Grüne Wirtschaft

Neue Dimension der Dachbegrünung: der "Pflanzstein"

INTERVIEW | "Wie nachhaltig eine Gesellschaft ist, hängt vor allem davon ab, wie sie wohnt." Davon ist Manuel Krämer überzeugt, der mit LaGrand Handwerk ein nachhaltigem Handwers- und Bauwerksbegrünungsunternehmen betreibt. Dabei werden die außerordentlichen Fähigkeiten der Natur auch für mehr Energieeffizienz genutzt.

Dachbegrünung & Wandgärten
Designelement

INTERVIEW | "Wie nachhaltig eine Gesellschaft ist, hängt vor allem davon ab, wie sie wohnt." Davon ist Manuel Krämer überzeugt, der mit LaGrand Handwerk ein nachhaltigem Handwers- und Bauwerksbegrünungsunternehmen betreibt. Dabei werden die außerordentlichen Fähigkeiten der Natur auch für mehr Energieeffizienz genutzt.

26.11.2019

LifeVERDE: Herr Krämer, wofür steht die „LaGrand Handwerk UG “ und worauf sind Sie spezialisiert?

Manuel Krämer (LaGrand Handwerk): Aus dem Handwerk des Zimmerers und des Dachdeckers heraus haben wir uns mittlerweile zu einem Bauwerksbegrünungsunternehmen entwickelt, das sich auf das Unkonventionelle spezialisiert hat. Vorwiegend führen wir Dachsanierungen (insbesondere Dachgauben und Flachdächer) mit unseren eigens konzipierten Begrünungsprodukten durch.

Unser Anspruch ist es, das bewährte Handwerk mit den außerordentlichen Fähigkeiten der Natur bzw. der Pflanzenwelt zu verbinden, um einen bisher nicht erreichten Grad an Energieeffizienz zu erreichen. Wie nachhaltig eine Gesellschaft ist, hängt vor allem davon ab, wie sie wohnt.

Welchen Einsatz-Radius decken Sie ab, wer sind Ihre Kunden?

Unsere Kunden sind bodenständige Hauseigentümer von nebenan, die ein Interesse an langlebigen Lösungen für ihr Dach haben.

Bisher haben wir uns auf den Bremer Kern fokussiert. Regionales Agieren schafft ein Höchstmaß an Flexibilität bzw. Erreichbarkeit. Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn man völlig neue Bauwerksbegrünungsprodukte installiert. Da ist es gut, die Entwicklung regelmäßig verfolgen zu können. Jetzt, wo wir einen sehr gut funktionierenden Kern an Begrünungsprodukten erarbeitet haben, sind wir auch bereit, überregional zu arbeiten. D.h. deutschlandweit.

Mit dem Pflanzstein haben Sie und Ihr Team eine neue Dachbegrünungsform entwickelt und patentiert.

Was darf man sich darunter vorstellen und welche Vorteile bringt sie?

Unser Pflanzstein Pfliese® erlaubt es unseren Kunden, das in die Jahre gekommene Flachdach (und in Zukunft vielleicht auch Schrägdach) kostengünstig und dennoch nachhaltig zu sanieren. Es macht die Wahl des Kunden zwischen einer teuren Komplettsanierung mit neuer Dämmung und einem kurzsichtigen Auftragen einer weiteren Bitumenbahn (was von Dachdeckern gerne auch 5-10 mal wiederholt wird, was Wasser im Bauwerk einschließt und das Dach mit unberechenbarem Gewicht belastet) obsolet. Mit dem Pflanzstein erhält er eine neue, absolut dichte, hitzeblockende und dämmende Dachoberfläche aus Stein, aus dem sogar noch eine Vielfältigkeit an Pflanzen erwächst. Außerdem besteht das Flachdach dann nicht mehr aus einem schnöden Grau, sondern aus einem eiscremeähnlichen Weiß, bis die Pflanzen den Stein ergrünen lassen.

Verraten Sie uns, woraus der Pflanzstein besteht?

Unser Pflanzstein besteht im Grunde aus dem gleichen Material wie die Sphinx von Gizeh. Jedoch mit dem Vorteil, dass unser Pflanzstein bereits bei seiner Herstellung giftiges Schwefeldioxid aus den Abgasanlagen von Kraftwerken bindet und gleichzeitig die überschüssige Schweinegülle von Landwirten beinhaltet, die unsere Böden vergiftet und neben dem Artensterben eines der größten globalen Umweltprobleme unserer Zeit darstellt. Unser Pflanzstein weist somit einen negativen ökologischen Fußabdruck bereits bei der Herstellung auf. Ganz zu schweigen von dem positiven ökologischen Effekt, wenn er erst einmal verbaut wurde und vielen wildbienennährenden Pflanzen einen neuen Spielplatz bietet. Der ökologische Fußabdruck einer Bitumenbahn von der Herstellung bis zum Abriss wirkt dagegen wie eine Satire.

Spezifischer ausgedrückt handelt es sich beim Pflanzstein Pfliese® um ein Produkt, das die beiden gefährlichsten Gifte für unsere Atmosphäre neutralisiert und zu neuem Lebensraum transformiert. Kalkstein bindet in Kraftwerken das hochaggressive Schwefeldioxid und wird zu REA-Gips (Rauchgasentschwefelungsanlagen-Gips). Wir mischen diesen Gips mit Gülle, sodass wir einen Stickstoffhaltigen Stein erhalten, der mit weiteren entweder natürlichen oder umweltentlastenden Zusätzen einen idealen Dachstein ergibt, der zwar Wasser speichert, aber dennoch nicht an die Bausubstanz durchdringen lässt.

Sie bieten sogar Fassadenbegrünungen in Form von selbstversorgenden Wandgärten an – wie funktioniert das und welche Vorteile ergeben sich daraus?

Wir sind bei der Entsorgung von Baustellenresten sehr zögerlich. Wir lagern erst einmal im eigenen Garten zwischen und irgendwann ergibt sich ein kreatives Projekt, das man aus diesen Resten herstellen kann. In meinen Augen sind Müll und Mangel die stärksten Katalysatoren für Kreativität. Der Wandgarten ist ein Resultat dieser Auffassung. Inspiriert durch Patrick Blancs „Living Walls“ verbinden unsere Wandgärten Handwerk mit dem hydroponischen Anbau. Konkret bedeutet das, dass die Wandgärten ohne Erde und ohne Gießen auskommen. In ihnen ist ein Wassertank integriert. Eine kleine, solarbetriebene Wasserpumpe befördert das nährstoffhaltige Wasser aus dem Tank in die Steinwolle, in dem sich die Pflanzen befinden. Überschüssiges Wasser läuft zurück in den Tank. Im Gegensatz zum konventionellen Anbau spart man dadurch 95% des Wasserverbrauchs ein. Idealerweise speichern die am Wandgarten installierten Mini-Solarpanels die Sonnenenergie im Pflanzstein (der übrigens auch ein natürlicher Akku ist) zwischen und geben sie an die Pumpe ab, wenn die Sonne nicht scheint.

Mit dem Wissen über die Einfachheit dieser Wassereffizienz bin ich jedes Mal fassungslos, wie verschwenderisch Blumenhändler im Sommer mit unserem aufwendig gereinigtem Wasser umgehen. Zumal es auch für die Wasserrechnung des Betriebes von Nachteil ist, diese Unmengen an Wasser versickern zu lassen. Aber so ist es nun einmal, Menschen sind nur schwer von ihren eingebrannten Gewohnheiten abzubringen.

Ideal sind unsere Wandgärten für Hausfassaden, Gaubenfassaden und andere Sonderbauten, die gen Süden gerichtet sind und im Sommer stark aufheizen. Die Wandgärten blocken die Hitze im Sommer, dämmen im Winter und bieten dabei noch ein ästhetisches Naturgemälde, das als Zier-, oder Nutzgarten oder einem Mix aus beidem fungieren kann. Fressfeinde kommen dabei nicht an die Pflanzen, was wiederum den Einsatz von irgendwelchen Giften unnötig macht.

Ein weiterer Vorteil ist die Kompaktheit der Wandgärten. Unser größter Wandgarten ist auch von zwei Frauen zu tragen und anzubringen. Der kleinste Wandgarten kann sogar von einem Kind getragen werden. Transportfähigkeit ist im Handwerk schließlich ebenfalls ein großes Manko. Baustoffe und Materialien sind in der Regel so produziert, dass sie im Grunde nur unter Mühen von muskelbepackten Männern zu tragen sind. Das mag produktionstechnisch günstiger sein, ist aber mindestens ergonomischer Unsinn und im schlimmsten Fall eine klare Benachteiligung von Frauen im Handwerk. Da ich unseren Betrieb gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin führe, kennen wir dieses Problem nur zu gut und haben somit einen starken Fokus auf Handlichkeit von Baustoffen bzw. Produkten.

Will man also eine ganze Hausfassade mit Wandgärten versehen, so besteht diese Fassade aus mehreren eigenständigen Zellen. Hat zum Beispiel ein Wandgarten ein Problem, leidet nicht die gesamte Fassade darunter; der Fehler kann partiell und somit effizient behoben werden.

Spielt der Nachhaltigkeitsgedanke bei Ihrer täglichen Arbeit auch eine Rolle?

Mittlerweile spielt der Nachhaltigkeitsgedanke nicht nur eine Rolle. Er leitet unsere tagtägliche Arbeit sogar an. Aber keineswegs aus reiner Ideologie. Je mehr man sich auf Lösungen einlässt, welche die Natur einbeziehen, desto mehr muss man einsehen, dass diese Lösungen auf Dauer auch die ökonomischsten sind. Und hier meine ich nicht nur die monetäre Ökonomie, sondern vor allem die persönliche, gesundheitliche Ökonomie. Die bewusste Arbeit mit der Natur macht erst recht kreativ und wirkt beruhigend die Seele. Natur erfüllt. Vor allem aber, wenn man mit ihrer Hilfe die bauwerkstechnischen Probleme seiner Mitmenschen lösen kann. Wir brauchen nicht einmal mit Gewährleistung zu werben; wenn die Kunden hören, welche einleuchtenden Produkte und Herangehensweisen wir anzubieten haben, zweifelt niemand mehr an der Langlebigkeit. Während unsere Kollegen mit ihren industriellen Lösungen die Natur bekämpfen wollen und sie somit zum Feind haben, arbeiten wir gemeinsam mit der Natur. Wie müssen Umwelteinflüsse nicht fürchten; sie sind sogar förderlicher Bestandteil unserer Lösungen. Wer nicht nachhaltig denkt, denkt eben nicht ökonomisch und verliert auf seinem Weg nach vorne immer ein wenig mehr als er gewinnt – selbst wenn der steigende Materialismus darüber hinweg täuschen mag.

Können Sie generell ein gesteigertes Interesse an nachhaltigen Bau- und Handwerkerlösungen erkennen? Wenn ja, was wird besonders gerne nachgefragt?

Nach meiner Erfahrung ist es die Ausnahme, dass Kunden gezielt nach grünen Handwerkslösungen suchen. Das ist nur bei „Insidern“ der Fall - wie z.B. Akademikern im naturwissenschaftlichen Bereich. Selbst Politiker machen sich nicht viel aus grünen Lösungen. Pauschal kann man sagen, dass es vom Dienstleister ausgeht, ob der Kunde einen grünen Auftrag erteilt, oder eben die Standardvariante ordert. Ich besitze z.B. die Courage und lehne von vorne herein Aufträge ab, wenn die grüne Lösung auf allen Ebenen die sinnvollste Lösung ist, aber aufgrund von Ignoranz oder falschem Dogma bloß als niedliche, aber nicht ernst zu nehmende Option betrachtet wird. Was leider bei Hausbesitzern in gehobenen Wohnvierteln gang und gäbe ist. Einen solchen Moralanspruch kann man aber natürlich nicht jedem Handwerker auflasten.

Den Spruch „Der Kunde bestimmt das Angebot“ wirkte schon immer falsch auf mich. Vielmehr galt er für mich wie ein moralischer Freifahrtschein. Er befähigt Unternehmen, selbst die unmoralischsten Produkte auf den Markt zu bringen, aber bei unangenehmen Fragen stets mit dem Finger auf die eigene Kundschaft zeigen zu können. Als würden die Kunden den Unternehmer zur Unmoral nötigen. Heute weiß ich mehr denn je, dass dieser Spruch absurd ist. Es ist immer der Unternehmer, der das Angebot bzw. die Möglichkeiten bestimmt. Eher ist folgender Spruch wahr: Je unmoralischer das Angebot, desto gieriger der Unternehmer. Und was moralisch ist, erkennt jeder, der nicht nur auf sein Ich im Jetzt blickt, sondern auf die Zukunft seiner Mitmenschen.

Wo sehen Sie beim Thema „nachhaltig Bauen“ sonst noch großes bisher ungenutztes Potenzial?

Gerne würde ich den Begriff „nachhaltiges Bauen“ an dieser Stelle enger fassen und auf „nachhaltiges Handwerk“ ummünzen. Hier gibt es schließlich noch gigantisches Potenzial zur Verbesserung. Dieses Potenzial wird sich aber nicht erschließen lassen, wenn kluge Köpfe außen vor gelassen werden. Der Blick von außen auf eine gewöhnliche Baustelle ist nicht gerade animierend, um als junger Mensch mit Potenzial ebenfalls ins Handwerk einzusteigen. Raue, schmutzige, oftmals auch animalisch wirkende Männer, umgeben von unhandlichen Baustoffe, ohrenbetäubendem Lärm und sonstigem Chaos. Wer wünscht sich eine solche Zukunft, wenn er in adretter Kleidung im mit Designermöbeln eingerichteten Büro sein kann?

Der abschreckende Eindruck, den viele Baustellen und ihre Akteure an die Außenwelt vermitteln, verhindert im Handwerk eine kreative Vielfalt. Leichtere, saubere und geräuschärmere Bauweisen durch entsprechend produziertes Material und Werkzeug würden die Arbeitsweisen zum positiven verändern und somit auch Menschen ins Handwerk führen, die es bislang gemieden haben. Diese neue Kultur würde für neue Lösungen sorgen, die auch international auf hohe Nachfrage stoßen würden.

Schnell kann man zum Schluss kommen, dass wir als kleines Land in Mitteleuropa ohnehin nicht viel ausrichten können, um die Umweltprobleme der Welt zu lösen. Aber das ist ein Trugschluss. Durch die Kreativität und den Fleiß, der bei uns vorherrscht, können wir nachhaltige Lösungen in die gesamte Welt exportieren – bis sie schließlich bei den größten Industrien der Welt ankommen und dort zum Standard werden. Aber wir müssen zuerst einmal zeigen, dass unsere nachhaltigen Lösungen die besten Lösungen auf dem Markt sind. Und das Handwerk ist das beste Testgelände dafür.


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