Gesellschaft

Das Potential von Insekten als alternatives Futtermittel

INTERVIEW | Dass die Produktion von Futtermitteln mit Umweltbelastungen einhergeht, ist kein Geheimnis. Eine nachhaltige Alternative könnten Insekten sein.

Insekten als Futtermittel
Designelement

INTERVIEW | Dass die Produktion von Futtermitteln mit Umweltbelastungen einhergeht, ist kein Geheimnis. Eine nachhaltige Alternative könnten Insekten sein.

05.11.2021 | Ein Interview geführt von Deborah Iber | Bild: Maksim Shutov, Unsplash

 

Dr. Marwa Shumo arbeitet als Postdoktorandin am Leibnitz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. in Potsdam. Dort geht sie der industriellen Massenproduktion von Insekten als Futtermittel und für die Abfallverwertung auf den Grund. Als „Lady of the Flies“ ist die junge Wissenschaftlerin ebenfalls in der Wissenschaftskommunikation aktiv. Für die künstlerische Darstellung ihrer Forschung wurde sie zuletzt im Rahmen des Bioökonomie-Camps 2021 ausgezeichnet. Die Forschungs-Convention wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Kooperation mit der Universität Hohenheim initiiert. Dies ist Teil des Wissenschaftsjahres 2020/21, das sich mit einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise beschäftigt, der Bioökonomie.

Im Interview gibt Marwa einen Einblick in ihre Insekten-Forschung und zeigt auf, welches Potential in der Schwarzen Soldatenfliege steckt.

 

LifeVERDE: Marwa, du bist auch bekannt als „Lady of the Flies“ und beschäftigst dich in deiner Forschung intensiv mit der schwarzen Soldatenfliege als alternatives Futtermittel. Wie kamst du zu diesem Thema und was motiviert dich daran?

Marwa: Ich war dabei das Thema „essbare Insekten“ für mein Promotionsvorhaben zu erforschen, als ich auf die Schwarzen Soldatenfliegen stieß. Ich hatte sie noch nie zuvor mit eigenen Augen gesehen, wurde aber immer neugieriger auf sie und beschloss, meine Doktorarbeit ihr zu widmen. Sagen wir, dass ich über diese Fliegen gestolpert bin und es war so etwas wie „Liebe auf den ersten Blick“.


Dr. agr. Marwa Shumo; Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e. V. (ATB), Potsdam (Bild: Marwa Shumo).

Welche Probleme verursachen die herkömmlichen in der Landwirtschaft verwendeten Futtermittel?

Traditionelle Futterquellen sind nicht nachhaltig. So wird beispielsweise die Produktion von pflanzlichen Futtermitteln wie Soja und Mais oft mit Entwaldung in Verbindung gebracht. Der Anbau solcher Pflanzen erfordert viel fruchtbares Land. Daher werden Bäume gefällt und Wälder einschließlich wilder Tiere aus ihren natürlichen Lebensräumen gerissen. Darüber hinaus werden für die Bewässerung solcher Pflanzen riesige Mengen Wasser benötigt. Außerdem führte die hohe Nachfrage nach Futtermitteln auf Fischbasis zur Überlastung der Fischerei und zur Zerstörung der Meeresumwelt.

Welche Eigenschaften machen die Schwarze Soldatenfliege zu einer nachhaltigen Futtermittel-Alternative und wie kann sie eingesetzt werden?

Die Schwarze Soldatenfliege ist eine tropische und subtropische Fliege mit einer kosmopolitischen Verbreitung, was bedeutet, dass sie vor allem in gemäßigten Regionen eine Vielzahl von Klimabedingungen toleriert. Es ist auch nicht bekannt, dass es sich um einen Schädling oder Krankheitsüberträger handelt. Mit ihrem relativ kurzen Lebenszyklus kann die Schwarze Soldatenfliege nahezu jede Art von organischem Abfall aufnehmen und effektiv abbauen. Die Fliege nimmt Proteine, Mineralien, Vitamine und Fette aus dem Abfall auf und speichert sie während ihrer Larvenstadien in ihrem Körper. Sie hört im Vorpuppenstadium auf zu fressen, verpuppt sich und verwandelt sich in eine erwachsene Fliege. Dann beginnt sie, die Nährstoffe zu verbrauchen, die sie während ihrer Larvenstadien aus dem Abfall gesammelt hat, um sich zu paaren, Eier zu legen und eine zweite Generation zu produzieren.

Die Fliege kann als biologisches Werkzeug im nachhaltigen und umweltfreundlichen Biomüllrecycling eingesetzt werden. Darüber hinaus können die protein- und nährstoffreichen Vorpuppen als Viehfutter verwendet werden. Tierfutter auf Insektenbasis ist nachhaltiger als Tierfutter auf Pflanzen- und Fischbasis. Umweltschäden können vermieden werden, wenn wir auf alternative Proteinquellen wie Insekten und insbesondere die Schwarze Soldatenfliege umsteigen.

Wie genau kann man sich deine Forschung vorstellen und welche Meilensteine hast du bisher erreicht?

Ich möchte mich mehr auf die Mikrobiota konzentrieren, die mit den Eingeweiden essbarer Insekten verbunden ist. Dies ist ein faszinierendes Forschungsgebiet, da einige Insekten das Potenzial haben, ihren gesamten Darminhalt zu sterilisieren. Wenn es uns gelingt, den Mechanismus hinter einem solchen Verhalten zu verstehen, können wir vielleicht mehr über biologische Antibiotika lernen. Antibiotikaresistenz ist ein aufkommendes Thema im Bereich Public Health, insbesondere angesichts unserer zunehmenden Abhängigkeit von synthetischen Antibiotika. Aktuell mache ich in diesem Bereich, der immer interessanter und beliebter wird, noch kleine Schritte. Ich freue mich auf die Zukunft der Forschung an essbaren Insekten und möchte – ganz sicher – einen großen Beitrag dazu leisten.


Bild 1 zeigt die Versuchsanordnung mit der Schwarzen Soldatenfliege, Bild 2 die Larven der Schwarzen Soldatenfliege an einem Stück Melone (Bilder: Marwa Shumo).

In EU-Gesetzen verändert sich aktuell einiges bezüglich Insektenproduktion & Co. Was ist hier der aktuelle Stand und was siehst du als größtes Problem bei der Umstellung von Futtermitteln?

Die EU-Gesetzgebung definiert Insektenmehl als verarbeitetes tierisches Protein (PAP). Daher eignet es sich als Futtermittel für Nutztiere (Geflügel, Schweine, Fische). Die Verordnung zum Rinderwahn verbietet jedoch die Fütterung von Nutztieren mit PAPs. Die jüngsten positiven Entwicklungen haben jedoch die Verwendung von Insektenmehl als Geflügel-, Schweine- und Aquakulturfutter in der EU ermöglicht. Da derzeit nur landwirtschaftliche Abfälle zur Aufzucht von Insekten verwendet werden dürfen, die als Viehfutter bestimmt sind, bleiben die Kosten für Insektenmehl hoch und können nicht mit anderen verfügbaren Proteinquellen konkurrieren. Maßnahmen zur Massenzucht und der Einsatz weiterer organischer Abfallströme zur Aufzucht von Insekten werden die hohen Preise vielleicht senken und die Menge des produzierten Insektenmehls erhöhen, um den europäischen Markt zu bedienen.

Könnte der Insekteneinsatz allein die Lösung für eine nachhaltigere Landwirtschaft sein oder muss sich dafür noch weiteres ändern?

Nein, wir müssen unsere gesamten landwirtschaftlichen Produktionssysteme umstellen. Erstens sollten wir lernen, weniger zu konsumieren, insbesondere wenn es um Fleisch geht. Wir sollten auch darauf abzielen, auf Null-Abfall-Produktionssysteme umzustellen, damit wir unsere Gewinne maximieren können, indem wir unsere Verluste reduzieren. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir neueste Technologien wie künstliche Intelligenz und Robotik am besten nutzen und den Klimawandel abmildern können, um Lebensmittel von guter Qualität und einem erschwinglichen Preis herzustellen.

Vielen Dank für das Interview, liebe Marwa!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Marwa Shumo oder an das BioökonomieCamp stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare - wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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Passend zum Thema: Veganer Fleischersatz: Mit Erbsen gegen die Massentierhaltung

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