Grüne Wirtschaft

Handgemachte Design-Keramik aus den Hedwig Bollhagen Werkstätten

INTERVIEW | Handgefertigte Keramik inklusive besonderen Design - das findest du bei den HB-Werkstätten der bekannten Keramikerin Hedwig Bollhagen.

INTERVIEW | Handgefertigte Keramik inklusive besonderen Design - das findest du bei den HB-Werkstätten der bekannten Keramikerin Hedwig Bollhagen.

07.12.2021 | Ein Interview geführt von Deborah Iber | Bild: Unsplash


Hedwig Bollhagen gilt als eine der bedeutendsten Keramik-Designerinnen Deutschlands und wurde durch ihr besonderes Dekor bekannt: funktionelle Formen verbunden mit Eleganz. In den HB-Werkstätten in Marwitz, wo der Keramik-Erfolg von Hedwig Bollhagen begann, werden bis heute besondere Keramikprodukte in Handarbeit hergestellt, die den charakteristischen Stil am Leben erhalten. Auch das Thema Nachhaltigkeit und Regionalität spielt in den Werkstätten eine Rolle.

Wie Nachhaltigkeit verstanden und umsetzt wird und wie die Keramikprodukte entstehen, erfährst du von Geschäftsführer Steffen Blochel.

LifeVERDE: Steffen, euer Unternehmen wurde 1934 in Marwitz von der bekannten Keramikerin Hedwig Bollhagen mitgegründet. Wer war sie und welche Werte hat sie vertreten?

Steffen: Hedwig Bollhagen entwickelte bis zu ihrem Tod 2001 mit ihrer Stilsicherheit, ihrem Freigeist, Fleiß und Mut unvergleichbares Design und machte die Keramik-Manufaktur zu einer Anlaufstelle der kreativen Avantgarde. Persönlichkeiten des Weimarer Bauhauses wie ihre früheren Kollegen Werner Burri, Theodor Bogler oder der Werkbundkünstler Charles Crodel fanden hier eine Wirkstätte und trugen zu Stil, Renommee und historischer Bedeutung der HB-Werkstätten bei. Mehrfach preisgekrönt, gehört Hedwig Bollhagen mit ihrer beispiellosen Karriere unweigerlich zu den wichtigsten Designer*innen Deutschlands.

Der Nachlass Hedwig Bollhagens wurde im Jahr 2015 auf die offizielle Liste der Nationalen Kulturgüter gesetzt und gehört damit zu den kulturhistorisch kostbarsten Kunstwerken Deutschlands. 

Wofür stehen die HB-Werkstätten heute, was ist gleichgeblieben, was hat sich verändert?

Die HB-Werkstätte ist die einzige, direkt aus dem Bauhaus hervorgegangene Manufaktur, die feinste Design-Keramik mit Originalformen herstellt und neu interpretiert. In den 1934 gegründeten Werkstätten in Marwitz am Rande Berlins entstehen heute limitierte Kleinstserien von höchster Qualität. 

Was findest du an Keramik als Material so spannend?

Mit Keramik kann man vieles machen: Drehen, Formen, Malen, Brennen, Schleifen und Glasieren. Keramik ist ein Ur-Handwerk – „voller Freudenquellen, aus denen man Kraft schöpfen kann, wie Hedwig Bollhagen in einem Artikel der Zeitschrift Form + Zweck 1957 formulierte. 

Was zeichnet das Design von Hedwig Bollhagen aus?

Die HB-Keramik ist bekannt für die Vollendung des Einfachen. Dadurch ist eine vielfältige Kombinierbarkeit der Dekore, Formen und des Designs möglich und das Keramikgeschirr ist zeitlos einsetzbar. 


Das Design der Hedwig Bollhagen Keramik ist zeitlos (Bilder: HB-Werkstätten). 

Das Keramikgeschirr wird heute weiterhin in Handarbeit in Marwitz hergestellt. Welche Schritte gehören dazu und wie aufwendig ist die Keramikherstellung?

Jedes Keramikprodukt durchläuft einen komplexen Herstellungsprozess und geht bis zu 60 Mal durch die Hände unserer erfahrenen Mitarbeiter*innen: 

  • Masseaufbereitung: Zunächst wird ein Tongemisch in Wasser gelöst, sodass ein Schlicker entsteht. Anschließend wird er zu Kuchen gepresst und die Masse gelagert. Sie maucht, bis sie die nötige Plastizität erreicht hat und wird durch die Vakuumpresse zu Hubeln weiterverarbeitet. Dabei wird der Masse die Luft entzogen.
  • Dreherei: In der Dreherei entstehen aus den Hubeln durch Eindrehen oder Überdrehen Platten, Schalen, Teller und Tassen. Jedes Teil wird Stück für Stück von Hand hergestellt, trocknet danach, bevor es noch einmal auf der Drehscheibe verputzt wird, um die rauen Stellen zu glätten.
  • Putzerei: Hier werden die lederharten Rohlinge von Nähten und Kanten befreit. Außerdem werden Deckel angepasst sowie Knöpfe für Deckel gepresst. Henkel, Tüllen und Knöpfe werden an Tassen, Kannen und auf Deckel garniert. Abschließend werden alle Teile verputzt. 
  • Ritz Dekor: Noch vor dem Schrühbrand wird auf den hellen, rohen Scherben eine dünnflüssige schwarze Engobe aufgetragen. In diese werden in Sgraffito-Technik feine Linien, Punkte und Ornamente eingeritzt.
  • Erster Brand: Die schwarze Engobe wird bei 1080 °C in den Scherben gebrannt, die Werkstücke werden dann nach zwei Tagen dem Ofen entnommen und kontrolliert.
  • Fayence Malerei: Mit dieser Maltechnik werden die Keramikstücke von Hand bemalt.
  • Glasurbrand: Auf den Rohbrand folgt der Glasurbrand. Während der Rohbrand mit 1080°C das chemisch gebundene Wasser aus der getrockneten Tonmasse herausbrennt, wird bei der Glasurbrandtemperatur mit etwa 1100°C die Glasur aufgeschmolzen. Mit dem Brennprozess verschmelzen Scherben und Glasur. Das langsame Abkühlen der Keramik im Ofen verhindert die Rissbildung.


Die gesamten Schritte der Keramikherstellung von Hewdig Bollhagen werden von Hand durchgeführt (Bild: HB-Werkstätten).

Was bedeutet Nachhaltigkeit für euch und wie wird sie in euren Werkstätten integriert?

Unsere Keramiken kommen bis auf wenige Gummidichtungsringe ohne Kunststoff aus. Nachhaltigkeit geht für uns jedoch deutlich weiter und ist für eine Manufaktur, die nicht nur eine Mangelwirtschaft erfolgreich überlebt hat, eigentlich Teil ihrer DNA.

Unsere Rohstoffe kommen aus Deutschland, unser wichtigster Bestandteil ist der Ton, ein Naturprodukt, das wir aus dem Westerwald beziehen. Aus ihm wird der Tonschlicker für unsere Handgießverfahren gewonnen. Der Überschuss wird immer wieder in den Produktionszyklus zurückgeführt. Unsere Mitarbeiter*innen, die mit ihm arbeiten, kommen aus der naheliegenden Umgebung, viele selbstverständlich mit dem Fahrrad. Unsere Keramiken werden in Marwitz ausschließlich von Menschenhand gemacht und verlassen die historischen Werkstätten nur zu unseren Endkund*innen, und zwar ohne Umwege über Ostasien oder andere Billiglohnländer. Das Ganze in Verpackungen, die wir schon seit Jahrzehnten üblich, wenn möglich wiederverwenden.

Vorratsdosen aus Keramik, die unsere Kund*innen zunehmend gegen Kunststoff ersetzen, sind seit vielen Jahrzehnten fester Bestandteil von Hedwig Bollhagens Sortiment, und ihr neuerlicher Erfolg zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nachhaltigkeit ist für uns eine Notwendigkeit, weil sie nicht nur unsere Umwelt und den Menschen schützt, sondern auch eine Frage moderner Wirtschaftlichkeit ist, die es ermöglichen kann, unseren Standort Marwitz mit seinen historischen Werkstätten zu erhalten. 

Welche Prozesse würdet ihr dahingehend gerne noch optimieren?

Unsere Keramiken werden mindestens zwei Mal gebrannt. Die dabei entstehende Abwärme möchten wir zurückgewinnen. Dazu arbeiten wir derzeit mit Fachleuten an einem Projekt zur Wärmerückgewinnung.

 

Vielen Dank für das spannende Interview, lieber Steffen!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an die Hedwig Bollhagen Werkstätten stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare - wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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