Grüne Wirtschaft

Nachhaltig schlürfen: Bio-Saft ohne Wasser und mit weniger Verpackung

INTERVIEW | Schon mal drüber nachgedacht, wieviel Wasser in Fruchtsäften steckt, das Verpackungsgröße und Transport erhöht? Green-Bag hat´s – und eine nachhaltige Bio-Saft Variante entwickelt.

INTERVIEW | Schon mal drüber nachgedacht, wieviel Wasser in Fruchtsäften steckt, das Verpackungsgröße und Transport erhöht? Green-Bag hat´s – und eine nachhaltige Bio-Saft Variante entwickelt.

02.07.2021 | Ein Interview geführt von Deborah Iber | Bilder: Green-Bag, Unsplash / Євгенія Височина


Es ist das Normalste für uns, eine 1 Liter Packung Saft zu kaufen. Was aber den Wenigsten bewusst ist: In den Säften steckt ein ziemlich großer Anteil an Wasser. Das ist per se natürlich nichts Schlechtes – wenn man es von derselben Seite wie Green-Bag betrachtet allerdings schon. Martina und Bernhard ist nämlich aufgefallen, dass durch den hohen Wasseranteil eine Menge Wasser durch die Gegend gefahren werden muss, die Verpackung größer ist und dadurch mehr Müll entsteht.

Wie die beiden das ändern wollen, was die Bio-Säfte von Green-Bag ausmacht und wie die Idee überhaupt entstand, erfährst du im Interview mit Martina und Bernhard.

 

LifeVERDE: Martina und Bernhard, ihr habt Green-Bag ins Leben gerufen. Was ist eure Mission und wie kamt ihr zu der Idee?

Martina und Bernhard: Die Mission ist ganz einfach und dennoch sehr komplex: unser Ziel lautet den europäischen Fruchtsaftmarkt ehrlicher und nachhaltiger in die Zukunft zu führen. Um das zu verstehen, müssen wir uns vor Augen führen, was denn der Inhalt einer heute verkauften Saftpackung ist. Rund 63% aller in Europa verkauften Fruchtsäfte werden aus Konzentraten hergestellt – in einer 1 Liter Packung stecken dann rund 20% Fruchtsaftkonzentrat und rund 80% Wasser. Darüber denkt natürlich niemand nach und auch für uns ist das Bewusstsein zu diesem ressourcenverschwendenden Unsinn erst durch eine Entdeckung auf einer Reise durch Schweden entstanden. Schweden ist derzeit das einzige Land in Europa, in dem Fruchtsaftkonzentrate in kleinen Packungen bereits verbreitet in Regalen zu finden sind, gar nicht aus dem Nachhaltigkeitsaspekt heraus, sondern als alteingesessenes Produktkonzept – mische Dir deinen Saft in einem Krug und feiere gemeinsam (es gibt auch in Schweden keine einzige wiederverschließbare Packung in dem Produktsegment).

Martina entdeckte also die Packungen und es hat bei ihr zu arbeiten begonnen. Warum gibt es solche Produkte nicht in Österreich oder Deutschland? Wir sind doch privilegiert mit hervorragendem Wasser aus der Leitung, warum nutzen wir es nicht um Fruchtsaft selber zu mischen? Was ergibt sich daraus für ein Effekt für die Umwelt und ist es nicht auch eine praktische Methode, Schleppen zu ersparen und Raum zu sparen? Martina hat ihre Gedanken mit mir geteilt und na ja, damit war das Feuer entfacht und Green-Bag quasi gegründet.

Green-Bag Gründer Bernhard und Martina
 

Euer Hauptziel ist es also den Wassertransport, der üblicherweise bei der Herstellung von Fruchtsäften anfällt, deutlich zu verringern. Schildert uns einmal das Problem und wie ihr dem entgegenwirkt.

Wie schon gesagt werden rund 63% aller im Handel angebotenen Fruchtsäfte aus Konzentraten hergestellt. Bei der Abfüllung wird den Konzentraten wieder Wasser zugesetzt und so ein trinkfertiger 100% Fruchtsaft in die bekannten großen Verpackungsformate gefüllt. Kurz gesagt, wir verpacken rund 80% Wasser, transportieren das Wasser, schleppen das Wasser, um dann ein Glas z.B. Orangensaft zu trinken. Wir haben uns oft die Frage gestellt warum es überhaupt dazu gekommen ist. Es ist jedenfalls zumindest in Gebieten mit hoher Trinkwasserqualität absolut entbehrlich, wenn es entsprechend alternative Lösungen gibt.

Diese Lösung haben wir auf den Markt gebracht. Wir verzichten bei der Abfüllung auf den Rekonstruktionsprozess und füllen das reine Fruchtsaftkonzentrat in Bioqualität in kleine 200ml Packungen zum Selber mischen mit Wasser. So sparen wir und unsere Konsumenten mit der Green-Bag Lösung 66% Müll und 80% Transportvolumen und somit CO² Ausstoß ein.
 

Statt einer Menge Wasser enthalten Green-Bag Säfte pures Fruchtsaftkonzentrat in Bio-Qualität, ohne Zucker und Konservierungsmittel. Aus welchen Früchten werden eure Fruchtsäfte hergestellt und ist darin auch wirklich nur die Frucht?

Ja, wirklich nur die Frucht, kein Zucker und keine Konservierungsmittel. Aktuell gibt es unsere Bio Fruchtsaftkonzentrate in den drei gängigsten Fruchtsaftvarianten Apfel, Orange und Multifrucht. Unsere Multi hat die intensivste Produktentwicklung benötigt, da es ein Blend aus einer Fruchtkomposition ist. Wir haben uns für eine milde Variante aus Apfel, Orange, Traube, Pfirsich, Ananas, Banane und Zitrone entschieden und unzählige Verkostungsrunden dazu umgesetzt. Wir glauben, die Multi ist wirklich am Punkt, aber natürlich hat jeder Konsument seine Vorlieben – also einfach einmal probieren.
 

Dann zum Äußeren der Green-Bags: Ihr habt die Ökobilanzen verschiedener Getränkeverpackungen verglichen und euch für den Getränkekarton entschieden. Wieso ist dieser eurer Meinung nach am umweltfreundlichsten?

Verpackung ist immer ein heikler Punkt und flüssige Produkte benötigen eben eine Verpackung. Aus unserer Sicht ist das nachhaltigste Trinken sowieso das Wasser aus der Leitung, aber hin und wieder ist eben auch ein Glas Fruchtsaft etwas Feines. Für uns sind von Anfang an nur zwei Varianten in Frage gekommen: Eine Mehrweg-Glaslösung oder eben die Getränkeverbundkartonvariante. Nach intensiven Überlegungen haben wir uns für die Kartonvariante entschieden, da unser Fokus auch auf den internationalen Vertrieb unserer Produkte liegt und auch der Onlinehandel ein spannender Bereich für unsere Produkte darstellt und das Verhältnis Gewicht zu Wert im Bereich Getränke optimal ist. Für beide Bereich, Export und Onlineversand, ist eine Mehrweglösung und der Verpackungsstoff Glas nicht optimal geeignet, sowohl aus ökologischer Sicht als auch aus Produktsicherheitsgründen (Bruchgefahr). Im Dialog mit Tetra Pak haben wir für unsere Packungen die aktuell nachhaltigste Variante für unsere Verpackungen gewählt, welche auch im Kunststoffbereich bereits rund 70% Material aus nachwachsenden Rohstoffen einsetzt. Wir sind auch laufend weiter in Gesprächen mit Tetra Pak, um immer die neuesten Entwicklungen zu kennen und einzusetzen.

In den nächsten Jahren ist unser Ziel, die Packungen zu 100% aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen zu können – wir werden jedenfalls mit an Bord sein.
 

Die Green-Bag Getränkekartons bestehen aus FSC-Holz und Zuckerrohr-Kunststoff. Wieso ist dieses Material nachhaltig und kann der Getränkekarton einfach auseinandergenommen und recycelt werden?

Leider ist der Recyclingprozess noch nicht optimal gelöst. Auf der einen Seite ist die Rücklaufquote der Getränkeverbundkartonpackungen noch sehr gering – viele Kartonverpackungen werden im Restmüll entsorgt (Tipps zur korrekten Mülltrennung). Es braucht auch eigene Recyclinganlagen die in der Lage sind, die unterschiedlichen Schichten zu trennen. Im Prinzip funktioniert das wie eine große Waschmaschine. In der Trommel werden die Packungen in ihre Bestandteile zerlegt, die Zellulosefasern werden zu Kartonprodukten recycelt, die Kunststoffanteile werden aktuell thermisch verwertet, also zur Energiegewinnung verbrannt. Das ist noch weniger gut.

Welche Prozessschritte gehören bei der Entstehung der Green-Bags Fruchtsäfte dazu? Nehmt uns einmal mit auf die Reise vom Rohstoff bis zum gefüllten Getränkekarton.

Nehmen wir einmal das nächste Obst, den Apfel her. Die Äpfel zur Saftproduktion werden zum Produktionsstandort geliefert, dort in große Betonwannen gekippt und mit Hilfe einer angelegten Wasserrinne gereinigt. Dann geht es schon in die Presse mit dem Ergebnis eines direkt gepressten Saftes. Hier trennen sich nun die Produktionsmethoden von Direktsaft und Konzentrat. Der Direktsaft wird pasteurisiert und eingelagert, oder er geht in den Konzentrationsprozess. Bei diesem Prozess werden mit einem thermischen und Vakuumverfahren die Flüssigkeit und auch die Aromen von den festen Bestandteilen getrennt. Es entsteht eine dickflüssige reduzierte Masse, die auch sehr gut gelagert und platzsparend transportiert werden kann. Vor der Abfüllung werden die zuvor abgetrennten fruchteigenen Aromastoffe wieder auf die dickflüssige Maße gesetzt (im Prinzip also wie ein Baukasten aus unserer Kindheit) und dann zur Abfüllanlage transportiert. Dort erfolgt dann die Abfüllung, bei uns ohne Rekonstruktionsprozess, also ohne zusetzen von Wasser.
 

Könnt ihr uns an einem Beispiel erläutern, wieviel Wasser, CO2 und Rohmaterial tatsächlich durch eure Green-Bags im Gegensatz zu konventionellen Fruchtsäften eingespart werden könnte?

Wir haben eine Skalierung für den europäischen Markt in Bezug auf Mülleinsparung, Transport und CO²-Ausstoß berechnet, die das Potential der Idee und das Impactpotential auf die Umwelt sehr gut darstellt:

  • Der pro Kopf Verbrauch an Fruchtsäften in der EU liegt bei rund 18 Litern pro Jahr (Einwohner EU = 447 Mio Menschen), bedeutet einen Jahresbedarf von rund 8 Mrd. Liter Fruchtsaft pro Jahr.
  • Der Anteil von direktgepresstem Fruchtsaft lag 2018 bei rund 37%, daher werden rund 63% Fruchtsäfte aus Konzentrat in rekonstruierter Form verkauft = rund 5,0 Mrd. Liter Fruchtsaft aus Konzentrat.
  • Nicht jeder in Europa hat Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser, aber laut einer Befragung wird Wasser aus der Leitung von rund 65% der Europäer*innen getrunken. Somit würde sich ein theoretisches Potential für Fruchtsaftkonzentrate zum selber verdünnen von 3,25 Mrd. Liter Fruchtsaft jährlich ergeben.
  • Die Einsparung beim Verpackungsmaterial würde dann (Vergleich 1 Liter Packung zu unserer 200 ml Packung, Einsparung in Gramm pro Packung 26 Gramm) gesamt nahezu 85.000 TONNEN Müll bedeuten!!!!
  • Im Bereich Transport würden (berechnet auf vollen LKW-Zügen, Basis 624 Packungen 1 Liter auf 1 Palette vs. 3240 Packungen 200ml Konzentrat) 127 421 LKW-Züge jährlich von den europäischen Straßen wegfallen. Die Strecke der geparkten LKW (Basis 16m Länge pro LKW) würde rund 2000km betragen, das entspricht ca. der Strecke von Wien nach Moskau.

Sind das nicht Argumente, um unsere Gewohnheiten zu ändern und zukünftig den Saft selber zu mischen?
 

Danke für das ausführliche Beispiel!

Wo sind euer Bio-Saft erhältlich und ist für die Zukunft noch weiteres von Green-Bag geplant?

In Österreich haben wir schon eine gute Distribution mit Listungen bei Interspar, Spar Gourmet, Metro, Transgourmet, Denns und vielen weiteren unabhängigen Bioläden erreicht. In Deutschland sind wir im stationären Handel derzeit nur in einigen Denns Läden beziehbar. Aber wir haben einen sehr gut funktionierenden Onlineshop und liefern ab einem Bestellwert von 30 € kostenfrei ins gesamte deutsche Bundesgebiet.

Betreffend der Frage nach neuen Ideen liegt unser Fokus jetzt einmal auf dem Aufbau des bestehenden Sortimentes und der Verbreitung der Grundidee bei der Bevölkerung. In Folge ist natürlich auch eine Sortimentsausweitung geplant, die Ideen dafür sind schon in unserer grünen Tasche geparkt.

 

Vielen Dank für das Interview, Martina und Bernhard!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Green-Bag stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare - wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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