Grüne Wirtschaft

Im Interview: Michael Schramek, geschäftsführender Gesellschafter der EcoLibro GmbH zum Thema „zukunftsfähige Mobilitätskonzepte“

Grundsätzlich kann man sagen, dass Arbeitgeber dann bei ihren Mitarbeitern punkten können, wenn sie eine möglichst hohe Bandbreite an Mobilitätsangeboten schaffen

Grundsätzlich kann man sagen, dass Arbeitgeber dann bei ihren Mitarbeitern punkten können, wenn sie eine möglichst hohe Bandbreite an Mobilitätsangeboten schaffen

Herr Schramek, EcoLibro unterstützt Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen bei der Erarbeitung intelligenter Mobilitätslösungen.
Welche Vorteile haben Ihre Kunden durch Ihr Angebot? Was bedeutet „intelligente Mobilität“ für Sie im Wesentlichen?

Es gibt das Sprichwort von den ausgetretenen Pfaden, die man nicht verlässt. In der Mobilität trifft das ganz besonders zu. Bei jedem Einzelnen, noch stärker jedoch bei ganzen Organisationen, bilden sich starke Routinen und Verhaltensmuster heraus. Augenscheinlich vergleichbare Wege legen wir in stets gleicher Weise zurück. Schleichende Veränderungen im Mobilitätsbedarf führen nicht direkt zu einer Veränderung des Mobilitätsverhaltens, sondern man nutzt zunächst die alten Verkehrsmittel weiter. Schließlich kommt man ja auch damit noch ans Ziel. Dadurch finden auch die aktuell vielfältig neu entstehenden, alternativen Mobilitätslösungen nur sehr langsam Eingang in die gelebte Mobilitätspraxis von Organisationen. Die Schere zwischen Mobilitätsmöglichkeiten und Mobilitätspraxis geht immer weiter auseinander.

Im ersten Schritt unterstützt die EcoLibro GmbH ihre Kunden dabei, den eigentlichen Mobilitätsbedarf – losgelöst von der aktuell gelebten Mobilitätspraxis – transparent zu machen. Welche Wege werden mit welchen Verkehrsmitteln von wem wie oft und wann für welchen Zweck zurück gelegt. Welche Vor- und Nachteile bieten dabei die verschiedenen Verkehrsmittel bzw. –kombinationen, hinsichtlich der Reisezeit von Tür zu Tür, der Nutzbarkeit der Reisezeit, der Kosten inkl. Prozesskosten und Personalkosten für die nicht nutzbare Zeit und schließlich der Umweltwirkungen, letzteres meist festgemacht am Energieverbrauch und am CO2-Ausstoß. Aber natürlich spielen da auch noch zahlreiche weitere Faktoren wie z.B. gesundheitliche Aspekte eine Rolle.

Auf der Basis dieser Transparenz entwickeln wir dann im zweiten Schritt mit unseren Kunden die Mobilität des Betriebes weiter. Immer individuell, passend zum Bedarf des Unternehmens. Neben der Verfügbarkeit neuer Mobilitätsarten sind dabei vor allem die Ausgestaltung von Prozessen und Anreizen wichtig, die die Nutzung eines neuen Mobilitätsmix attraktiv machen.

Intelligente Mobilität bedeutet für uns die geschickte Nutzung eines breiten Mobilitätsmix. Also stets das richtige Verkehrsmittel für den richtigen Zweck. Wenn man das Spiel auf der gesamten Klaviatur der Mobilität beherrscht, macht das zum einen Spaß, zum anderen gelingt es, sich möglichst viele Vorteile der verschiedenen Verkehrsmittel nutzbar zu machen. Man ist schneller, günstiger, umweltfreundlicher, gesünder unterwegs.
 
Wie viel Optimierungspotenzial schlummert bei Unternehmen oder städtischen Einrichtungen und welche Einspareffekte lassen sich erzielen? Lohnt sich eine Überprüfung und Optimierung immer?

Die Optimierungspotenziale sind in fast jedem Betrieb sehr groß. Sie liegen teilweise in der konkreten Ausgestaltung der bereits genutzten Verkehrsmittel, ganz besonders aber auch in der Einbeziehung neuer, noch nicht genutzter Mobilitätsarten. Dabei spielt es keine Rolle, wie groß oder klein das Unternehmen ist, nur die Vorgehensweise in der Analyse, der Konzeptentwicklung und Umsetzung passt sich dann an. Bei kleinen Unternehmen reicht für den Einstieg in einen Veränderungsprozess oftmals schon ein Workshop mit allen Beteiligten, wohingegen in einem größeren Betrieb zunächst etwas aufwändigere Analysen erforderlich sind.

Die monetären Einsparpotenziale liegen regelmäßig deutlich über 30 %. Bei den „weichen“ Faktoren wie Umwelt und Gesundheit fallen sie im Regelfall noch höher aus, weil man dort in der Vergangenheit noch weniger angesetzt hat.
 
Geben Sie uns doch bitte ein bis zwei Beispiele für besonders innovative kreative Mobilitäts-Lösungen.

Intelligente Mobilitätssysteme zeichnen sich durch das geschickte Zusammenwirken verschiedener Bausteine als Gesamtsystem aus. Dabei spielen oftmals kleine Module eine wichtige Rolle für den Erfolg des Ganzen. Von daher lässt sich diese Frage – so plakativ sie gemeint ist – nicht ganz so einfach beantworten, wenn man nicht die komplette Breite eines Mobilitätssystems darstellen will.

Dennoch einmal zwei Beispiele für besonders herausragende Einzelkomponenten:

Wenn man einem Mitarbeiter nicht mehr pauschal einen „großen“ Firmenwagen zur geschäftlichen und privaten Nutzung überlässt, sondern ihm die Freiheit gibt, aus einem vergleichbar hohen Budget eigenverantwortlich den für ihn passenden Mobilitätsmix zusammenzustellen, wird das am Ende bei vielen Mitarbeitern deutlich wirtschaftlicher und ökologischer sein. Der eine nimmt sich statt des großen Firmenwagens nur noch einen kleinen, und zusätzlich ein Elektrofahrrad, mit dem er seine zahlreichen Wege im Nahbereich zurücklegt. Der andere nimmt sich gar kein eigenes Auto mehr, und nutzt stattdessen einen Mix aus CarSharing, Mietwagen, ÖPNV, Bahn etc. und senkt so Kosten und CO2-Ausstoß. Hört sich ziemlich unspektakulär an, stellt gerade größere Unternehmen vor eine echte – kulturelle – Herausforderung.

Als zweites Beispiel sei die Schaffung eines intelligent betriebenen Fahrzeugpools genannt, der aktuell unter dem Begriff „corporate CarSharing“ eine echte Renaissance erfährt. Früher hatten viele Unternehmen einen Pool, doch wegen gestiegener Personalkosten wurde die Bewirtschaftung von Pools zu teuer, so dass diese dem immer beliebter gewordenen Firmenwagen mit Privatnutzung und den Mietwagen zum Opfer fielen. Mit Hilfe von Technologie, wie man es aus dem öffentlichen CarSharing kennt, lassen sich nun Fahrzeugpools so betreiben, dass der geschäftliche Mobilitätsbedarf wirtschaftlich gedeckt, aber auch gleichzeitig eine unkomplizierte „Vermietung“ an die eigenen Mitarbeiter möglich ist. Das versetzt viele Mitarbeiter in die Lage, die eigene Mobilität ganz neu zu organisieren, z.B. zugunsten einer Mischnutzung von Fahrrad, ÖPNV, Fahrgemeinschaft und eben Poolfahrzeug ganz auf ein eigenes (Zweit-)Fahrzeug zu verzichten.   
 
Ein Schwerpunktthema in Ihren Konzepten ist die zentrale Frage, wie Mitarbeiter zu ihrem Arbeitsplatz kommen. Haben Sie ein paar Zahlen, die erläutern, welche Verkehrsmittel am häufigsten genutzt werden?

In den meisten Unternehmen stellt der Pkw das Hauptverkehrsmittel für den täglichen Weg der Mitarbeiter zur Arbeit dar. Üblicherweise liegt die Nutzungsquote bei mindestens 70 %, oftmals noch deutlich darüber. Ohne Zutun des Unternehmens liegt die Quote nur dann niedriger, wenn in den Innenstädten der Parkraum begrenzt und teuer sowie das Verkehrsaufkommen zu hoch ist. Dabei werden Pkw im Schnitt von 1,1 Personen genutzt, d.h. fast jeder kommt alleine.

Gleichzeitig stellt der Pkw für die Masse der Belegschaften das ineffizienteste Verkehrsmittel dar. In den meisten der von uns bisher analysierten Bertrieben wohnen mindestens 60 % der Mitarbeiter in einem Radius von 10 km. Je nach individueller Entfernung sind fast alle zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Elektrofahrrad oder Elektroroller schneller, günstiger, umweltfreundlicher und gesünder als mit dem Auto unterwegs. Das vielfach als Grund für die Pkw-Nutzung genannte schlechte Wetter ist zum einen viel seltener so schlecht als es von vielen subjektiv wahrgenommen wird, und zum anderen gibt es mit dem ÖPNV und Fahrgemeinschaften durchaus echte Alternativen zur Alleinnutzung des Pkw.      
 
Mit welchen Mobilitäts-Konzepten können Arbeitgeber bei Arbeitnehmern besonders punkten und wie sieht ein optimaler Mobilitäts-Mix aus?

Mobilitätskonzepte müssen zum Standort des Unternehmens sowie zum geschäftlichen und privaten Mobilitätsbedarf passen, insofern gibt es nicht ein Pauschalrezept für alle. Ganz grundsätzlich kann man aber sagen, dass Arbeitgeber dann bei ihren Mitarbeitern punkten können, wenn sie eine möglichst hohe Bandbreite an Mobilitätsangeboten schaffen, die die Notwendigkeit des Besitzes eines eigenen Fahrzeugs nicht erforderlich machen. Natürlich wollen immer noch viele ein eigenes Auto, aber es werden immer weniger. Beiden Gruppen muss ein Arbeitgeber etwas bieten.
 
Ist der Preis das Haupt-Entscheidungskriterium für die Verkehrsmittelwahl von Arbeitnehmern oder können Sie einen Bewusstseinswandel erkennen? Sind Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer bereit, für umweltfreundliche Alternativen unter Umständen auch mehr zu bezahlen?

Der objektive Preis, der ja mehr umfasst als die reinen Kraftstoffkosten, war für die meisten Menschen eigentlich noch nie das wesentliche Entscheidungskriterium für die Verkehrsmittelwahl auf den alltäglichen Wegen. Wenn das so wäre, würden wir nicht so viel und so große Autos fahren. Selbst ohne die Berücksichtigung der Fixkosten liegen die Kosten der Autonutzung in den meisten Fällen deutlich über denen der Alternativen.

Insofern gilt es, den Menschen den objektiven Preis bewusster zu machen. Dann werden sie auch erkennen, dass umweltfreundlichere Alternativen meist nicht mehr, sondern weniger kosten.

Das aus meiner Sicht dominierende Kriterium stellt die Zeit dar. Aber auch hier wiederum die subjektiv wahrgenommene Zeit, die sich aus der theoretischen Geschwindigkeit des Verkehrsmittels ableitet, und nicht die objektiv messbare Zeit von Tür zu Tür. Das Auto wird dabei regelmäßig überschätzt, die Alternativen unterschätzt.

Für immer mehr Menschen spielen die Umwelt- und Gesundheitswirkung ihrer Verkehrsmittelwahl eine entscheidungsbeeinflussende Rolle, die breite Masse macht sich darüber aber immer noch wenig Gedanken. Teilweise, weil ihnen die Zusammenhänge gar nicht bekannt sind, teilweise weil sie ihr bisheriges Verhalten nicht in Frage stellen wollen.
 
Welche Ihrer Beratungs-Angebote werden am häufigsten genutzt?

Unsere Kunden schätzen die Ganzheitlichkeit unseres Beratungsansatzes. Sie erkennen, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Insofern werden zu Beginn von Projekten meist alle Bereiche analysiert und transparent gemacht, also Fuhrpark, Geschäftsreisen sowie die Mobilität der Mitarbeiter auf den täglichen Wegen zur Arbeit. Erst danach fokussiert man sich auf die Handlungsfelder, in denen auf der Basis der Analysen FLEETRIS (Fuhrpark), BizMOBILEETY (Geschäftsreisen), JobMOBILEETY (Mobilität der Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit) und anderen die wesentlichen Potenziale identifiziert wurden.

Das unterscheidet uns von anderen Beratern auf dem Markt. Bestimmt gibt es Fachberater aus dem Bereich Fuhrpark, Travel usw. , die in konkreten Einzelfragestellungen eine höhere Detailkompetenz haben als wir. Unsere Stärke liegt in der vernetzten Betrachtung aller Aspekte der betrieblichen Mobilität, als Voraussetzung für die Schaffung optimaler Gesamtstrukturen. Und wenn dann in der Umsetzung tiefer gehendes Fachknowhow erforderlich wird als es uns selbst möglich ist, greifen wir auf das vielfältige Knowhow der mittlerweile 40 Mitglieder vom „Netzwerk intelligente Mobilität e.V.“ (www.nimo.eu) zurück, dessen Vorsitzender ich bin.
 
Verraten Sie uns, wohin die Reise von EcoLibro geht, welche Ziele haben Sie für 2013/2014?
Aktuell arbeiten wir intensiv an der Weiterentwicklung unserer Analysesoftware-Landschaft FLEETRIS, BizMOBILEETY und JobMOBILEETY. Wir wollen damit noch umfassender und schneller den tatsächlichen Mobilitätsbedarf transparent machen und - im Rahmen von Workshops gemeinsam mit unseren Kunden - unterschiedliche Lösungsansätze simulieren und so deren jeweilige Kosten- und Umweltwirkung darstellen, als Grundlage für zielgerichtete Umsetzungsentscheidungen.




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