Grüne Wirtschaft

Im Experten-Interview: Florian Henle, Gründer und Geschäftsführer von Polarstern zum Thema Energiewende

"Der Ökogasmarkt steckt im Vergleich zum Ökostrommarkt noch in den Kinderschuhen."

"Der Ökogasmarkt steckt im Vergleich zum Ökostrommarkt noch in den Kinderschuhen."

UMWELTHAUPTSTADT.de: Herr Henle, Sie sind einer von vier Geschäftsführern der Firma Polarstern, einem nachhaltigen Energieversorger. Was unterscheidet Polarstern von den vielen anderen Anbietern im Markt?

FLORIAN HENLE: Wir treiben wie kein anderer im Energiemarkt die Energiewende bei Strom und bei Gas konsequent voran. Das heißt wir setzen nicht nur im Strommarkt ausschließlich auf 100 Prozent erneuerbare Ressourcen, sondern als erster Energieversorger, von Beginn an auch im Gasmarkt. Dort haben wir ein 100 Prozent Ökogasprodukt aus Reststoffen. Das erste, das auch preislich wettbewerbsfähig ist. Die Kombination aus fairen Preisen und einer echten Förderung beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist uns sehr wichtig.

Außerdem begreifen wir die Energiewende ganzheitlich und unterstützen so als erster Energieversorger den Ausbau erneuerbarer Energien hierzulande fest mit dem Ausbau einer nachhaltigen Energieversorgung in Entwicklungsländern. Schließlich teilen wir uns alle ein Klima und eine Umwelt.

In unserem ganzen Handeln ist uns Transparenz extrem wichtig. Unsere Kunden sollen wissen, von wem genau sie Strom beziehen und was und wen sie damit unterstützen. Auch das ist für den Energiemarkt leider bislang noch ziemlich ungewöhnlich – zumindest so konsequent wie wir es verstehen.
  
Das Polarstern-Team besteht aus einem Fischer, einem Papa und einem Koch, so beschreiben Sie sich selbst auf Ihrer Website. Hält der Ökostrom-Markt Nischen für enthusiastische kleine Startups wie Ihres bereit?

Eine gute Portion Enthusiasmus ist in unserem Geschäft sehr wichtig. Es treibt uns an und hilft uns, die Menschen zu begeistern, Ökostrom und Ökogas zu beziehen und so ihren Beitrag zur weltweiten Energiewende zu leisten. Die „Nische“, die wir dabei bedienen, ist recht groß. Es sind Menschen wie Du und ich, die Ökostrom und/oder Ökogas zu fairen Preisen beziehen wollen – oft liegen wir sogar unter dem örtlichen Grundversorger – und die damit wirklich etwas bewegen wollen. Und ich glaube, davon gibt es eine ganze Menge.

  
Auf Ihrer Website duzen Sie Ihre User. Ist die Zielgruppe von Polarstern eher jung und trendy?

Unsere Zielgruppe ist sehr gemischt – von jungen Studenten bis zu interessierten so genannten Best Agern. Einer unserer langjährigsten und ältesten Kunden ist über 90 Jahre alt. Unsere Kunden sind Menschen, denen es nicht egal ist, was und wen sie unterstützen. Es sind Menschen, die sich bewusst für Ökoenergie entscheiden. Sie haben ein großes Informationsbedürfnis und das berücksichtigen wir in unserer Kommunikation. Die direkte Ansprache auf der Webseite ist Ausdruck unserer transparenten und persönlichen Kommunikation, die wir mit unseren Kunden pflegen.


Für jeden neuen Kunden unterstützen Sie eine Familie in einem Entwicklungsland beim Umstieg auf erneuerbare Energien, wie genau darf man sich das vorstellen?

Für jeden Kunden helfen wir pro Jahr einer Familie in einem Entwicklungsland beim Bau ihrer eigenen Mikro-Biogasanlage. Nach dem erfolgreichen Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten wir eine Anschubfinanzierung – den Rest erbringen die Familien selbst. So erachten sie die Anlage auch wirklich als ihr Eigentum.

Durch die Mikro-Biogasanlage beziehen die Familien nicht nur saubere Energie aus erneuerbaren Ressourcen, sie verbessern auch ihre Gesundheit und ihren Lebensstandard. Schließlich sterben jährlich geschätzte vier Millionen Menschen an den Folgen häuslicher Luftverschmutzung, verursacht durch schmutzige Öllampen und offene Feuerstellen etc., mit denen die Menschen dort typischerweise kochen, heizen und Licht erzeugen. Mit unseren Mikro-Biogasanlagen, die mit tierischen und menschlichen Fäkalien betrieben werden, löst man viele dieser Probleme und produziert gleichzeitig seine eigene, saubere Energie. Und die Überreste, die bei der Biogaserzeugung anfallen, dienen als natürlicher Dünger für die Felder. So spart man sich nicht nur das Geld für Holz, Petroleum, Batterien sondern auch für den Dünger – der zudem oftmals chemischer Zusammensetzung ist.


Ihren Ökostrom beziehen Sie aus Kleinwasserkraftwerken. Meinen Sie, dass Wasserkraft der "beste" Ökostrom ist oder weshalb haben Sie sich für die Variante entschieden?

Wasserkraft ist in jedem Fall eine sehr gute natürliche Ressource zur Energiegewinnung. Wie gut sie tatsächlich ist, das hängt vom Einzelfall, das heißt von der einzelnen Anlage. Das kann man so pauschal nicht beantworten. Wir bei Polarstern achten daher darauf, von wem wir unseren Strom beziehen. Wir pflegen einen direkten Kontakt zu unseren Lieferanten –was uns sehr wichtig ist. Aktuell beziehen wir beispielsweise unseren Strom aus österreichischen Klein-Wasserkraftwerken. Der Strom kommt so aus kleinen, dezentralen und hocheffizienten Anlagen anstatt aus riesigen Staudämmen.

  
Fracking, also die Erdgasgewinnung aus tiefen Bodenschichten, scheint wirtschaftlich für viele Länder und Unternehmen wirtschaftlich sehr interessant zu sein. Welche Argumente muss die Erneuerbare Energien-Lobby finden, um dem Preiskampf Paroli bieten zu können und das nicht nur in Deutschland?

Stärkere, gemeinsame Aktionen gegen das Fracking sind wichtig und mit klaren Fakten an die gemeinsame Zukunft zu appellieren. Aktuell sind sowohl die „Anti-Fracking-Gruppen“ als auch die vorgebrachten Argumente sehr vielfältig und verlieren so leider an ihrer Wirkung. „Ein wesentliches Argument für uns ist dabei weitblickend auch im Sinne unserer Kinder und Enkel zu handeln. D.h. anstatt weiter fossile Ressource auszubeuten, die ebenfalls in Zukunft zur Neige gehen, ist es sinnvoller in erneuerbare Ressourcen investieren und so über den eigenen Tellerrand hinaus blicken.“


Was würden Sie sagen, sind Ökostrom-Bezieher noch immer Idealisten oder haben Sie und Ihre Mitbewerber es bereits geschafft, Wettbewerbsvorteile aufzubauen, die der Kunde auch im Portemonnaie spürt?

Reine Idealisten haben es auch im Energiemarkt schwer, zu bestehen. Es braucht einen gesunden Realismus, will man mit seinem Engagement wirklich etwas erreichen. Um die Verbraucher zu überzeugen, muss ein Angebot preislich attraktiv sein und dabei die Energiewende zu unterstützen.

Ökostrom hat es bereits auf breiter Ebene mit den fossilen Energietarifen aufgenommen. Viele Ökostromtarife sind oftmals sogar günstiger als die fossilen Tarife der Grundversorger – so zum Beispiel Polarstern.  

Der Ökogasmarkt steckt im Vergleich zum Ökostrommarkt noch in den Kinderschuhen. Hier hat Polarstern – unterstützt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – jetzt ein neues Handelssystem entwickelt. Es macht Polarstern’s 100 Prozent Ökogasangebot um über 40 Prozent günstiger als vergleichbare Tarife. Und basiert dabei auf organischen Reststoffen. Das heißt, es werden nicht extra Rohstoffe dafür angepflanzt.
  
Sie beschäftigen sich ja nun täglich mit dem Thema Ökostrom. Welchen Tipp würden Sie der Politik geben, was gesetzmäßig besser und anders gemacht werden könnte?

In erster Linie müsste die Politik stringenter und zuverlässiger in der Gesetzgebung und den Regelungen sind. Das ermöglicht eine bessere Planbarkeit für alle – für die Unternehmen in der Branche genauso wie für die Bürger. Auch sie sind inzwischen verunsichert und drohen angesichts der herrschenden Unsicherheit, in eine Art „Handlungsstarre“ zu verfallen.

Auch die Nutzung des Themas erneuerbare Energien und Energiewende als Wahlkampfthema ist ungeschickt, da sie die Bürger nur noch stärker verunsichert, ohne tatsächlich etwas zu bewegen. Die Politik sollte die Menschen lieber zum Handeln motivieren anstatt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen.

  
Wohin soll die Entwicklung von Polarstern mittelfristig gehen?

Wir wollen mit Energie die Welt verändern. Und dabei hilft uns jeder Kunde. Er leistet einen wichtigen Beitrag zu einem zukunftsfähigen Energiemarkt und für die weltweite Energiewende. Je mehr Kunden, umso größer die Wirkung. Wir wollen in ganz Deutschland als die Alternative wahrgenommen werden, will man wirklichen Ökostrom und/oder  wirkliches Ökogas beziehen“.




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