Grüne Wirtschaft

Die Pioniere der Nachhaltigkeit

UnternehmensGrün macht schon seit mehr als zwanzig Jahren politische Lobbyarbeit für bessere Rahmenbedingungen von nachhaltigen Unternehmen.

UnternehmensGrün macht schon seit mehr als zwanzig Jahren politische Lobbyarbeit für bessere Rahmenbedingungen von nachhaltigen Unternehmen.

27.01.2015 - Das Interview führte Marcus Noack

UMWELTHAUPTSTADT.de: Was ist die Aufgabe des Bundesverbandes der grünen Wirtschaft "UnternehmensGrün"?

DR. KATHARINA REUTER: UnternehmensGrün macht schon seit mehr als zwanzig Jahren politische Lobbyarbeit für bessere Rahmenbedingungen von nachhaltigen Unternehmen. Unseren mehr als 160 Mitgliedsunternehmen liegt daran, sich politisch einzumischen – und damit eine zukunftsfähige Wirtschaftsweise voranzubringen. Hierbei war der Verband immer parteipolitisch unabhängig. Wir sind gemeinnützig und finanziell unabhängig. Mit unseren Experten aus den Reihen der Mitglieder und des Vorstands nehmen wir Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse, werden bei Fachanhörungen im Bundestag gehört und entwickeln Konzepte für nachhaltiges Wirtschaften. UnternehmensGrün war anderen Wirtschaftsverbänden bei Positionierungen zur Nachhaltigen Entwicklung oftmals einen Schritt voraus – sei es bei der Ökologischen Steuerreform, sei es bei der Erfindung des EEG, bei der Agro-Gentechnik-Gesetzesnovelle – oder ganz aktuell beim Thema Freihandelsabkommen.


Was sind Ihre Ziele zum Thema nachhaltige Wirtschaftspolitik?

Für UnternehmensGrün geht ein ökologisch orientiertes Wirtschaften einher mit der sozialen Verantwortung von Unternehmen. Wir setzen – gerade um die Widerstandsfähigkeit von Regionen zu erhalten – auf die Förderung einer regionalen, klein- und mittelbetrieblich ausgerichteten Wirtschaftsstruktur. Impulse für mehr Umweltschutz, die die Wirtschaft auch heute noch brauchen, können aus einer umweltorientierten Förder-, Steuer- und Abgabenpolitik erbracht werden. Im Bereich der ökologisch orientierten Beschaffungs- und Investitionspolitik, gerade von bundeseigenen Institutionen, ist noch viel Luft nach oben – einheitliche Vorgaben und Standards würden hier enorme Nachfrage erzeugen.

Die Energiewende wird von der Bundesregierung verschleppt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien könnte viel schneller gehen. Wir sind in großer Sorge um die Bürgerenergie, die durch die neuen Instrumente wie z.B. Ausschreibungspraxis ausgebremst wird. Dabei ist die demokratische und dezentrale Entwicklung von Standorten der erneuerbaren Energieerzeugung ein wahnsinnig großer Meilenstein auf dem Weg zu einem Energiesystem, das nicht mehr nur von den großen Energiekonzernen beherrscht wird.

Auch die Verhandlungen um CETA und TTIP sehen wir sehr kritisch. Würde TTIP so umgesetzt, wie es sich gegenwärtig abzeichnet, können internationale Konzerne mithilfe der Verträge und dem Investitionsschutzabkommen Staaten erpressen. Bereits heute sind ca. 70 % der Investitionsschutzklagen gegen Umweltstandards und Maßnahmen zum Umweltschutz gerichtet.

Wer sind Ihre Mitglieder?

Die Mitgliedschaft des Verbandes setzt sich vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen zusammen. Aber es sind die Pioniere der Nachhaltigkeit (wie z.B. memo, GLS Bank, taz, oekom, EWS Schönau, Naturstrom) darunter, Profis der Effizienztechnologie (z.B. Kieback & Peter), zahlreiche mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnete Unternehmen (z.B. Brauerei Clemens Härle, Neudorff GmbH), inspirierende Start-ups wie BLYSS chocolate und viele vielfältig engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer.


Wie schafft man es, Nachhaltigkeit als echtes Kaufkriterium zu positionieren?

Nachhaltigkeit ist ja nach einer Studie der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie das „Anti-Depressivum für drohendes Marken-Burnout“. Es ist gut, wenn heute nachhaltiges Wirtschaften „als eine Art Medizin“ für schwächelnde Marken erkannt wird. Und es ist höchste Zeit, dass Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung zu selbstverständlichen Qualitätskriterien von Produkten und Unternehmen werden.

Bei den Verbraucher*innen ist der diffuse Wunsch nach „unschuldigem“ Konsum ohnehin stark ausgeprägt – das zeigen alle Konsumentenbefragungen. Aber es müssen auch einheitliche Standards mit einheitlichen Siegeln dahinter stehen – der Begriff „nachhaltig“ allein ist völlig austauschbar. Das ist bei Bio-Produkten zum Beispiel anders, dahinter sind definierte Richtlinien und ein Kontrollsystem -

da kann der Verbraucher drauf vertrauen. Genau so was brauchen wir europaweit einheitlich auch für Produkte ohne Gentechnik und auch im Textilbereich brauchen wir ein einheitliches Zeichen.


Wie stehen Sie zu der These, dass gesellschaftliches Engagement auch wirtschaftlichen Nutzen bringt?

Ich bin fest davon überzeugt, dass es künftig immer wichtiger wird, das Kernprodukt eines Unternehmens nachhaltig zu gestalten. Nicht bloßes CSR-Engagement mit dekorierendem Faktor – sondern hart daran arbeiten, dass das eigentliche Produkt grüner wird. Und die Pioniere haben es vorgemacht!

Die Öko-Pioniere aus den 80er Jahren, die „grünen Idealisten“ haben für diese Entwicklung den Weg bereitet, aus Überzeugung und mit Beharrlichkeit. Sie haben erfolgreiche Unternehmen aufgebaut und bieten heute nachhaltige Alternativen für alle Bereiche des Lebens an. Ob Kleidung aus Bio-Baumwolle, Strom aus erneuerbaren Energien, Lebensmittel ohne Pestizide und Kunstdünger, social banking, Elektroautos mit Ökostrom, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Naturkosmetik  die Liste der Unternehmen, die es geschafft haben, auch ökonomisch nachhaltig zu wirtschaften, ist lang!


Welches sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, mit denen die Nachhaltigkeits-Branche aktuell zu kämpfen hat?

Eine Herausforderung ist immer mehr die Unterscheidung zwischen Greenwashing und echter wertebasierter nachhaltiger Unternehmensentwicklung. Das Centre for Sustainability Management hat ja in der Untersuchung mit PricewaterhouseCoopers festgestellt, dass „das Nachhaltigkeitsmanagement in vielen Unternehmen vor allem durch die Motivation getrieben ist, die Legitimität des Unternehmens zu sichern.“

Wir brauchen daher Instrumente, bei denen tatsächlich Werte wie Menschenwürde, Solidarität, demokratische Beteiligung sowie ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Wir müssen mit dem Primat des Shareholder Values brechen. Es wird künftig nicht mehr um die Frage gehen, ob Unternehmen über Nachhaltigkeit berichten, sondern wie sie es tun.

 

Welche Veranstaltungen richten Sie 2015 aus?

Um nur einige Beispiele zu nennen:

13.3.2015: Wie steht es um die Gentechnikfreiheit auf dem Acker? Mit Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Bonde und dem Verband Lebensmittel ohne Gentechnik

26.3.2015: Alles Wachstum oder was? Was wir für eine zukunftsfähige Wirtschaft brauchen. Mit Ralf Fücks, Autor und Vorstand Heinrich-Böll Stiftung, Dr. Brigitte Dahlbender (BUND Baden-Württemberg) und Wolfgang Heck (GF Taifun Tofuprodukte).

23.10.2015: Jahrestagung in Kooperation mit der Heinrich-Böll Stiftung

Vielfältige Regionaltreffen (s. Webseite)


Was sind Ihre Visionen und Wünsche für die kommenden fünf Jahre in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Auf die Verbandsarbeit bezogen wünsche ich uns, dass es gelingt, ein Gegengewicht zur Übermacht der herkömmlichen Wirtschaftsverbände zu sein. Diese treten gerne mit dem Anspruch an, dass sie für "die Wirtschaft" sprechen. Da wir aber die Unternehmen vertreten, die für ein anderes Wirtschaften stehen, sagen wir „halt mal, es gibt auch Teile der Wirtschaft, die das anders sehen“ – aktuellstes Beispiel ist das Thema TTIP.

Für die Nachhaltigkeitsdebatte und –bewegung wünsche ich, dass der Konsens in der Gesellschaft, dass Unternehmensverantwortung über rein ökonomische Ziele wie Gewinnmaximierung und Wachstum hinausgehen muss, wächst. Die Vision ist, dass wir viel stärker über die tatsächliche Qualität der Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen reden. Und dass es gelingt, zu mehr Shared Value statt Shareholder Value zu kommen.




Kommentare
Angela Wiegand
26.02.2015
Hervorragend!
Ich lehre Gestaltung für Handwerker. Eine Weiterbildung der HWK München. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Aspekt davon. Welche unterstützenden Hinweise können Sie uns bitte geben, damit wir das (noch) kompetenter machen? Adressen, Literatur, Veranstaltungen, Referenten, die wir einladen könnten?
Herzlichen Gruß und Dank im Voraus! A. Wiegand

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