit einer Gentomate, dem schielenden Opossum Heidi oder dem magnetischen Nordpol. Wir wollen Wissen auf unterhaltsame Art vermitteln.


Was unterscheidet natur+kosmos von vergleichbaren Magazinen?
Das ist zum Einen glaube ich der Humor. So wie im Bereich der Tageszeitungen vielleicht die taz nicht nur als alternatives, sondern auch als humorvolles Blatt heraussticht, vertreten auch wir die Haltung, dass unterhaltsam vermittelte Informationen eher einen Zugang ins Bewusstsein finden. Wobei Humor natürlich wohl dosiert sein will. In einer Reportage über junge Männer, die per Sandstrahler Jeans bleichen und dabei elendig an Lungenkrankheiten zugrunde gehen, ist natürlich ein anderer Ton angebracht.

Außerdem ist unsere Themenmischung recht einmalig. Andere Magazine konzentrieren sich eher entweder auf grünen Lebensstil, auf die Faszination der Natur oder Umweltpolitik. Den Mix bietet nur natur+kosmos.

Wie sehen Sie die Entwicklung beim Atomausstieg in Deutschland? Denken Sie, der Ausstieg bis 2022 ist ausreichend?
Ich persönliche halte 2022 für zu spät. Das wäre auch früher möglich gewesen, wie mehrere Institute vorgerechnet haben. Der ursprüngliche Plan der rot-grünen Regierung sah 2021 für den finalen Ausstieg vor, in der aktuellen Diskussion halten manche Experten sogar auch heute noch 2017 für möglich, wenn man ihn nur mit aller Konsequenz anginge. Mit jedem Jahr, das die Atomkraftwerke länger in Betrieb bleiben, produzieren wir nicht nur mehr Atommüll und blockieren die Energiquellen der Zukunft. Wir leben auch unnötig lange in der Gefahr, dass auch bei uns ein Atomunfall passiert.

Bedenkt man jedoch, wie der Plan der schwarz-roten Regierung vor Fukushima aussah, ist der Ausstieg bis 2022 natürlich eine deutliche, ambitionierte Verbesserung.

Was müssen die Politik und die Wirtschaft leisten, damit der Verbraucher sukzessive sein Konsumverhalten nachhaltiger ausrichtet?
Nachhaltiger Konsum sollte grundsätzlich auf Freiwilligkeit und dem gesunden Menschenverstand beruhen. Ich halte es zum Beispiel für falsch, herkömmliche Glühbirnen zu verbieten und den Menschen Energiesparlampen aufzuzwingen. Stattdessen sollte der Staat Anreize setzen, die den nachhaltigen Konsum noch vernünftiger erscheinen lassen, als er ohnehin ist – und das funktioniert nun mal am effektivsten über das Geld. Die „Ökosteuer“ zum Beispiel war eigentlich der richtige Weg. Sie hatte nur zwei Haken: Die Bezeichnung „Ökosteuer“ führte in die Irre und brachte Ökologie mit Steuern in Verbindung; „CO2-Steuer“ oder „Energieverbrauchs-Steuer“ zum Beispiel wären sicher treffendere Namen gewesen. Außerdem wurden die Einnahmen auch zum Ausgleich der Sozialsysteme verwendet, also zweckentfremdet. Stattdessen hätte man sie rein in den Umweltschutz stecken sollen.

Aber vom Grundsatz her überlege ich mir bei einem Produkt oder einer Dienstleistung natürlich zweimal, ob ich sie nutze, wenn sie nicht nur umweltschädlich, sondern auch noch teuer ist. Darum finde ich auch, dass prinzipiell die Umweltschäden bei der Herstellung eines Produkts eingepreist werden müssen. Dann wären Atom- und kohlekraft unbezahlbar und Auto fahren deutlich teurer. Und der Fleischverzehr ginge sicher auch zurück, weil nur die schwer zu ertragende Massentierhaltung es möglich macht, ein Kilo Fleisch für 2,99 Euro zu kaufen.

Die Politik ist in der Pflicht, für ehrliche Preise zu sorgen. Sie muss den Rahmen setzen, der von den Produzenten dann einzuhalten ist.


Welche Chancen sehen Sie für die europäischen Städte durch den Titel Umwelthauptstadt / Green Capital?
Vor allem im Bereich Bewusstseinsbildung und Imagepflege. Durch die entsprechenden Aktionen und Veranstaltungen erreicht man viele Bürger, die dem Thema Nachhaltigkeit bislang vielleicht noch nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt haben. Die Verantwortlichen können das Profil ihrer Stadt als Vorreiter in Sachen Umweltschutz schärfen und anderen Städten als Modell dienen. Wobei ich glaube, dass gerade auch die Verantwortlichen selbst oft erst einmal lernen müssen, was es überhaupt heißt, in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einzunehmen. Zwar zeigt der verliehene Titel „Umwelthauptstadt“, dass man da in der Vergangenheit schon einiges richtig gemacht hat. Aber er verpflichtet in meinen Augen auch, die Bemühungen zu intensivieren: Als Umwelthauptstadt auf dem Marktplatz eine Tanzbühne aufzustellen, die Energie erzeugt, oder einen Zug mit einer fahrenden Ausstellung zum Thema durch Europa gondeln zu lassen, reicht nicht. Eine Stadt, die den Namen zu Recht tragen will, sollte fundamental und für jeden nachvollziehbar in eine nachhaltige Zukunft investieren. Auf Ökostrom setzen etwa, Begrünung, nachhaltige Architektur, energetische Sanierung der Altbauten, alternative Verkehrskonzepte, biologische Schulspeisung, umweltschonende Müllentsorgung und so weiter und so fort. Da spielt die Musik.




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