Grüne Wirtschaft

Nachhaltige Lederprodukte mit Charakter

Interview | Du fragst dich, wie die Produktion nachhaltiger und fairer Geldbeutel und Taschen aussehen kann und was hinter pflanzlicher Ledergerbung steckt? Das und mehr erfährst du in diesem Beitrag.

Interview | Du fragst dich, wie die Produktion nachhaltiger und fairer Geldbeutel und Taschen aussehen kann und was hinter pflanzlicher Ledergerbung steckt? Das und mehr erfährst du in diesem Beitrag.

25.06.2020 | Ein Interview geführt von Deborah Iber

Bei dem Schweizer Unternehmen Margelisch werden hochwertige Lederprodukte aus nachhaltigen Rohstoffe unter fairen Bedingungen in Handarbeit hergestellt. Wie das funktioniert und wofür das Unternehmen steht, erzählt uns Geschäftsführer Reinhard Margelisch im Interview. 
 

LifeVERDE: Herr Reinhard Margelisch, bitte stellen Sie uns Margelisch einmal kurz vor.

REINHARD MARGELISCH: Die Grundlage unseres Schaffens basiert auf der Verwendung nachhaltiger Produktionsrohstoffe und einer sozialverträglichen Produktion. Da alle unsere Produkte, wie Taschen, Rucksäcke und Geldbörsen, in Handarbeit entstehen, erachten wir dies als entscheidenden Aspekt unserer Produktauthentizität. Im Laufe der Jahre haben wir festgestellt, dass dieser Anspruch auch jener unserer Kunden*innen entspricht.

In Zeiten, in denen die ganze Welt von Digitalisierung spricht, versuchen wir in unserer Produktionsweise Bewährtes zu bewahren. Alle unsere Produktionsrohstoffe werden von Hand zugeschnitten. Diese Arbeitsweise ermöglicht es uns, kleine Restmengen von Leder in der Produktion unserer RFID-blockierenden Lederbörsen wieder zu verwenden. Eine automatisierte Produktion würde dies verunmöglichen. Da wir in der Produktion bestrebt sind Arbeitsplätze zu schaffen und nicht weg zu rationalisieren, werden wir auch künftig keine digital gesteuerten Nähmaschinen verwenden. Beim Bewahren solcher Prozesse schützen wir Arbeitsplätze und fördern das Kunsthandwerk - so bleiben unsere Produkte auch künftig authentisch. Von Menschen für Menschen gefertigt.

Was macht Ihre Lederprodukte zu einer nachhaltigen Alternative?

Wir wenden uns ab von Fast Fashion-Produktionen, die für den Müll produziert werden. Dementsprechend wählen wir zum einen ökologisch sinnvolle Produktionsrohstoffe (wie Bio-Baumwolle) und -verfahren, zum anderen produzieren wir langlebige Produkte. Sollte ein Produkt während der Garantiezeit von 24 Monaten ein Material- oder Produktionsmangel aufweisen, reparieren wir das Produkt in unserer eigenen Reparaturwerkstatt, statt dieses direkt zu ersetzen. Dies aus nachhaltigen Überlegungen, da heute meist mangelhafte Artikel sofort entsorgt werden. 

Wir wollen uns mit unseren traditionell gefertigten Produkten immer aktuellen Themen zuwenden. Dementsprechend fertigen wir ausschließlich Börsen mit integriertem RFID-blockierendem System. Produkte die up to date sind, werden von Kunden*innen länger getragen, da es keinen Bedarf für ein anderes Produkt gibt. Diese Denkweise ist Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie.
 

Für Ihre Produkte verwenden Sie pflanzlich gegerbtes Leder. Wie läuft dieser Prozess ab und welche Rohstoffe werden dazu verwendet?

Die pflanzliche Gerbung nutzt natürliche Tannine aus Rinde und Blättern, macht das Leder straffer und lässt es schön altern. Beim Vollnarbenleder wird die oberste Schicht der Häute verwendet, welche die stärksten Fasern enthalten. Das Leder ist anilingefärbt, was bedeutet, dass kein Pigment verwendet wird, um natürliche Defekte im Leder zu verbergen. Eine pflanzliche Gerbung dauert wesentlich länger als eine chemische, was zu einer erheblichen Preisdifferenz führt. Dies hält leider viele Produzenten von einer Umstellung auf diese natürliche Produktionsweise ab.  

Unser Leder ist ein Naturprodukt, wobei einige Kratzer und Unvollkommenheiten sichtbar sein können. Diese natürlichen Variationen stellen keine Mängel oder Defekte dar, vielmehr zeugen sie von Charakter der Produkte. Das Leder altert im Verlaufe der Zeit und erhält seine natürliche Patina, welche unsere Designsprache zusätzlich unterstützt.

Welche Vorteile hat eine pflanzliche Gerbung gegenüber einer „konventionellen“?

Die pflanzliche Gerbung von Leder hat drei wesentliche Vorteile gegenüber konventionell gegerbtem Leder mit Chrom.

  • Chrom gegerbtes Leder ist hoch giftig in der Produktion für Mensch und Umwelt. In vielen Produktionen sind ganze Landstriche kontaminiert, da Produktionsabfälle über Jahrzehnte auf dem Areal rund um die Gerbereien entsorgt wurden.
  • Die Chemikalien greifen die Haut und Atemwege der Gerber dramatisch an, da sie dauernd ungeschützt in Kontakt mit giftigen Chemikalien sind.
  • Für Allergiker*innen, die auf Chrom reagieren, sind pflanzlich gegerbte Leder eine echte Alternative.
     

Die Margelisch Produkte werden in Handarbeit in Indien gefertigt. Wie garantieren Sie faire Arbeitsbedingungen vor Ort?

Mit der Produktion von MARGELISCH versichere ich, dass die Mitarbeiter*innen fair für die Arbeit, die sie verrichten, entlohnt werden. Die faire Produktion beinhaltet somit eine angemessene Entlohnung des Personals sowie einen ausgehandelten Preis, der die Produktionskosten deckt und ein langfristiges Einkommen gewährt. Er beinhaltet zudem langfristige Produktionsgarantien.
In der Produktion werden Arbeitsplätze für Frauen und Männer geboten. Ich versichere, dass keine Kinder im Produktionsprozess involviert sind. Die Manufaktur ist SEDEX-zertifiziert und wird laufend einem Sozialaudit unterzogen.

Wir fördern die ökonomische Stabilität in der Manufaktur in Kalkutta (Indien), indem wir 80% der Produktionskosten vorfinanzieren. Diese Sicherheit des Produzenten bietet entsprechend die Lohnsicherheit der Mitarbeiter*innen. Wir übernehmen die volle Verantwortung der Produktionsaufträge, indem wir 100% der Produktion vor der Verschiffung der Ware finanzieren.

Ich bin jährlich 3-6 Wochen zur Entwicklung von Kollektionsmustern und Implementierung von Arbeitsprozessen in der Produktionsstätte. Dementsprechend bin ich in der Lage selbst und direkt auf Produktionsstandards Einfluss zu nehmen, im Sinne unserer Kriterien.
 

Am Beispiel eines Margelisch-Geldbeutels: Wir würden gerne den Produktionsprozess von den Rohstoffen bis zur fertigen Geldbörse kennenlernen.

Da unsere Lederbörsenproduktion an die Gerberei gekoppelt ist, wird die ganze Lederproduktion für unsere Produkte inhouse produziert. Dies hat zwei wesentliche Vorteile. Zum einen kennen wir immer unsere Leder, zum anderen werden Transportwege minimiert. Nach der Lederproduktion gelangen die produktionsfertigen Häute zum Zuschnitt. Sämtliche Häute werden von Hand in die verschieden kleinen Einzelteile wie bei den Börsen benötigt geschnitten. Nach dem Zuschnitt wird die RFID-blockierende Folie auf die dafür vorgesehenen Teile der Börse angebracht. Alle Innenfächer werden nun mit einem Futterstoff versehen, so dass die RFID-Folie kaschiert wird. Nach der Prägung des MARGELISCH Logos in das Leder, werden Druckknöpfe angebracht, sowie Reißverschlüsse vor dem Nähen vorgeleimt. Alle diese Einzelteile werden nun zu einer Börse vernäht. Die fertigen Börsen werden nun von Produktionsspuren gereinigt und auf Verarbeitungsqualität geprüft. Die Börsen gehen nun zur Verpackungsabteilung und werden einer zweiten Qualitätsprüfung unterzogen und versandbereit gemacht.

Welche Bedingungen in Ihrer Branche würden Sie gerne ändern, damit alles noch etwas nachhaltiger abläuft?

Ich wünschte mir, dass sämtliche Lederproduzenten auf natürliche Gerbstoffe umstellen würden. Man stelle sich vor, welche Ledervolumen nur schon in der Möbel – oder Autoindustrie verarbeitet werden.
 

Auf welche Produktneuheiten dürfen sich die Margelisch Kunden*innen in der nächsten Zeit freuen?

Im Februar kam mir die Idee, aus alten Ledersofas von der Straße und von Entsorgungshöfen neue Lederbörsen zu fertigen. Seit Februar haben wir an unserem Hauptsitz in der Schweiz ein System aufgebaut, dass es uns ermöglicht, alte Ledersofas in ihre Bestandteile zu zerlegen. Das Leder wird gereinigt und wird von uns in der Schweiz zugeschnitten. Die Bestandteile wie Metalle, Holz und Futtermaterial werden sortenrein getrennt, so dass nicht mehr komplette Sofas verbrannt werden müssen. Metalle werden rezykliert, aus dem Holz entstehen Spanplatten und Reststoffe wie Füllmaterial landet im Verbrennungsmüll. Nach unseren Messungen können wir bei einem einzelnen Sofa durchschnittlich 85% des Gesamtgewichtes vor der Verbrennung retten.

Bilder: Margelisch

 

Lies auch: Nachhaltige Lederalternativen erobern die Modewelt

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