Grüne Wirtschaft

Biobasierte Kunststoffe gibt es seit mehr als 120 Jahren

Biobasierte Kunststoffe sind aktuelll noch die Ausnahme. Kunststoffe, die auf Erdöl basieren haben derzeit noch einen Anteil von 99,9 %. Theo Besgen, Geschäftsführer des Kunststoff-Produzenten BeoPlast ist jedoch überzeugt: „Das heute mögliche „weg von Erdöl“ wird bereits in wenigen Jahren Realität sein.“

Biobasierte Kunststoffe sind aktuelll noch die Ausnahme. Kunststoffe, die auf Erdöl basieren haben derzeit noch einen Anteil von 99,9 %. Theo Besgen, Geschäftsführer des Kunststoff-Produzenten BeoPlast ist jedoch überzeugt: „Das heute mögliche „weg von Erdöl“ wird bereits in wenigen Jahren Realität sein.“

01.03.2017 - Bild © BeoPlast

LifeVERDE: Herr Besgen, Ihr Familienunternehmen BeoPlast produziert hauptsächlich anspruchsvolle Bauteile für den Automobilbau. Können Sie ein paar Beispiele nennen?

THEO BESGEN: Aber gern! BeoPlast produziert für die G -Klasse von Mercedes beipielsweise verchromte Kühlermasken, Mittelkonsolen und viele Funktionsteile im Motorraum, die Reibungen und Vibrationen mindern. Für die Volvo-Modelle XC 60 und XC 90 fertigen wir unter anderem Komponenten für die Sitze. Aber zu unseren Kunden gehören auch Unternehmen, die Filter zur Gewinnung von Trinkwasser aus Oberflächenwasser herstellen. Und BeoPlast produziert wichtige Bauteile für Li-Ionen-Akkus, die in Plug-in-Fahrzeugen eingesetzt werden.

Sie verfügen über spezielles Know-how und setzen vor allem auf biobasierte Werkstoffe. Was darf man sich darunter vorstellen und wie verbreitet sind diese derzeit in der Anwendung?

Biobasierte Kunststoffe sind die ältesten Kunststoffe überhaupt! So gibt es bereits seit mehr als 120 Jahren den Biokunststoff Galalith, der aus dem Protein der Milch hergestellt wird. Der Kunststoff ähnelt tierischem Horn, ist in allen erdenklichen Formen gestaltbar und hat erst in den 1950er Jahren durch die Entwicklung vollsynthetischer Kunststoffe auf Basis des damals günstigen Rohstoffs Erdöl Marktanteile verloren. Heute noch werden Stricknadeln, Füllfederhalter und Plektren für Gitarren aus Galalith hergestellt.

Obwohl Biokunststoffe bereits für sehr viele Anwendungen eingesetzt werden können, ist die Nachfrage eher gering. Noch sind diese Werkstoffe im Vergleich hochpreisiger als herkömmliche Erdölprodukte. Zusätzlich erfordern Biokunststoffe hinsichtlich ihrer mechanischen, optischen und thermischen Eigenschaften gelegentlich Kompromisse bei den Ansprüchen an die Produkte. Diese Aspekte lassen sich durch konstruktive Maßnahmen kompensieren, erfordern aber eine höhere Qualifikation der Produzenten. Nach aktueller Erfahrung sind B2B- Kunden nur bei erkennbarem Mehrwert zur Übernahme höherer Kosten bereit. Potentiale für einen Mehrwert liegen in der konsequent nachhaltigen Konzeption eines Produkts auch in Kleinteilen oder in einer Alleinstellung im Markt durch den Einsatz nachwachsender Rostoffe.

Kunststoffe, die auf Erdöl basieren haben derzeit einen Anteil von 99,9 %. Und noch liegt die Fokussierung beim Einkauf von Kunststoffprodukten auf einem möglichst niedrigen Preis. Trotzdem wächst die Bedeutung der Nachhaltigkeit bei der Konzeption von Produkten und Dienstleistungen merkbar. Entsprechend aufgestellte Unternehmen werden zu Taktgebern ganzer Branchen. Wie grundlegend innovative Ansätze den Markt verändern können, zeigt das Beispiel Tesla.

Können Sie einschätzen, wie nachhaltig Ihre Branche in Deutschland aktuell aufgestellt ist?

BeoPlast hat im Prinzip existierende Technik intelligent eingesetzt, um das Unternehmen klimaneutral zu betreiben. Wesentliche Hebel sind der Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen, die Wärmerückgewinnung aus der Produktion und die Umstellung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren aus Elektroantrieb. Das kann jedes Unternehmen mit einem ähnlichen Profil ebenso umsetzen. Damit und mit einigen anderen Maßnahmen entlasten wir die Umwelt um 1.300 t. CO2 und produzieren ohne den Ausstoß von Klimagasen. Das kann jedes andere Unternehmen ebenso machen und wird mit dieser Umsetzung keine wirtschaftlichen Nachteile haben. Im Gegenteil lohnt sich eine nachhaltige Unternehmensausrichtung, wenn man realitätsnah damit rechnet, dass es Regulierungen für die Umsetzung von Klimaschutzzielen geben wird. Aber um auf Ihre Frage zurück zu kommen: die Kunststoff-Branche hat diese Zeichen noch nicht erkannt und BeoPlast ist wohl bislang Vorreiter in ganz Deutschland.

Beoplast wurde kürzlich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Welche Kriterien waren ausschlaggebend und worauf sind Sie besonders stolz?

Zunächst ist bereits eine Teilnahme beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis durchaus anspruchsvoll. Bewerber müssen stringent anhand eines Fragebogens alle Aspekte der Nachhaltigkeit ihres Unternehmens darstellen. Damit nicht genug: auch in der Tiefe, zum Beispiel bei den Lieferpartnern, Mitarbeitern, Abnehmern und weiteren Anspruchsgruppen ist über das Engagement zu berichten. In einem zweistufigen Verfahren qualifiziert eine Jury die Bewerber. Die verbleibenden letzten zehn Unternehmen gehören sicher zu einer sehr hochkarätigen Auswahl. Das BeoPlast vor diesem Wettbewerbshintergrund 2016 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurde, ist schon ein überwältigender Erfolg und freut uns sehr. Wir werten das als Anerkennung für unser Streben nach Nachhaltigkeit und für deren Umsetzung.

Aber um Missverständnisse zu vermeiden: Nachhaltigkeit ist für uns ein Prozess, der nicht mit einer Preisverleihung endet. Im Sinne dieser Haltung war und ist der Deutsche Nachhaltigkeitspreis für uns eine Etappe – bei BeoPlast werden wir deswegen nicht die Hände in den Schoß legen.

Wie setzen Sie Nachhaltigkeit bei Ihren Mitarbeitern um, können Sie auch hier ein paar Beispiele geben?

Wichtig erscheint uns im ersten Schritt die Sensibilisierung für nachhaltige Lebensweise durch Information. Deswegen bieten wir für unser Team Infoveranstaltungen und -material zu gesunder Ernährung, Lebensmitteln aus der Region, Einsatz erneuerbarer Energien, Energiefresser im Haushalt, etc. an. Zusätzlich wollen wir mit finanzieller Unterstützung die Verhaltensänderungen motivieren. So übernehmen wir bei BeoPlast die Mitgliedsbeiträge für Sportvereine von Mitarbeitern, zahlen 50 Prozent der Kosten für die Anschaffung von Haushaltsgeräten mit A+++Effizienz und übernehmen 10 Prozent des Kaufpreises von E-Bikes. Um berufbedingte Mobilität zu reduzieren, bieten wir wo immer möglich Homoffce -Arbeitsplätze an. Da BeoPlast sechs E- Fahrzeuge betreibt, bieten wir unseren Mitarbeitern an Wochenenden diese Fahrzeuge nach Vereinbarung auch als Leihfahrzeuge an. Der E-Kleintransporter ist da besonders gefragt. Insgesamt können so praktische Erfahrungen mit E-Mobilität gesammelt und gleichzeitig private Transporte erledigt werden. Seit wir im letzten Jahr die benzingetriebenen Gartenpflegemaschinen durch zwei Bretonische Zwergschafe ersetzt haben, konnten wir feststellen, welche positive Wirkung dies auf die Mitarbeiter hatte. In den Pausen wird fast nicht mehr geraucht und stattdessen kümmert man sich mit Freude um die Schafe. Übrigens sollen auf Initiative aus der Belegschaft in diesem Jahr Honigbienen eine neue Heimat auf dem Betriebsgelände von BeoPlast finden.

Vor welche Herausforderungen stellt Sie der Nachhaltigkeitsaspekt aktuell?

Wir betreiben unser Unternehmen seit Mitte 2014 klimaneutral und sind mittlerweile bei den Details angekommen. Und wie überall sind die letzten 20 Prozent etwas schwerer zu realisieren. Momentaner Schwerpunkt ist die Ermittlung der durch unsere Geschäftstätigkeit verursachten Scope-3-Emissionen und deren Ausgleich. Eine systematische Erfassung ist durchaus eine Herausforderung. Wir möchten noch viel weiter „weg vom Erdöl“ auch bei den durch uns verarbeiteten Rohstoffen. Dafür müssen wir aber vor allem unsere Auftraggeber gewinnen – keine leichte Aufgabe in einem Wettbewerb, der vom Preis geprägt wird.

Sie haben das Unternehmen bereits von Beginn an und vor über 25 Jahren konsequent auf Nachhaltigkeitskurs gebracht. Welche Motivation treibt Sie dabei an und welches Feedback erhalten Sie?

Der wesentlichste Unterscheid zwischen Inhabergeführten Betrieben und Unternehmen, die von einem Management gesteuert werden, ist der, dass Inhaber ihre Ideen schnell ohne überflüssige Reibungsverluste umsetzen können. Deswegen haben wir bei BeoPlast auch eine hohe Wirksamkeit bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Meine Motivation zur Umsetzung liegt in der persönlichen Erkenntnis, dass wir durch ein unverändertes Handeln die Grundlagen unserer Existenz zerstören. Daraus wiederum ergibt sich die Notwendigkeit zur Veränderung des Verhaltens. Die bereits feststellbare Klimaveränderung durch die Menschen fordert naheliegende Konsequenzen und zwingt uns Prioritäten auf. Das kann man ignorieren, wird aber das Problem nur wachsen lassen. Als tätiger Inhaber eines Unternehmens sehe ich aber meine persönliche Verantwortung und erkenne gleichzeitig die großen Hebel zur nachhaltigen Gestaltung von Prozessen im eigenen Betrieb. Da Nachhaltigkeit bekanntermaßen aus dem Dreiklang Soziales, Umwelt und Wirtschaft besteht, ist die Wirtschaftlichkeit immer ein wichtiger Aspekt. Natürlich erwirtschaftet das Unternehmen BeoPlast einen angemessenen Gewinn – das ist kein Widerspruch, sondern ein logisches Ergebnis.

Erlauben Sie mir noch den Hinweis, dass in Ihrer Fragestellung ein Irrtum enthalten ist: BeoPlast wurde nicht von Beginn an auf Nachhaltigkeitskurs gebracht, sondern zunächst konventionell und wachstumsorientiert geführt. Aber vor ein paar Jahren hat bei mir ein grundlegender Prozess begonnen, der zu neuen Weichenstellungen in Richtung Nachhaltigkeit geführt hat.

Geben Sie uns einen kleinen Ausblick, wie sich Ihr Unternehmen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten in den kommenden 3-5 Jahren weiterentwickeln wird?

Dann wage ich mal einen Blick in die Zukunft und formuliere zwei mir naheliegend wirkende Annahmen:

1.       Der Preis für den Einsatz fossiler Energie wird wegen aufwendigerer Fördermethoden, steigender Nachfrage und dem Preiskartell OPEC steigen.

2.       Die Politik wird deutliche und weitreichende klimapolitische Leitplanken zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens setzen.

Sollten, was wahrscheinlich erscheint, beide Annahmen eintreten, werden sich nahezu alle Grundlagen für den auskömmlichen Betrieb eines Unternehmens wesentlich verändern.

Ich bin also zuversichtlich, dass die Zukunft für BeoPlast auch wegen der Klimaneutralität und der Energieversorgung aus 100 % erneuerbaren Quellen gut aussieht. Wenn ich das nicht ganz falsch einschätze, habe ich motivierte Mitarbeiter, die für hohe Qualität stehen, sich zunehmend mehr in den Nachhaltigkeitsprozess aktiv einbringen und überzeugt das Unternehmen nach außen repräsentieren. Soweit zur groben Richtung.

Etwas konkreter wünsche ich mir, dass bestehende und zukünftige Kunden ihre Chancen in nachhaltigen Unternehmensstrategien erkennen und ihre Lieferketten entsprechend ausrichten. Das heute mögliche „weg von Erdöl“ wird bereits in wenigen Jahren Realität sein.

Vielen Dank

 

Portrait BeoPlast

BeoPlast aus Langenfeld stellt Kunststoffbauteile her, die vornehmlich in der Automobilbranche zum Einsatz kommen und nach Kundenwünschen gefertigt werden. Das inhabergeführte Unternehmen bietet damit Auftraggebern wie z. B. Autoherstellern wichtige Nachhaltigkeitshebel: durch verbesserte Werkstoffeigenschaften können sie Gewicht und damit den Energieverbrauch in der Nutzung senken. Das Recycling der Kunststoffe aus Altfahrzeugen ist zu 100 % möglich, weil BeoPlast sämtliche Produkte nach Sorten kennzeichnet und so Cradle-to-Cradle möglich macht. BeoPlast will auch die eingesetzten Rohstoffe mit seiner „Mission_N“ ändern und fördert durch intensive Kommunikation aktiv das Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit bei den Auftraggebern, die bislang das Material vorgeben.

So werden Kunden über alternative und umweltverträglichere Werkstoffe informiert. Zusätzlich erhalten sie eine transparente Darstellung über die bei der Produktion vermiedenen CO2-Emissionen. BeoPlast ist Anwender und Mentor des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Das Unternehmen wurde 2016 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.




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