UHS.de: Herr Breuer, Sie sind Geschäftsführer der Think Schuhwerk GmbH. Was zeichnet die Schuhmarke Think! aus und an welche Zielgruppen richtet sich Ihr Angebot?
Walter Breuer: Think! Schuhe sind in erster Linie für das ausgefallene Design und ihre Bequemlichkeit bekannt. Viele unserer Kundinnen und Kunden lieben die Schuhe einfach aufgrund des besonderen Aussehens und weil sie so individuell sind. Aufgrund des wechselbaren Fußbettes werden Sie gerne zu den Komfortschuhen eingeordnet.
Hat Think Schuhwerk eine (Nachhaltigkeits-)Vision?
Vision kann man das eigentlich nicht mehr bezeichnen, wir leben die Vision. Think! war von Anfang an eine nachhaltige Marke. Martin Koller hat Anfang der 90er das Familienunternehmen, die Marko Schuhfabrik GmbH übernommen. Seine Vision war es damals mit Herz und Hirn gesunde, bequeme aber trotzdem schöne Schuhe zu kreieren. Diese Vision hat er mit der Marke Think! umgesetzt und wir leben sie bis heute in allen Bereichen des Unternehmens.
Welches sind Ihre wichtigsten Nachhaltigkeits-Kriterien nach denen Sie produzieren und ihre Unternehmensaktivitäten generell ausrichten?
Die wichtigsten Kriterien sind gesunde und nachwachsende Materialien zu verwenden und unter fairen Arbeitsbedingungen qualitativ hochwertige und damit langlebige Schuhe in Europa herzustellen.
Wie gehen Sie sicher, dass die größten Vergehen der Textil- und Schuhbranche, wie Kinderarbeit und unmenschliche Arbeitsbedingungen verhindert werden? Wie kontrollieren Sie Ihre Wertschöpfungskette?
Sowohl die Produktionsstätten als auch die Ledergerbereien sind europäische Familienunternehmen, mit denen wir seit vielen Jahren eine Partnerschaft pflegen. Die Konzentration auf Europa macht es für uns möglich, das Gerben der Leder, die Herstellung der Schuhe und die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen ständig selbst zu überprüfen.
Rund 85 Prozent des für Schuhe verwendeten Leders werden mit Hilfe der Chromgerbung gegerbt, das stark in der Kritik steht, weil es Allergien auslösen kann und die Umwelt belastet. Welche alternativen Gerb-Methoden gibt es und wie arbeiten Sie?
Wir versuchen soweit es qualitativ vertretbar ist, vegetabil, also pflanzlich gegerbte Leder zu verwenden. Bei der pflanzlichen Gerbung werden die Häute mit natürlichen Extrakten haltbar gemacht. Chromgegerbtes Leder kommt nur zum Einsatz, wenn eine pflanzliche Gerbung nicht die von uns vorausgesetzte Qualität bringt (z.b. Lichtechtheit bei bestimmten Farben). Auf jeden Fall sind alle Innenfutter unsere Schuhe vegetabil gegerbt. Alle Schuhe die komplett aus vegetabil gegerbtem Leder bestehen, werden mit einer grünen Blume gekennzeichnet. Damit können sich auch Chromallergiker sicher sein, dass kein Chrom zur Gerbung des Leders verwendet wurde.
Leider hat sich das Thema Nachhaltigkeit aus Konsumentensicht bisher vorwiegend nur im Lebensmitteleinzelhandel durchgesetzt. In der Schuh- und Textilbranche ist dieses Verantwortungs-Bewusstsein leider im „Mainstream“ noch nicht angekommen. Wieso glauben Sie, achten aktuell so viel mehr Menschen darauf was sie essen anstatt darauf, was sie tragen?
Der Endverbraucher stellt bei nachhaltigen Lebensmitteln den Anspruch, dass diese in Qualität und Geschmack den „normalen“ Lebensmitteln zumindest ebenbürtig sind. Nachhaltigkeit wird in Zukunft ein Grundpfeiler qualitativ hochwertiger Mode sein, die Kaufentscheidung wird aber über Design und Begehrlichkeit der Produkte fallen.
Wie könnte man mehr Verbraucher dazu motivieren, mit dem Kauf fairer (Schuh-)Mode aktiv für westliche Werte einzusetzen? Sollte hier die EU-Politik einheitliche und strengere Rahmenbedingungen festlegen?
Faire Mode muss einfach für die Masse attraktiver werden. Viele der Labels haben noch immer den Kartoffelsackcharme, den nur wenige anziehend finden. D.h. in erster Linie muss das Angebot stimmen. Dann müssen natürlich die Verbraucher darauf aufmerksam gemacht werden, was sie eigentlich kaufen und wie die Produkte hergestellt werden. Dies sollte in der Verantwortung jeder einzelnen Marke liegen.
Viele große Textilketten versuchen mit eigenen Öko-Kollektionen Minus-Punkte wettzumachen bzw. aktiv um Vertrauen zu werben. Wie beurteilen Sie diese Aktionen?
Jede Aktivität zur Stärkung des Konsumentenbewusstseins hinsichtlich Nachhaltigkeit wird von uns begrüßt. Es bleibt dann die Entscheidung des Endverbrauchers, wieviel Vertrauen er den Bestrebungen der einzelnen Anbieter entgegenbringt.
Wie können Verbraucher wirklich nachhaltige Schuhmode erkennen, welchen Zertifikaten können Sie vertrauen?
Wir haben keine Zertifikate und halten auch nicht viel davon, da die Konsumentinnen und Konsumenten kaum einschätzen können, was damit ausgedrückt werden soll. Wir haben zum Beispiel unseren eigenen Kriterienkatalog zur Überprüfung von Schadstoffen in unseren Schuhen entwickelt, dass kein Zertifikat abbilden kann. Wir investieren das Geld lieber in die Information des Verkaufspersonals unserer Partnerhändler, damit sie den Endverbraucher kompetent über die Markenphilosophie und die Werte von Think! informieren können.
Welches sind Ihre Meilensteine für die nächsten 5 Jahre?
Anstelle der Meilensteine verfolgen wir die Strategie der täglichen kleinen Schritte. Unsere Mitarbeiter sind dazu angehalten, ihr Handeln ständig auf Verbesserungen hinsichtlich Nachhaltigkeit zu überprüfen. Somit vergeht kaum eine Woche, in der wir nicht Prozesse verändern und damit meist auch verbessern.