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Mut zur Veränderung: Die Story von Kleiderhelden

INTERVIEW | Warum gibt’s keine faire Unterwäsche, die wir selbst tragen würden? ...dachten sich die Gründer von Kleiderhelden – und machten es einfach selbst. Im Interview erzählen sie, wie aus Haltung ein Unternehmen wurde und was sie als Nächstes vorhaben.

INTERVIEW | Warum gibt’s keine faire Unterwäsche, die wir selbst tragen würden? ...dachten sich die Gründer von Kleiderhelden – und machten es einfach selbst. Im Interview erzählen sie, wie aus Haltung ein Unternehmen wurde und was sie als Nächstes vorhaben.

30.05.2025, Foto: Kleiderhelden

Die Gründer von Kleiderhelden wollten faire und nachhaltige Unterwäsche – und haben sie kurzerhand selbst produziert. Im Interview mit LifeVERDE erzählen sie von den Anfängen ihres Unternehmens, warum Bio allein nicht reicht und was „Wäsche mit Haltung“ für sie bedeutet. Sie geben Einblicke in ihre transparenten Produktionsprozesse, sprechen offen über wirtschaftliche Herausforderungen und verraten, wie sie mit ihrer Vision über Unterwäsche hinauswachsen wollen. Auch ihre Tipps für nachhaltige Start-ups lassen aufhorchen. Wer wissen will, wie man mit Überzeugung, Mut und einem langen Atem Mode neu denken kann, sollte reinschauen.

LifeVERDE: Kleiderhelden steht für nachhaltige und faire Unterwäsche – was war der Auslöser für die Gründung Ihres Unternehmens?

Für die Antwort müssen wir die Zeitmaschine auf 2011 stellen – eine Ära, in der Nachhaltigkeit zwar für einige im Bewusstsein war, aber gerade in der Modebranche (und ganz besonders bei Unterwäsche) noch ziemlich spärlich vertreten war. Nachhaltige Materialien? Eigentlich kein Thema. Faire Arbeitsbedingungen? Noch viel weniger. Wir dachten uns damals: Warum gibt’s eigentlich keine Unterwäsche, die wir selbst mit gutem Gewissen tragen würden? Also haben wir einfach beschlossen, genau das anzubieten. Unser Motto war von Anfang an klar: „Unterwäsche. Bio und Fair.“ – zunächst nur Männer. Seit 2013 bieten wir auch tolle Unterwäsche für Frauen an. Im Jahr 2025 passiert bei uns sehr viel. Auch die Frage, ob unsere Ausrichtung auf Unterwäsche. Bio. Fair. noch alle Ideen abdeckt, haben wir uns gestellt. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir die Kleiderhelden in eine neue Ära führen wollen. Unsere Vision ist es, künftig auch tolle Lieblingsteile jenseits der Unterwäsche-Schublade anzubieten. Deshalb entwickelt sich unser Mantra weiter zu: Kleidung. Bio. Fair.

Welche Materialien verwendet ihr für eure Produkte und wie stellt ihr sicher, dass diese nachhaltig und fair produziert werden?

Unsere gesamte Unterwäsche besteht aus einem weichen und leichten Single-Jersey – mit 92 % Bio-Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) und 8 % Elasthan. Das Stoffgewicht liegt bei leichten 135–140 g/m² – genau richtig für ein angenehmes, luftiges Tragegefühl. Und ja, über den Elasthan-Anteil kann man diskutieren – haben wir auch! Am Ende stand für uns die Entscheidung fest: Langlebigkeit ist auch Nachhaltigkeit. Elasthan sichert uns den Tragekomfort über die lange Lebensdauer unserer Buxen hinweg. Unsere Baumwolle stammt ausschließlich aus Indien und ist Fairtrade-Cotton-zertifiziert. Produziert wird unter sicheren und fairen Bedingungen, zertifiziert durch GOTS und schadstofffrei nach dem OEKO-TEX® Standard 100. Wir arbeiten mit einem erfahrenen deutschen Hersteller von der Schwäbischen Alb zusammen. Alle unsere Produkte werden in Europa produziert.

Foto: Kleiderhelden

Euer Unternehmen wirbt mit dem Slogan „Wäsche mit Haltung“ – was bedeutet das konkret für euch?

Die Fantastischen Vier haben mal gesungen: „Es könnt’ alles so einfach sein – ist es aber nicht.“ Und genau das trifft’s ziemlich gut. Viele Modelabels machen es sich leichter – günstige Materialien, billige Hersteller, keine Zertifikate, Fokus auf wirtschaftliche KPIs und Margen. Aber genau das wollen wir nicht. „Wäsche mit Haltung“ heißt für uns, an die Vision zu glauben, dass die Modeindustrie anders funktionieren kann – fairer, transparenter, nachhaltiger. Wir haben nicht den bequemsten Weg gewählt, sondern den aus unserer Sicht richtigen. Auch wenn er komplizierter ist. Haltung bedeutet für uns, Entscheidungen zu treffen, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ethisch Sinn ergeben. Und unsere gesamte kleine Unternehmenskultur daran auszurichten.

Wie unterscheidet sich eure Produktion von konventionellen Herstellern im Bereich Unterwäsche?

2011 waren wir definitiv eher ein Unikat. Heute gibt es zum Glück mehrere Marken, die es ernst meinen und wirklich versuchen, Dinge besser zu machen – keine Frage. Das freut uns sehr. Gleichzeitig sehen wir unseren größten Unterschied zu vielen anderen in der Kombination aus Bio und Fair. Beides zusammen konsequent zu verfolgen, ist nach wie vor selten. Zwar steigt der Einsatz nachhaltiger Materialien stetig, aber der Marktanteil ist weiterhin relativ klein – und beim Thema Fairness hinken die allermeisten nach wie vor deutlich hinterher. Genau hier setzen wir an: Unterwäsche – Bio und Fair. Gleichzeitig stehen wir gerade selbst an einem spannenden Punkt: Wo wollen die Kleiderhelden künftig hin? Was ist der nächste Schritt? Wie können wir uns in Zukunft noch klarer unterscheiden – in Qualität, Haltung und Wirkung?

Welche Herausforderungen begegnen euch bei der Umsetzung eurer nachhaltigen Werte im Alltag – von der Produktion bis zum Vertrieb?

Die größte Herausforderung? Ganz klar: die wirtschaftliche Realität. Wir bewegen uns in einem Markt, in dem ein 10er-Pack Boxershorts bei H&M rund 40 Euro kostet – bei uns gibt’s dafür zwei Stück. Auch wenn wir natürlich eine andere Kundengruppe ansprechen und ein ganz kleiner Betrieb sind, sind vor allem auch durch Preise Wachstumspotenziale definiert. Insgesamt sind unsere Preise so kalkuliert, dass der Betrieb sich selbst trägt: Die Website ist bezahlt, unser lieber Schwiegervater Vitali wird für seinen Einsatz im Lager fair entlohnt – aber wir Geschäftsführer betreiben die Kleiderhelden als Hobby. Für Themen wie Marketing ist kaum Budget übrig. Diese enge Margensituation hat natürlich Auswirkungen auf alles – besonders auf den Vertrieb. Einzelhandel? Für uns nicht möglich. Die Margen, die der Handel erwartet, können wir nicht erfüllen, ohne entweder an der Qualität zu sparen oder unsere Ideale zu verraten. Beides kommt für uns nicht in Frage. Trotz allem sind wir superhappy und auch ziemlich stolz, dass es Kleiderhelden jetzt schon so lange gibt. Und wir sind allen Kunden mega dankbar, die unsere Produkte kaufen und gerne tragen.

Foto: Kleiderhelden

Wie wichtig ist euch Transparenz gegenüber euren Kund*innen, und wie setzt ihr diese konkret um?

Transparenz ist uns sehr wichtig. Transparenz ermöglicht bewusste Entscheidungen. Und bewusste Entscheidungen zu ermöglichen, ist essenziell für Veränderung. Transparenz bedeutet für uns daher vor allem eines: Wir verstecken nichts. Auf unserer Website finden sich viele Informationen zu Materialien, Produktion und Zertifizierungen – und wenn etwas fehlt oder unklar ist, beantworten wir jede Frage gerne persönlich. Aber Transparenz heißt für uns auch, ehrlich zu sein, wenn etwas (noch) nicht perfekt ist. Wir sprechen offen darüber, wo wir Kompromisse machen müssen, etwa beim Elasthan-Anteil oder bei wirtschaftlichen Grenzen. So ganz zufrieden sind wir noch nicht, und wir wollen unser Transparenzlevel noch weiter erhöhen. Wir möchten künftig noch viel konkreter und detaillierter über unsere Materialien, unsere Partner und unsere Prozesse berichten. Der Wille ist da – und wir arbeiten daran, das Schritt für Schritt umzusetzen.

Welche Vision verfolgt ihr langfristig mit Kleiderhelden – sowohl unternehmerisch als auch in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft?

 Ganz plump gesagt: Wir wollen uns in den nächsten Jahren in allen Facetten weiterentwickeln. Unsere Unterwäsche ist heute: bio, fair, bequem, langlebig – und (aus unserer Sicht) sieht sie auch ziemlich gut aus. Zum 15. Geburtstag der Kleiderhelden im kommenden Jahr haben wir einen großen Wunsch: Diese Attribute nicht nur in Boxershorts und Slips zu verpacken, sondern sie auch auf andere Kleidungsstücke zu übertragen. Eine kleine, feine Kollektion ist unser nächster Traum, an dem wir arbeiten. Auch beim Thema Materialien bleiben wir neugierig: Fair zertifizierte Bio-Baumwolle ist gut – aber es geht noch besser. Wir sind laufend auf der Suche nach Lösungen, die unsere ökologischen Ansprüche noch stärker erfüllen. Und: Wir möchten verstärkt mit Partnern zusammenarbeiten, um gemeinsam auf gesellschaftliche Themen aufmerksam zu machen. Wer also Lust hat, mit uns etwas auf die Beine zu stellen – meldet euch. Wir freuen uns über jede Kooperation, die Haltung hat.

Was würdet ihr anderen Start-ups oder Unternehmen raten, die ebenfalls auf Nachhaltigkeit umstellen möchten?

Es ist großartig, wenn Start-ups oder Unternehmen Dinge besser machen wollen. Genau das ist aus unserer Sicht die erste – und vielleicht wichtigste – Voraussetzung: Man muss Nachhaltigkeit und Fairness über reine Profitmaximierung stellen. Am Anfang steht also eine echte Überzeugung. Im nächsten Schritt geht es darum, herauszufinden, wo Veränderungen die größte Wirkung entfalten können – insbesondere für Unternehmen, die bereits bestehen und sich neu ausrichten wollen. Kleine Schritte sind natürlich wichtig, aber als Unternehmer:in steht man immer wieder vor der Frage, welche der vielen möglichen Maßnahmen sich wirklich auszahlen. Für Start-ups stellt sich diese Frage etwas anders. Hier geht es eher darum: Wie können wir es besser machen als die anderen?

 Diese Interviewfrage hat bei uns eine spannende Diskussion ausgelöst – und dabei sind uns drei Gedanken besonders wichtig geworden:
 – Einfach mal machen ist oft der beste Weg, um wirklich voranzukommen.
 – Lernbereitschaft und der Mut, Neues auszuprobieren, sind entscheidend.
 – Und nicht zuletzt: Der lange Atem, nachhaltige Veränderungen konsequent umzusetzen und durchzuhalten, ist am Ende der entscheidende Erfolgsfaktor.

Vielen Dank für das Gespräch!

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