Grüne Wirtschaft

"Männliche Küken nach dem ersten Tag zu töten, weil sie unrentabel sind, ist für uns ethisch nicht vertretbar"

INTERVIEW | Wie nachhaltig sind eigentlich Bio-Eier? Erfahre im Interview mit dem Bio-Gut Rosenthal, was für eine artgerechte Haltung getan werden muss, welche Entwicklungen in der Gesellschaft notwendig sind und was verantwortungsbewusste Landwirtschaft bedeutet.

INTERVIEW | Wie nachhaltig sind eigentlich Bio-Eier? Erfahre im Interview mit dem Bio-Gut Rosenthal, was für eine artgerechte Haltung getan werden muss, welche Entwicklungen in der Gesellschaft notwendig sind und was verantwortungsbewusste Landwirtschaft bedeutet.

13.01.2021 | Ein Interview geführt von Marcus Noack | Bilder: Bio Gut Rosenthal

Möchte man Eier in der eigenen Lebensmittelliste nicht missen und gleichzeitig ethisch handeln, steht man vor einigen Mysterien: Bio, Freiland, aus der Region, Bodenhaltung... Aber welche Eier sind denn nun wirklich nachhaltig? Eines ist schonmal sicher: Bodenhaltung und Billig-Eier sollte man auf jeden Fall meiden. Dann geht's aber ins Eingemachte - Die Kennzeichnung. Dafür kannst du dich zum Beispiel beim BMEL schlau machen und besonders auf die erste Ziffer, den Haltungscode achten. 0 steht hier für Ökoligische Haltung, 1 für Freilandhaltung.

Dennoch gibt es leider in den Supermärkten noch ein viel zu großes Angebot an Eiern aus Boden- und Käfiighaltung. Das Kaufverhalten, die Landwirtschaft sowie Politik müssen sich ändern. Zumindest hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner einen ersten positiven Ansatz und will ab 2022 zumindest das „Kükentöten“ verbieten lassen. Henning Gauer vom Bio-Gut Rosenthal findet das eine gute Entwicklung, denn das Töten männlicher Küken ist für ihn ethisch nicht vertretbar. Herr Gauer ist mit seinem Bio Hof Gauer und dem Bio-Gut Rosenthal Experte, was eine ethische, artgerechte Tierhaltung rund um die "Produktion" von Eiern betrifft. Wir haben uns im Interview dazu mit ihm unteralten.

LifeVERDE: Herr Gauer, stellen Sie uns doch bitte einmal Ihr Bio-Gut Rosenthal vor.

HENNING GAUER: Das Bio-Gut Rosenthal ist eine zertifizierte Eierpackstelle in Bergneustadt. Wir sind angegliedert an den Bio Hof Gauer, der einer von 700 Bioland-Höfen in NRW ist. Die Bio-Gut Rosenthal sortiert, verpackt und vermarktet Bioland-Eier nicht nur von dem Bio Hof Gauer, sondern auch von unseren Partnerbetrieben. Die Eier liefern wir dann an Groß- und Einzelhändler im ganzen Bundesgebiet, darunter EDEKA, Alnatura, Rewe, und denn’s Biomärkte.


Henning Gauer und Jonathan Gauer

Wie sind Sie und Ihre Familie zu dieser Aufgabe und dem Hof gekommen?

Wir haben den Hof quasi von meinen Eltern übernommen. Damals lebte hier nur noch eine Katze, da meine Eltern den Betrieb aufgegeben hatten. Mit 15 Hühnern im Bauwagen fing dann für uns alles an. Bei kleinen Bioläden im Umkreis habe ich unsere Eier damals persönlich angeboten. Die Anfrage stieg dann immer mehr, auch Restaurants haben angefragt, und so sind wir weitergewachsen und wurden standfester. Auch mein Sohn hat immer mehr Aufgaben auf unserem Hof übernommen und ist Ende 2019 mit 26 Jahren in die Geschäftsführung eingestiegen. Er ist jetzt für die Bereiche Personalien, Finanzen und Kommunikation zuständig, während ich weiterhin vor allem die Zusammenarbeit mit den Partnerhöfen koordiniere.

Ihr Betrieb arbeitet nach den BIOLAND-Richtlinien. Was bedeutet das für Sie konkret?

Für uns stand von Anfang an fest, dass wir unseren Hof ökologisch und im Nährstoffkreislauf der Natur wirtschaften wollen. Daher haben wir uns Bioland angeschlossen. Auch unsere Partnerbetriebe sind Mitglieder bei Bioland. Die Richtlinien des Verbands gehen weit über den gesetzlichen Mindeststandard des EU-Bio Rechts hinaus. Zum Beispiel halten wir und unsere Partner deutlich weniger Hühner pro Stall, sie haben mehr Auslauf und können artgerecht leben. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber die steigende Nachfrage nach Bioland-Produkten verdeutlicht, dass auch immer mehr Verbraucher Wert auf gesunde und ökologische Lebensmittel legen.

Warum sind Sie persönlich von Bio überzeugt?

Das Wohl der Tiere und ein schonender Umgang mit der Natur stehen für uns immer an erster Stelle. Eine konventionelle Landwirtschaft ist für uns daher undenkbar. Wir glauben, dass wir nur dann gesunde und wertvolle Lebensmittel produzieren können, wenn wir die Erde nicht ausbeuten, sondern mit der Grundlage allen Lebens gemeinsam nachhaltig arbeiten. Bio ermöglicht uns, Schritt für Schritt unserem gemeinsamen Ziel näher zu kommen: Den nächsten Generationen eine bessere Erde zu hinterlassen.

Sie arbeiten in Ihrem Betrieb auch nachhaltig. Welche Themen machen in Ihrem Betrieb das Thema Nachhaltigkeit aus?

Wir haben vor einiger Zeit ein Blockheizkraftwerk auf unseren Hof integriert. Die Anlage versorgt unsere gesamte Produktion und die Server mit Strom und Wärme. Zudem versuchen wir, auch bei unseren Verpackungen nachhaltiger zu werden. Aktuell planen wir zum Beispiel einen neuen Eierkarton mit bis zu 40 Prozent Grasanteil in Kombination mit Recyclingpapier. Leider gibt es für uns noch keine passenden alternativen Transportmöglichkeiten, dennoch versuchen wir durch eine junge und sparsame LKW-Flotte die Umwelt zu schonen. Auch unsere Dienstreisen versuchen wir entweder mit unserem Elektroauto oder der Bahn zu erledigen.

Ihr Bio-Gut arbeitet mit über 16 Partnerhöfen zusammen und setzt sich seit 2017 für die Aufzucht männlicher Küken ein. Zwei Themen, die Sie sicherlich vor die ein oder andere Herausforderung gestellt haben. Wie haben Sie diese Aufgaben für sich gelöst?

Für jeden neuen Betrieb bedeutet der Bau eines Hühnerstalls oder der Umbau zu einem Hühnerstall eine hohe Belastung, nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch. Da wir weiterhin darauf angewiesen sind, dass sich Bäuerinnen und Bauern uns anschließen, möchten wir Ihnen einen Teil der Belastung nehmen. Einerseits unterstützen wir die Betriebe, wo wir nur können. Unsere fachliche Expertise ist auch hier in den letzten Jahren ausgebaut worden. Aber auch finanziell wollen wir den Betrieben nicht noch die Hahnenaufzucht zumuten. So haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass wir als Packstelle für die Aufzucht der Hähne sorgen. So werden die Eier der Höfe durch unseren Einsatz zu Hahnenglück-Eiern, ohne die Betriebe zu stark zu belasten. Wir wiederum können ein Wertschöpfungssystem aufbauen, um die Hähne vom Schlupf bis zum Endprodukt zu begleiten.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner will ab 2022 das „Kükentöten“ verbieten lassen. Wie stehen Sie zu diesem Thema und welche Herausforderung ergeben sich aus diesem Erlass für die Betriebe?

Männliche Küken nach dem ersten Tag zu töten, weil sie unrentabel sind, ist für uns ethisch nicht vertretbar. Daher befürworten wir natürlich das neue Gesetz. Für viele Betriebe stellt die Aufzucht jedoch eine große Herausforderung dar, besonders in finanzieller Hinsicht. Auch die Anschaffung der Legehennen wird wahrscheinlich teurer, da die Schlupfbetriebe wiederum Geld in die Hahnenaufzucht investieren müssen. Höfe, die schon eine gute Direktvermarktung haben, können sich vermutlich anpassen. Ein Netzwerk mit verschiedenen Partnern könnte für Eierproduzenten ein alternativer Lösungsansatz sein, um die eigene Wertschöpfungskette zu erweitern. Wenn unsere Partner Legehennen bei einem Schlupfbetrieb bestellen, kaufen wir aus dem gleichen Schlupf die Hähne dazu. Sie werden dann mit unseren finanziellen Mitteln bis zu 14 Wochen nach Bioland-Richtlinien aufgezogen. Am Ende kommt es dann natürlich darauf an, die Kunden für höhere Eierpreise oder Hahnenfleisch-Produkte zu sensibilisieren.

Neben Ihren ganzen Aktivitäten sind Sie aber auch noch kreativ und haben die Marke „Rosenthaler Hahnenglück“ ins Leben gerufen. Welche Produkte vermarkten Sie hierüber und mit welchem Versprechen?

Wir finanzieren die Aufzucht der Hähne über einen Mehrkostenaufwand bei unseren „Rosenthaler-Hahnenglück“-Eiern. Das Fleisch der Hähne wird für Convenience-Produkte wie Leberpastete, Fleischwurst, Jagdwurst und Babynahrung genutzt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, zukünftig noch mehr Hähne aufzuziehen – auch vor dem Hintergrund eines regionalen Ausbaus – und langfristig nur noch die Hahnenglück-Eier zu vertreiben. Für die konventionelle Hühnerhaltung wird es in Zukunft wahrscheinlich verschiedene Methoden geben, das Geschlecht der Küken schon im Ei zu bestimmen. In der Bio-Legehennenhaltung ist es unserer Meinung nach jedoch die einzige vertretbare Lösung, die männlichen Küken aufzuziehen. Wir sehen es als unsere Pflicht, jedem Huhn, ob männlich oder weiblich, ein artgerechtes Leben zu ermöglichen.

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Gauer!

Dir schwebt nun auch noch eine Frage im Kopf herum, die du gerne an Bio-Gut Rosenthal stellen möchtest?

Dann schreib sie in die Kommentare - wir freuen uns auf den Austausch mit dir!

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